Editorial : In welchen Fällen entscheidet die Datenschutzaufsicht verbindlich? : aus der RDV 2/2018, Seite 63 bis 64
Nach der DS-GVO kommt der Europäischen Datenschutzaufsicht in Gestalt des Datenschutzausschusses besondere Macht zu. Wenn mitgliedstaatliche Aufsichtsbehörden sich bei der Anwendung der DS-GVO uneinig sind, entscheidet er den Streit in bestimmten Fällen (Art. 65 Abs. 1 DS-GVO) verbindlich und für die Aufsichtsbehörden in Europa endgültig. Der EuGH kann diese Entscheidung aufheben. Es ist aber lange nicht jede Äußerung der Aufsicht verbindlich. Das gilt insbesondere für die Working Documents – also die Arbeitspapiere der Art. 29- Gruppe, die zum 25. Mai 2018 im Datenschutzausschuss aufgehen wird. Diese Papiere existieren zu zahlreichen datenschutzrechtlichen Fragen, auch schon nach der DS-GVO. Zuletzt hat die Art. 29-Gruppe Ende 2017 darauf hingewiesen, dass diese Papiere die Meinung der EU-Aufsicht wiedergeben und rein beratenden Charakter haben. Es ist nicht ersichtlich, warum sich das mit der Anwendbarkeit der DS-GVO ändern sollte. Erst dann, wenn sich eine solche Meinung im formalen Verfahren der Streitbelegung zwischen der Aufsicht zu einem Beschluss verdichtet, wird sie verbindlich. Das erscheint sachgerecht, weil man davon ausgehen kann, dass konkrete Entscheidungen im Rahmen der Streitbeilegung mit Blick auf ihre Gerichtsfestigkeit wesentlich intensiver beraten werden als die Vielzahl der Empfehlungen in den Arbeitsmaterialien. Faktisch dürfte den Papieren der Aufsicht aber eine Hinweisfunktion zukommen. Wer sich gegen sie entscheidet, geht ein Risiko ein.
Wie sieht es bei der nationalen Aufsicht in Deutschland aus? Sie agiert im europäischen Verwaltungsverbund keinesfalls mehr national unabhängig, wenn der Datenschutzausschuss im Kohärenzverfahren verbindlich entschieden hat. Auch die Papiere der DSK sind nur Meinungen. Sie haben im Datenschutzausschuss kein größeres Gewicht als die Positionen der anderen EU-Aufsichtsbehörden. Kommt es aber nicht zu einem Streit mehrerer nationaler Aufsichtsbehörden sieht es anders aus. Innerstaatlich erlassen die Landesdatenschutzbehörden dann etwa im Wege einer Anweisung Verwaltungsakte. Diese sind so lange verbindlich, bis sie in einem innerstaatlichen Rechtsstreit gerichtlich aufgehoben werden. Widerspruch und Klage gegen eine Anweisung entfalten aber aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, dass die Anweisung bis zur Klärung der verwaltungsrechtlichen Streitigkeit keine Rechtswirkung entfaltet. In diesem Fall kann man die Klärung der Rechtslage ohne rechtlichen Nachteil abwarten. Wird allerdings durch die Aufsicht ein Bußgeld verhangen, stellt sich die Frage, ob man das sofort zahlen muss und es erst erstattet bekommt, wenn man den Rechtsstreit um das Bußgeld gewonnen hat. Das hängt davon ab, ob man das Bußgeld nach der DS-GVO als öffentliche Abgabe zur Finanzierung der Aufsichtstätigkeit begreift. Die Entscheidung in öffentlichrechtlichen Streitigkeiten gegen die Aufsicht wird im Zweifel nach nationaler Vorlage durch den EuGH erfolgen. Bei Streitigkeiten im Beschäftigtendatenschutzes entscheiden demgegenüber im Rahmen der Öffnungsklausel des Art. 88 DS-GVO die nationalen Gerichte.
Professor Dr. Rolf Schwartmann
Prof. Dr. Rolf Schwartmann Kölner Forschungsstelle für Medienrecht der Technischen Hochschule Köln, Mitherausgeber von Recht der Datenverarbeitung (RDV) sowie Vorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit e.V. (GDD)