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Urteil : Schriftliche Antworten und Bewertungen in einer berufsbezogenen Prüfung als personenbezogene Daten : aus der RDV 2/2018, Seite 92 bis 95

(Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 20. Dezember 2017 – C 434/16 –)

Archiv RDV
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Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr ist dahin auszulegen, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung und etwaige Anmerkungen des Prüfers zu diesen Antworten „personenbezogene Daten“ im Sinne dieser Bestimmung darstellen.

Sachverhalt:

Die Entscheidung ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Peter Nowak und dem Data Protection Commissioner (Datenschutzbeauftragter, Irland) wegen dessen Weigerung, Herrn Nowak Zugang zu einer korrigierten Arbeit einer Prüfung, an der er teilgenommen hatte, zu gewähren, die damit begründet wurde, dass die darin enthaltenen Informationen keine personenbezogenen Daten darstellten.

Herr Nowak war Trainee Accountant (Wirtschaftsprüfer/Steuerberater in Ausbildung) und hatte die Prüfungen des Institute of Chartered Accountants of Ireland (irische Berufsorganisation der Wirtschaftsprüfer/Steuerberater, im Folgenden: CAI) der Stufe 1 im Fach Rechnungswesen sowie drei Prüfungen der Stufe 2 mit Erfolg abgelegt. Er fiel jedoch durch die Prüfung „Strategic Finance und Management Accounting“ durch. Dabei handelte es sich um eine Prüfung, bei der Dokumente benutzt werden durften („open book exam“).

Nachdem Herr Nowak im Herbst 2009 zum vierten Mal durch diese Prüfung durchgefallen war, reichte er zunächst eine Beschwerde ein, um ihr Ergebnis anzufechten. Nachdem diese Beschwerde im März 2010 zurückgewiesen worden war, stellte er im Mai 2010 gemäß Section 4 des Datenschutzgesetzes einen Antrag auf Auskunft, der sich auf sämtliche ihn betreffenden und im Besitz der CAI befindlichen personenbezogenen Daten bezog.

Mit Schreiben vom 1. Juni 2010 übermittelte die CAI Herrn Nowak 17 Dokumente, weigerte sich jedoch, ihm seine Prüfungsarbeit herauszugeben, und zwar mit der Begründung, dass diese keine personenbezogenen Daten im Sinne des Datenschutzgesetzes enthalte.

Herr Nowak wandte sich daraufhin an den Datenschutzbeauftragten, um die Stichhaltigkeit der Begründung, mit der die Übermittlung seiner Prüfungsarbeit verweigert worden war, anzufechten. Im Juni 2010 antwortete ihm dieser per E Mail und teilte ihm u.a. mit, dass „Prüfungsarbeiten … im Allgemeinen nicht [für Datenschutzzwecke] geprüft [werden], … da es sich bei diesem Material im Allgemeinen nicht um personenbezogene Daten handelt“.

Auf diese Antwort des Datenschutzbeauftragten folgte ein Schriftwechsel zwischen Herrn Nowak und dem Datenschutzbeauftragten, der mit einer formellen Beschwerde endete, die Herr Nowak am 1. Juli 2010 einreichte.

Mit E Mail vom 21. Juli 2010 teilte der Datenschutzbeauftragte Herrn Nowak mit, dass er nach Prüfung der Akte keinen wesentlichen Verstoß gegen das Datenschutzgesetz festgestellt habe und dass er gemäß Section 10(1)(b)(i) dieses Gesetzes, wo für den Fall von unseriösen oder schikanösen Beschwerden Vorsorge getroffen werde, beschlossen habe, seiner Beschwerde nicht weiter nachzugehen. In der E Mail wird ferner ausgeführt, bei dem Material, in Bezug auf das Herr Nowak „ein Recht auf Berichtigung“ ausüben wolle, handele es sich „nicht um personenbezogene Daten, auf die Section 6 [des Datenschutzgesetzes] Anwendung findet“.

Herr Nowak erhob gegen diese Entscheidung Klage beim Circuit Court (Bezirksgericht, Irland). Dieses erklärte die Klage mit der Begründung für unzulässig, dass der Datenschutzbeauftragte der Beschwerde nicht nachgegangen sei, weshalb keine anfechtbare Entscheidung vorliege. Ergänzend stellte dieses Gericht fest, dass die Klage nicht begründet sei, weil es sich bei der Prüfungsarbeit nicht um personenbezogene Daten handle.

Herr Nowak legte gegen das Urteil des Circuit Court (Bezirksgericht) ein Rechtsmittel beim High Court (Hoher Gerichtshof, Irland) ein, der dieses Urteil jedoch bestätigte. Das Urteil des High Court (Hoher Gerichtshof) wiederum wurde vom Court of Appeal (Berufungsgericht, Irland) bestätigt. Der Supreme Court (Oberster Gerichtshof, Irland), der das Rechtsmittel gegen das Urteil des Court of Appeal (Berufungsgericht) zuließ, erklärte die von Herrn Nowak gegen die Entscheidung des Datenschutzbeauftragten erhobene Klage für zulässig.

Da der Supreme Court (Oberster Gerichtshof) jedoch Zweifel hat, ob eine Prüfungsarbeit unter den Begriff „personenbezogene Daten“ im Sinne der Richtlinie 95/46 fallen kann, hat er beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Können Informationen, die von einem Prüfling in einer berufsbezogenen Prüfung in seiner Antwort bzw. als Antwort aufgezeichnet wurden, personenbezogene Daten im Sinne der Richtlinie 95/46 darstellen?

Falls die Antwort auf Frage 1 lautet, dass sämtliche oder Teile dieser Informationen personenbezogene Daten im Sinne der Richtlinie 95/46 darstellen können – welche Faktoren sind bei der Bestimmung, ob im konkreten Fall eine Prüfungsarbeit personenbezogene Daten darstellt, maßgeblich und welches Gewicht ist diesen Faktoren beizumessen?

Zu den Vorlagefragen:

Mit seinen Vorlagefragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen ist, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung und etwaige Anmerkungen des Prüfers dazu „personenbezogene Daten“ im Sinne dieser Bestimmung darstellen.

In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass in Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 personenbezogene Daten definiert sind als „alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person“. Nach dieser Bestimmung wird „als bestimmbar … eine Person angesehen, die direkt oder indirekt identifiziert werden kann, insbesondere durch Zuordnung zu einer Kennnummer oder zu einem oder mehreren spezifischen Elementen, die Ausdruck ihrer physischen, physiologischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität sind“.

Es steht fest, dass ein Prüfling in einer berufsbezogenen Prüfung eine natürliche Person ist, die entweder direkt über ihren Namen oder indirekt über eine Kennnummer, die auf der Prüfungsarbeit oder einem Deckblatt der Prüfungsarbeit angebracht sind, identifiziert werden kann.

Entgegen dem, was der Datenschutzbeauftragte offenbar geltend macht, ist es in diesem Zusammenhang unerheblich, ob der Prüfer den Prüfling im Zeitpunkt der Korrektur und der Bewertung der Prüfungsarbeit identifizieren kann oder nicht.

Um Daten als „personenbezogene Daten“ im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 qualifizieren zu können, ist es nämlich nicht erforderlich, dass sich alle zur Identifizierung der betreffenden Person erforderlichen Informationen in den Händen einer einzigen Person befinden (Urteil vom 19. Oktober 2016, Breyer, C 582/14, EU:C:2016:779, Rn. 43). Im Übrigen ist unstrittig, dass, soweit dem Prüfer die Identität des Prüflings bei der Bewertung der von diesem bei einer Prüfung gegebenen Antworten nicht bekannt ist, die die Prüfung organisierende Einrichtung, vorliegend die CAI, hingegen im Besitz der notwendigen Informationen ist, die es ihr ermöglichen, den Prüfling unschwer und zweifelsfrei anhand seiner auf der Prüfungsarbeit oder dem Deckblatt der Prüfungsarbeit angebrachten Kennnummer zu identifizieren und ihm seine Antworten zuzuordnen.

Zu prüfen ist jedoch, ob die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung und etwaige Anmerkungen des Prüfers dazu Informationen über den Prüfling im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 darstellen.

Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, ist der Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46 sehr weit und sind die von ihr erfassten personenbezogenen Daten vielfältig (Urteil vom 7. Mai 2009, Rijkeboer, C 553/07, EU:C:2009:293, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

In der Verwendung des Ausdrucks „alle Informationen“ im Zusammenhang mit der Bestimmung des Begriffs „personenbezogene Daten“ in Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 kommt nämlich das Ziel des Unionsgesetzgebers zum Ausdruck, diesem Begriff eine weite Bedeutung beizumessen. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen „über“ die in Rede stehende Person handelt.

Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist.

Wie Herr Nowak, die tschechische, die hellenische, die ungarische, die österreichische und die portugiesische Regierung sowie die Europäische Kommission im Wesentlichen geltend gemacht haben, stellen die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung solche Informationen dar, die mit seiner Person verknüpft sind.

Zunächst spiegelt der Inhalt dieser Antworten nämlich den Kenntnisstand und das Kompetenzniveau des Prüflings in einem bestimmten Bereich sowie gegebenenfalls seine Gedankengänge, sein Urteilsvermögen und sein kritisches Denken wider. Im Fall einer handschriftlich verfassten Prüfung enthalten die Antworten zudem kalligrafische Informationen.

Des Weiteren zielt die Sammlung dieser Antworten darauf ab, die beruflichen Fähigkeiten des Prüflings und seine Eignung zur Ausübung des betreffenden Berufs zu beurteilen.

Schließlich kann sich die Verwendung dieser Informationen, die insbesondere im Erfolg oder Scheitern des Prüflings der in Rede stehenden Prüfung zum Ausdruck kommt, insoweit auf dessen Rechte und Interessen auswirken, als sie beispielsweise seine Chancen, den gewünschten Beruf zu ergreifen oder die gewünschte Anstellung zu erhalten, bestimmen oder beeinflussen kann.

Die Feststellung, dass die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung Informationen darstellen, die aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks und ihrer Auswirkungen Informationen über diesen Prüfling darstellen, gilt im Übrigen auch dann, wenn es sich, wie im vorliegenden Fall, um eine Prüfung handelt, bei der Dokumente benutzt werden dürfen.

Wie die Generalanwältin in Nr. 24 ihrer Schlussanträge dargelegt hat, zielt nämlich jede Prüfung darauf ab, die individuelle Leistung einer konkreten Person, des Prüflings, festzustellen und zu dokumentieren, und – insbesondere im Unterschied zu einer repräsentativen Umfrage – nicht darauf, Informationen zu erlangen, die von dieser Person unabhängig sind.

Was die Anmerkungen des Prüfers zu den Antworten des Prüflings angeht, ist festzustellen, dass diese – ebenso wie die Antworten des Prüflings in der Prüfung – Informationen über den betreffenden Prüfling darstellen.

So kommt im Inhalt dieser Anmerkungen die Ansicht oder Beurteilung des Prüfers in Bezug auf die individuelle Leistung des Prüflings in der Prüfung und insbesondere in Bezug auf dessen Kenntnisse und Kompetenzen in dem betreffenden Bereich zum Ausdruck. Diese Anmerkungen zielen im Übrigen gerade darauf ab, die Beurteilung der Leistung des Prüflings durch den Prüfer zu dokumentieren, und können, wie in Rn. 39 des vorliegenden Urteils ausgeführt, Auswirkungen auf den Prüfling haben.

Die Feststellung, dass die Anmerkungen des Prüfers zu den vom Prüfling in der Prüfung gegebenen Antworten Informationen darstellen, die aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks und ihrer Auswirkungen mit dem betreffenden Prüfling verknüpft sind, wird nicht dadurch entkräftet, dass diese Anmerkungen zugleich Informationen über den Prüfer darstellen.

Ein und dieselbe Information kann nämlich mehrere natürliche Personen betreffen und folglich für diese Personen – vorausgesetzt, dass sie bestimmt oder bestimmbar sind – personenbezogene Daten im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 darstellen.

Die Einordnung der von dem Prüfling in einer berufsbezogenen Prüfung gegebenen schriftlichen Antworten und etwaiger Anmerkungen des Prüfers zu diesen Antworten als personenbezogene Daten kann im Übrigen – entgegen dem Vorbringen des Datenschutzbeauftragten und der irischen Regierung – nicht dadurch beeinflusst werden, dass eine solche Einordnung für den Prüfling – grundsätzlich – ein Recht auf Auskunft und Berichtigung gemäß Art. 12 Buchst. a und b der Richtlinie 95/46 eröffnet.

Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, zahlreiche in der Richtlinie 95/46 vorgesehene Grundsätze und Garantien an diese Einordnung geknüpft sind und von ihr abhängen.

Aus dem 25. Erwägungsgrund der Richtlinie 95/46 ergibt sich nämlich, dass die in ihr vorgesehenen Schutzprinzipien zum einen ihren Niederschlag in den Pflichten finden, die den für die Verarbeitung Verantwortlichen obliegen; diese Pflichten betreffen insbesondere die Datenqualität, die technische Sicherheit, die Meldung bei der Kontrollstelle und die Voraussetzungen, unter denen eine Verarbeitung vorgenommen werden kann. Zum anderen kommen sie zum Ausdruck in den Rechten der Personen, deren Daten Gegenstand von Verarbeitungen sind, über diese informiert zu werden, Zugang zu den Daten zu erhalten, ihre Berichtigung verlangen bzw. unter gewissen Voraussetzungen Widerspruch gegen die Verarbeitung einlegen zu können.

Informationen über einen Prüfling, die in den von ihm in einer berufsbezogenen Prüfung gegebenen Antworten und in den Anmerkungen des Prüfers dazu enthalten sind, nicht als „personenbezogene Daten“ zu qualifizieren, hätte somit zur Folge, dass bei diesen Informationen die Grundsätze und Garantien im Bereich des Schutzes personenbezogener Daten und insbesondere die in den Art. 6 und 7 der Richtlinie 95/46 aufgestellten Grundsätze in Bezug auf die Qualität der Daten und die Zulässigkeit ihrer Verarbeitung sowie die in den Art. 12 und 14 dieser Richtlinie vorgesehenen Rechte der betroffenen Person auf Auskunft, Berichtigung und Widerspruch und die gemäß Art. 28 dieser Richtlinie ausgeübte Kontrolle durch die Kontrollstelle gänzlich unbeachtet blieben.

Wie die Generalanwältin in Nr. 26 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, steht fest, dass ein Prüfling u.a. ein auf dem Schutz seiner Privatsphäre aufbauendes berechtigtes Interesse daran hat, dem widersprechen zu können, dass die von ihm in der betreffenden Prüfung gegebenen Antworten und die Anmerkungen des Prüfers zu diesen Antworten ohne seine Zustimmung außerhalb des Prüfungsverfahrens verarbeitet und insbesondere an Dritte weitergegeben oder sogar veröffentlicht werden. Ebenso hat die Einrichtung, die die Prüfung organisiert, als für die Datenverarbeitung Verantwortliche sicherzustellen, dass diese Antworten und Anmerkungen so gelagert werden, dass ein unrechtmäßiger Zugang Dritter zu diesen Daten vermieden wird.

Sodann ist festzustellen, dass die in Art. 12 Buchst. a und b der Richtlinie 95/46 vorgesehenen Rechte auf Auskunft und Berichtigung auch in Bezug auf die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung und etwaige Anmerkungen des Prüfers dazu gerechtfertigt sein können.

Das in Art. 12 Buchst. b der Richtlinie 95/46 vorgesehene Recht auf Berichtigung kann es einem Prüfling zwar offenkundig nicht ermöglichen, „falsche“ Antworten im Nachhinein zu „berichtigen“.

Aus Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 95/46 ergibt sich nämlich, dass die Richtigkeit und die Vollständigkeit personenbezogener Daten im Hinblick auf den Zweck zu beurteilen sind, für den die Daten erhoben wurden. Dieser Zweck besteht bei den Antworten eines Prüflings darin, den Kenntnisstand und das Kompetenzniveau des betreffenden Prüflings zum Zeitpunkt der Prüfung festzustellen. Dieser Stand bzw. dieses Niveau spiegelt sich gerade in etwaigen Fehlern in diesen Antworten wider. Solche Fehler stellen somit in keiner Weise eine Unrichtigkeit im Sinne der Richtlinie 95/46 dar, die ein Recht auf Berichtigung nach deren Art. 12 Buchst. b begründen würde.

Dagegen kann es Situationen geben, in denen sich die Antworten eines Prüflings und die Anmerkungen des Prüfers zu diesen Antworten als nicht zutreffend im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 95/46 erweisen, etwa deshalb, weil Prüfungsarbeiten irrtümlich vertauscht wurden, so dass dem betreffenden Prüfling die Antworten eines anderen Prüflings zugeordnet wurden, oder weil ein Teil der Blätter mit den Antworten dieses Prüflings verloren gegangen ist, so dass diese Antworten nicht vollständig sind, oder aber deshalb, weil die etwaigen Anmerkungen des Prüfers seine Beurteilung der Antworten des betreffenden Prüflings nicht richtig dokumentieren.

Im Übrigen lässt sich, wie die Generalanwältin in Nr. 37 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, nicht ausschließen, dass ein Prüfling nach Art. 12 Buchst. b der Richtlinie 95/46 das Recht hat, von dem für die Verarbeitung der Daten Verantwortlichen zu verlangen, dass seine Prüfungsantworten und die Anmerkungen des Prüfers dazu nach einem bestimmten Zeitraum gelöscht werden, d.h., dass die Arbeit zerstört wird. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. e dieser Richtlinie können die personenbezogenen Daten nämlich grundsätzlich nicht länger, als es für die Realisierung der Zwecke, für die sie erhoben oder weiterverarbeitet wurden, erforderlich ist, in einer Form aufbewahrt werden, die die Identifizierung der betroffenen Person ermöglicht. In Anbetracht des Zwecks der Antworten eines Prüflings in einer Prüfung und der Anmerkungen des Prüfers zu diesen Antworten erscheint ihre Aufbewahrung in einer Form, die die Identifizierung des Prüflings ermöglicht, a priori jedoch nicht mehr notwendig, wenn das Prüfungsverfahren endgültig abgeschlossen und keiner Anfechtung mehr zugänglich ist, so dass diese Antworten und Anmerkungen jeden Beweiswert verloren haben.

Soweit die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung und etwaige Anmerkungen des Prüfers dazu somit – insbesondere im Hinblick auf ihre Richtigkeit und die Notwendigkeit ihrer Aufbewahrung – einer Überprüfung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. d und e der Richtlinie 95/46 zugänglich sind und gemäß deren Art. 12 Buchst. b berichtigt oder gelöscht werden können, ist davon auszugehen, dass der Umstand, dass einem Prüfling gemäß Art. 12 Buchst. a dieser Richtlinie ein Recht auf Auskunft hinsichtlich dieser Antworten und dieser Anmerkungen eingeräumt wird, dem Ziel der Richtlinie dient, den Schutz des Rechts auf Privatsphäre des betreffenden Prüflings in Bezug auf die Verarbeitung der ihn betreffenden Daten zu garantieren (vgl. im Umkehrschluss Urteil vom 17. Juli 2014, YS u.a., C 141/12 und C 372/12, EU:C:2014:2081, Rn. 45 und 46), und zwar unabhängig davon, ob diesem Prüfling auch nach den auf das Prüfungsverfahren anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften ein solches Auskunftsrecht zusteht.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Schutz des Grundrechts auf Achtung der Privatsphäre insbesondere voraussetzt, dass sich jede natürliche Person vergewissern kann, dass sie betreffende personenbezogene Daten richtig sind und in zulässiger Weise verarbeitet werden. So ergibt sich aus dem 41. Erwägungsgrund der Richtlinie 95/46, dass die betroffene Person, damit sie die nötigen Nachprüfungen durchführen kann, gemäß Art. 12 Buchst. a dieser Richtlinie ein Auskunftsrecht hat hinsichtlich der sie betreffenden Daten, die Gegenstand einer Verarbeitung sind. Dieses Auskunftsrecht ist insbesondere erforderlich, um es der betroffenen Person gegebenenfalls zu ermöglichen, von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen die Berichtigung, Löschung oder Sperrung ihrer Daten zu verlangen und somit das Recht nach Art. 12 Buchst. b der genannten Richtlinie auszuüben (Urteil vom 17. Juli 2014, YS u.a., C 141/12 und C 372/12, EU:C:2014:2081, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Schließlich ist zum einen festzustellen, dass sich die Rechte auf Auskunft und Berichtigung nach Art. 12 Buchst. a und b der Richtlinie 95/46 nicht auf Prüfungsfragen erstrecken, die als solche keine personenbezogenen Daten des Prüflings darstellen.

Zum anderen sehen sowohl die Richtlinie 95/46 als auch die sie ersetzende Verordnung 2016/679 bestimmte Beschränkungen dieser Rechte vor.

So können die Mitgliedstaaten gemäß Art. 13 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 95/46 Rechtsvorschriften erlassen, die die Pflichten und Rechte, die u.a. in Art. 6 Abs. 1 und in Art. 12 dieser Richtlinie vorgesehen sind, beschränken, sofern eine solche Beschränkung zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer Personen notwendig ist.

Art. 23 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung 2016/679 dehnt die Liste der Gründe für Beschränkungen, die gegenwärtig in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 95/46 vorgesehen ist, auf „den Schutz sonstiger wichtiger Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses der Union oder eines Mitgliedstaats“ aus. Zudem sieht Art. 15 der Verordnung 2016/679, der sich auf das Auskunftsrecht der betroffenen Person bezieht, in seinem Abs. 4 vor, dass das Recht auf Erhalt einer Kopie der personenbezogenen Daten die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen darf.

Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen ist, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die schriftlichen Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung und etwaige Anmerkungen des Prüfers zu diesen Antworten „personenbezogene Daten“ im Sinne dieser Bestimmung darstellen.