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Urteil : Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit : aus der RDV 2/2015, Seite 92 bis 95

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18. November 2014 – 1 AZR 257/13 –)

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  1. Art. 9 Abs. 3 GG schützt eine Gewerkschaft auch darin, der Arbeitgeberseite in einer konkreten Tarifvertragsverhandlungssituation Angaben über ihren Organisationsgrad und die Verteilung ihrer Mitglieder in bestimmten Betrieben vorzuenthalten.
  2. Verlangt ein Arbeitgeber während laufender Tarifvertragsverhandlungen von seinen Arbeitnehmern die Offenlegung ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit, handelt es sich um eine gegen die gewerkschaftliche Koalitionsbetätigungsfreiheit gerichtete Maßnahme.

Sachverhalt:

Die Parteien streiten über die Befugnis der Arbeitgeberin, betriebszugehörige Arbeitnehmer nach ihrer Mitgliedschaft in einer bestimmten Gewerkschaft zu befragen.

Die Klägerin – die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) – organisiert ua. das Fahrpersonal von Nahverkehrsunternehmen im Freistaat Bayern und ist Mitglied der dbb tarifunion. Die Beklagte ist als kommunales Dienstleistungsunternehmen mit Sitz in M ua. im Personennahverkehr tätig und gehört dem Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern e.V. (KAV Bayern) an. Dieser schloss am 18. August 2006 mit der dbb tarifunion sowie mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) – Landesbezirk Bayern – jeweils einen gleichlautenden, am 1. Januar 2007 in Kraft getretenen „Tarifvertrag Nahverkehrsbetriebe Bayern (TV-N Bayern)“. Seitdem enthalten die Arbeitsverträge der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer eine Bezugnahme auf den TV-N Bayern. Zuvor geschlossene „Alt“arbeitsverträge verweisen – in unterschiedlichen Formulierungen – auf die Bestimmungen des „Bundesmanteltarifvertrags für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe“

Nach Kündigungen des jeweils mit ihnen geschlossenen TV-N Bayern (in den Fassungen des 2. Änderungstarifvertrags) zum 30. Juni 2010 verhandelten ver.di und dbb tarifunion zunächst gemeinsam mit dem KAV Bayern über einen neuen Tarifabschluss. Am 20. August 2010 erzielten ver.di und der KAV Bayern eine Einigung. Die dbb tarifunion erklärte in einem an den KAV Bayern gerichteten Schreiben vom 25. August 2010 „die Verhandlungen … formal für gescheitert“ und teilte mit, dass „der Vorstand … die Durchführung der Urabstimmung beschlossen“ habe. Mit Schreiben vom selben Tag wandte sich die Beklagte an „die Tarifbeschäftigten des Unternehmensbereichs Verkehr“. Das Schreiben und ein ihm beigelegtes Antwortformular lauten:

„…

es hat nach Kündigung des Tarifvertrag Nahverkehrsbetriebe Bayern (TV-N Bayern) durch die Gewerkschaft ver.di und GDL/dbb Tarifunion mehrere Verhandlungsrunden, zuletzt am 20. August 2010, in Nürnberg gegeben.

Mit der Gewerkschaft ver.di wurde am 20. August 2010 eine Tarifeinigung erzielt.

Diese Einigung sieht unter anderem bereits zum 1. September eine Erhöhung des Tabellenentgeltes um 1,6% sowie eine Einmalzahlung von 240 EUR vor.

Ebenfalls wurde mit ver.di vereinbart, dass die Schicht- und Wechselschichtzulagen ab dem 1. September 2010 um 1,6 % erhöht werden und es zu zusätzlichen strukturellen Verbesserungen beim Zusatzurlaub für Nachtarbeit kommt.

Im Gegensatz dazu, hat die GDL / dbb tarifunion die Verhandlungen für gescheitert erklärt.

Ansprüche aus der Einigung mit der Gewerkschaft ver.di können GDL-Mitglieder daher nicht geltend machen.

Für die Mitglieder der GDL gibt es keine entsprechende Einigung über eine prozentuale Erhöhung des Tabellenentgeltes, der Erhöhung der Schicht- und Wechselschichtzulagen, der strukturellen Verbesserungen beim Zusatzurlaub für Nachtarbeit sowie über eine Einmalzahlung zum 01. September 2010.

Damit die S M GmbH ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen auf die Umsetzung des mit ver.di abgeschlossenen Tarifvertrages nachkommen kann und – wie auch in der Vergangenheit – die nichtorganisierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenfalls an der Umsetzung teilhaben, sind wir auf Ihre Mitwirkung angewiesen.

Dies ist in Ihrem eigenen Interesse, da wir ohne Beantwortung und Rückmeldung der als Anlage beigeführten Frage davon ausgehen müssen, dass Sie keinen Anspruch auf die Umsetzung des Tarifergebnisses aus der Einigung vom 20.08.2010 haben.

Ihre Antwort wird ausschließlich für die Prüfung eines Anspruches auf die Tarifeinigung mit der Gewerkschaft ver.di verwendet.

Bitte senden oder faxen Sie uns Ihre Antwort unterschrieben bis spätestens 10. September 2010 in beigefügtem Rückantwortkuvert an Herrn D, P-SC-S1. Sollten Sie an der zeitgerechten Rückmeldung gehindert sein, holen Sie diese schnellstmöglich nach. Solange keine Rückmeldung erfolgt, kann die Tarifeinigung für Sie in der Entgeltabrechnung nicht umgesetzt werden.

Rückantwort

Name: …

Vorname: …

Personalnummer: …

Hiermit erkläre ich, dass ich Mitglied der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer GDL bin (bitte ankreuzen)

ja        □

nein    □

M, den ……………………………………

Unterschrift“

Durch die Befragungsaktion vom 25. August 2010 sieht sich die Klägerin in ihren Rechten aus Art. 9 Abs. 3 GG beeinträchtigt. Mit ihrer am 22. September 2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage – und späteren Klageerweiterungen um Hilfsanträge – hat sie die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, die in ihrem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer schriftlich aufzufordern, schriftlich zu erklären, ob sie Mitglied der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer GDL sind oder nicht;

Aus den Gründen:

II. Das hauptsächliche Unterlassungsbegehren ist in der Fassung, das es jedenfalls im zweiten Rechtszug erfahren hat, zulässig, aber unbegründet.

1. Der Antrag ist zulässig.

a) Die Klägerin verlangt die Unterlassung jeglicher schriftlicher Aufforderungen der Beklagten an die in ihrem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer zu einer schriftlichen Erklärung, ob sie bei der Klägerin organisiert sind oder nicht. Dieses Begehren ist dahin zu verstehen, dass die Unterlassungspflicht der Beklagten unabhängig von der Zielrichtung und den konkreten Einzelfallumständen einer schriftlichen Aufforderung zu der beschriebenen Erklärung bestehen soll.

b) In diesem Verständnis begegnen dem in erster Linie verfolgten Antrag keine Zulässigkeitsbedenken; insbesondere ist er hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er lässt mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennen, welche Handlung der Beklagten untersagt werden soll. Dass es sich um einen Globalantrag handelt, der eine unbestimmte Vielzahl möglicher zukünftiger Fallgestaltungen erfasst, steht seiner Bestimmtheit nicht entgegen. Er ist ausnahmslos auf alle denkbaren Fälle gerichtet. Ob das verfolgte Unterlassungsbegehren für sämtliche Fälle berechtigt ist, betrifft die Begründetheit und nicht die Zulässigkeit des Antrags (BAG 24. April 2007 – 1 AZR 252/06 – Rn. 25, BAGE 122, 134).

Der Antrag ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung jeglicher schriftlicher Aufforderungen an die in deren Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer zu einer schriftlichen Erklärung, ob sie Mitglied der GDL sind oder nicht. Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG. Zwar verletzt das Schreiben der Beklagten vom 25. August 2010 die Klägerin in ihrer von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten kollektiven Koalitionsfreiheit. Die beanspruchte Unterlassung umfasst aber auch Fallgestaltungen, bei denen es schon an einer Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr fehlt, die eine – von der Klägerin darzulegende – Anspruchsvoraussetzung ist.

a) Nach § 1004 Abs. 1 BGB kann der Eigentümer vom Störer die Beseitigung und weitere Unterlassung der Beeinträchtigung verlangen, wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird. Diese Ansprüche sind nicht auf Eigentumsverletzungen beschränkt, sondern bestehen darüber hinaus zur Abwehr von Eingriffen in alle nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechte, Lebensgüter und Interessen (BAG 17. Mai 2011 – 1 AZR 473/09 – Rn. 39, BAGE 138, 68). Hierzu gehört auch die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete kollektive Koalitionsfreiheit. Gegen rechtswidrige Eingriffe in diese Freiheit kann sich eine Koalition mit auf § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG gestützten Unterlassungsklagen wehren (zum Unterlassungsanspruch einer Gewerkschaft vgl. BAG 17. Mai 2011 – 1 AZR 473/09 – Rn. 39, aaO; 20. April 1999 – 1 ABR 72/98 – zu B II 2 a der Gründe, BAGE 91, 210; zum Unterlassungsanspruch eines Arbeitgeberverbandes vgl. BAG 24. April 2007 – 1 AZR 252/06 – Rn. 54, BAGE 122, 134).

b) Für die mit dem Hauptantrag erstrebte Unterlassung liegen die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs aber nicht vor.

aa) Allerdings hat die Beklagte mit ihrer Frageaktion die kollektive Koalitionsfreiheit der Klägerin aus Art. 9 Abs. 3 GG verletzt.

(1) Die Befragung von Arbeitnehmern nach Maßgabe des Schreibens vom 25. August 2010 beeinträchtigt die kollektive Koalitionsbetätigungsfreiheit der Klägerin.

(a) Der sich auf alle koalitionsspezifischen Betätigungsweisen erstreckende Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG umfasst insbesondere die Tarifautonomie, die im Zentrum der den Koalitionen eingeräumten Möglichkeiten zur Verfolgung ihrer Zwecke steht (BVerfG 10. September 2004 – 1 BvR 1191/03 – zu B II 1 der Gründe mwN; BAG 22. September 2009 – 1 AZR 972/08 – Rn. 33, BAGE 132, 140). Ihre Aufgabe ist es, den von der staatlichen Rechtsetzung frei gelassenen Raum des Arbeitslebens durch Tarifverträge sinnvoll zu ordnen, insbesondere die Höhe der Arbeitsvergütung für die verschiedenen Berufstätigkeiten festzulegen, und so letztlich die Gemeinschaft sozial zu befrieden (BVerfG 6. Mai 1964 – 1 BvR 79/62 – BVerfGE 18, 18). Dazu versuchen die Koalitionen auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite in gemeinsamen Verhandlungen zu einem Interessenausgleich zu gelangen und die jeweils andere Seite zur Übernahme der selbst für richtig befundenen Position ganz oder in Teilen zu bewegen (BAG 13. Juli 1993 – 1 AZR 676/92 – zu III 1 b der Gründe, BAGE 73, 320). Die Verhandlungsstärke einer Arbeitnehmerkoalition hängt von der Zahl ihrer Mitglieder ab (BVerfG 14. November 1995 – 1 BvR 601/92 – BVerfGE 93, 352). Diese sichern nicht nur deren finanziellen Bestand, sondern sind auch Garanten ihrer Durchsetzungsfähigkeit in den Vertragsverhandlungen mit dem sozialen Gegenspieler. Der Organisationsgrad einer Gewerkschaft wie die Verteilung ihrer Mitglieder in den Betrieben des jeweiligen Tarifgebiets sind bestimmend für die Wahl der Mittel, die eine Arbeitnehmerkoalition einsetzen kann, um in Tarifverhandlungen mit der Arbeitgeberseite zum Abschluss zu gelangen. Ein solches Mittel ist auch der Arbeitskampf. Welches Arbeitskampfmittel die Arbeitnehmerorganisation in welchem Umfang einsetzt und welches Kampfgebiet sie hierfür wählt, geben vor allem der Organisationsgrad und die betriebliche Zuordnung ihrer Mitglieder vor. Sind der Arbeitgeberseite diese Daten bekannt, kann sie sowohl ihre Verhandlungsposition als auch im Falle eines Arbeitskampfes ihre Arbeitskampfmittel hierauf einstellen. Die Ungewissheit des sozialen Gegenspielers über die tatsächliche Durchsetzungskraft der Arbeitnehmerkoalition in einer konkreten Verhandlungssituation ist demnach grundlegend dafür, dessen Verhandlungsbereitschaft zu fördern und zu einem angemessenen Interessenausgleich zu gelangen. Im Hinblick darauf schützt Art. 9 Abs. 3 GG eine Gewerkschaft auch darin, diese Angaben der Arbeitgeberseite in einer konkreten Verhandlungssituation vorzuenthalten, um sich nicht selbst zu schwächen.

(b) Die Befragungsaktion der Beklagten ist eine gegen die koalitionsspezifische Betätigungsfreiheit der Klägerin gerichtete Maßnahme. Die von ihren Arbeitnehmern geforderten Auskünfte verschaffen der Beklagten Kenntnis vom Umfang des Mitgliederbestandes der GDL in ihrem „Unternehmensbereich Verkehr“ sowie dessen konkreter innerbetrieblicher Verteilung. Bei wahrheitsgemäßer Beantwortung erlangte die Beklagte anhand des geforderten Namens sowie der Personalnummer Informationen über den Organisationsgrad der GDL und zum konkreten Einsatzort des einzelnen GDL-Mitglieds. Diese Informationen des gewerkschaftlichen Binnenbereichs erlauben es ihr, die Verhandlungsstärke der Gewerkschaftsseite in einer laufenden Tarifauseinandersetzung konkret einzuschätzen und damit die Verhandlungsmöglichkeiten der Arbeitgeberseite hierauf einzustellen. Darüber hinaus ist die mit der Befragungsaktion verbundene Zusage, allen Arbeitnehmern, die nicht Mitglied der GDL sind, ungeachtet einer Gewerkschaftszugehörigkeit den mit ver.di erzielten Tarifabschluss zukommen zu lassen, geeignet, durch finanzielle Anreize Nichtorganisierte von einem Beitritt zur GDL abzuhalten und damit Einfluss auf deren Mitgliederbestand zu nehmen. Diesen Druck verstärkt die weitere Ankündigung der Beklagten, bei Ausbleiben einer Antwort die Tarifeinigung in der Entgeltabrechnung nicht umzusetzen.

2) Die von der Beklagten vorgebrachten Gründe für die Befragungsaktion vermögen die Beeinträchtigung der kollektiven Koalitionsbetätigungsfreiheit der Klägerin nicht zu rechtfertigen.

(a) Untauglich ist schon die als Begründung für die Aufforderung vom 25. August 2010 angegebene Tarifeinigung zwischen ver.di und dem KAV Bayern. In ihrem Schreiben geht die Beklagte von „ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung“ zur „Umsetzung des mit ver.di abgeschlossenen Tarifvertrages“ aus. Hierfür ist die Kenntnis von einer Mitgliedschaft zur GDL aber unmaßgeblich. Nach ihrem eigenen Vorbringen verwendet die Beklagte in ihren Formulararbeitsverträgen Bezugnahmeklauseln, die nicht nach einer Gewerkschaftszugehörigkeit differenzieren. Soweit diese Tarifabschlüsse mit ver.di erfassen, ist die Beklagte vertraglich allen Arbeitnehmern zur Anwendung dieser Tarifverträge verpflichtet, deren Verträge eine entsprechende Bezugnahme enthalten. Ansonsten begründen diese Tarif abschlüsse nur eine normative Verpflichtung gegenüber den Mitgliedern von ver.di (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Hierzu muss die Beklagte einzig die Tarifgebundenheit dieser Arbeitnehmer und nicht die von Anders- oder Nichtorganisierten kennen.

(b) Gleiches gilt für ihre Annahme, sie habe die Zugehörigkeit einzelner Arbeitnehmer zur GDL kennen müssen, um einem zu erwartenden Streikdruck der GDL mit einer selektiven Aussperrung von deren Mitgliedern begegnen zu können. Unabhängig davon, dass die Beklagte in dem Schreiben vom 25. August 2010 ausdrücklich angegeben hat, die Antwort der Arbeitnehmer werde „ausschließlich für die Prüfung eines Anspruchs auf die Tarifeinigung mit der Gewerkschaft ver.di verwendet“, verletzt eine selektive Aussperrung, die gezielt nur die Mitglieder der streikenden Gewerkschaft erfasst, also schon Nichtorganisierte hiervon ausnimmt, ihrerseits die positive Koalitionsbetätigungsfreiheit der kampfführenden Gewerkschaft (st. Rspr. BAG 10. Juni 1980 – 1 AZR 331/79 – BAGE 33, 195). Darüber hinaus wäre die Beklagte schon aus allgemeinen arbeitskampfrechtlichen Grundsätzen zu einer Abwehraussperrung nicht befugt gewesen. Sie befand sich in einer Auseinandersetzung um einen Verbandstarifvertrag. In einem solchen Fall liegt die Entscheidung über Kampfmaßnahmen der Arbeitgeberseite allein in der Verantwortung des kampfführenden Arbeitgeberverbandes und nicht in der eines einzelnen Mitglieds (vgl. BAG 31. Oktober 1995 – 1 AZR 217/95 – zu I 1 der Gründe, BAGE 81, 213).

bb) Gleichwohl hat der nicht auf die Befragungsaktion vom 25. August 2010 beschränkte Unterlassungsantrag keinen Erfolg. Das zur Entscheidung gestellte Globalbegehren umfasst auch Fallgestaltungen, in denen sich der Unterlassungsanspruch bereits aus deliktsrechtlichen Gründen als unbegründet erweist.

(1) Das in die Revisionsinstanz gelangte Begehren ist nicht nur – im Sinn einer abstrakten Beschreibung der mit dem Beklagtenschreiben vom 25. August 2010 erfolgten Verletzungshandlung – auf die Untersagung von Befragungen der Arbeitnehmer im Unternehmen der Beklagten nach ihrer Zugehörigkeit zu der Klägerin im Zusammenhang mit Tarifvertragsverhandlungen oder bevorstehenden Arbeitskampfmaßnahmen gerichtet. Es erfasst vielmehr jegliche schriftliche Aufforderungen der Beklagten an die im Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer, schriftlich zu erklären, ob sie Mitglied der Klägerin sind oder nicht.

(2) Ob in solch einer Aufforderung generell und ausnahmslos eine rechtswidrige Beeinträchtigung der kollektiven Koalitionsfreiheit der Klägerin liegt – oder ob und unter welchen Umständen der Arbeitgeber in einem tarifpluralen Betrieb nach der Gewerkschaftszugehörigkeit der Arbeitnehmer fragen darf –, muss nicht entschieden werden. Es fehlt bei den nicht vom Anlassfall umfassten Fallgestaltungen an der für einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG notwendigen Begehungsgefahr. Die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen (vgl. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB) ist Tatbestandsmerkmal des Unterlassungsanspruchs und damit materielle Anspruchsvoraussetzung (vgl. BAG 20. November 2012 – 1 AZR 179/11 – Rn. 82, BAGE 143, 354).