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Videoaufzeichnung von Polizeibeamten in einer Polizeidienststelle während der Vornahme von Verfahrenshandlungen und Veröffentlichung auf einer Video-Website

(Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 14. Februar 2019 – C 345/17 –)

(Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 14. Februar 2019 – C 345/17)

  1. Art. 3 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr ist dahin auszulegen, dass die von einem Bürger erfolgte Aufzeichnung von Polizeibeamten in einer Polizeidienststelle auf Video während der Aufnahme einer Aussage und die Veröffentlichung des so aufgezeichneten Videos auf einer Video-Website, auf der die Nutzer Videos versenden, anschauen und teilen können, in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt.
  2. Art. 9 der Richtlinie 95/46 ist dahin auszulegen, dass ein Sachverhalt wie der des Ausgangsverfahrens, d. h. die Aufzeichnung von Polizeibeamten in einer Polizeidienststelle auf Video während der Aufnahme einer Aussage und die Veröffentlichung des so aufgezeichneten Videos auf einer Video-Website, auf der die Nutzer Videos versenden, anschauen und teilen können, eine Verarbeitung personenbezogener Daten allein zu journalistischen Zwecken im Sinne dieser Bestimmung darstellen kann, sofern aus diesem Video hervorgeht, dass diese Aufzeichnung und diese Veröffentlichung ausschließlich zum Ziel hatten, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

Sachverhalt:

  1. Herr B. filmte in den Räumlichkeiten einer Dienststelle der lettischen nationalen Polizei die Aufnahme seiner Aussage im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens.
  2. Er veröffentlichte das so aufgezeichnete Video, das Polizeibeamte und deren Tätigkeit in der Polizeidienststelle zeigte, auf der Website www.youtube.com. Diese Website bietet Nutzern die Möglichkeit, Videos zu veröffentlichen, anzuschauen und zu teilen.
  3. Nach dieser Veröffentlichung stellte die nationale Datenschutzbehörde in einer Entscheidung vom 30. August 2013 fest, dass Herr B. gegen Art. 8 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes verstoßen habe, da er die Polizeibeamten in ihrer Eigenschaft als betroffene Personen nicht nach Maßgabe dieser Vorschrift über den Zweck der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten informiert habe.
  4. Herr B. habe der nationalen Datenschutzbehörde auch keine Informationen über den Zweck der Aufzeichnung des in Rede stehenden Videos und dessen Veröffentlichung auf einer Website erteilt, die belegt hätten, dass der verfolgte Zweck mit dem Datenschutzgesetz in Einklang gestanden habe.
  5. Die nationale Datenschutzbehörde forderte Herrn B. daher auf, die Löschung des Videos auf der Website www.youtube.com und anderen Websites zu veranlassen.
  6. Herr B. erhob bei der Administratīvā rajona tiesa (Verwaltungsgericht erster Instanz, Lettland) eine Klage, mit der er beantragte, die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung der nationalen Datenschutzbehörde festzustellen und ihm Ersatz für die Schäden zuzusprechen, die ihm seiner Ansicht nach entstanden sind. Er trug vor, er habe mit der Veröffentlichung des in Rede stehenden Videos die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf ein seiner Auffassung nach rechtswidriges Handeln der Polizei lenken wollen. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab.
  7. Mit Urteil vom 11. November 2015 wies die Administratīvā apgabaltiesa (Regionales Verwaltungsgericht, Lettland) das Rechtsmittel von Herrn B. gegen die Entscheidung der Administratīvā rajona tiesa (Verwaltungsgericht erster Instanz) zurück.
  8. Die Administratīvā apgabaltiesa (Regionales Verwaltungsgericht) begründete ihre Entscheidung damit, dass in dem in Rede stehenden Video die Polizeidienststelle sowie mehrere Polizeibeamte in Ausübung ihres Amtes zu sehen seien und die Kommunikation mit den Polizeibeamten bei der Vornahme von Verwaltungshandlungen sowie die Stimmen von Polizeibeamten, von Herrn B. und seines Begleiters zu hören seien.
  9. Im Übrigen könne nicht festgestellt werden, ob das Recht von Herrn B. auf freie Meinungsäußerung oder das Recht anderer Personen auf Privatsphäre Vorrang haben müsse, da Herr B. nicht angegeben habe, zu welchem Zweck er das in Rede stehende Video veröffentlicht habe. Auch zeige das Video weder aktuelle Ereignisse, die für die Gesellschaft von Interesse wären, noch ein unehrenhaftes Verhalten von Polizeibeamten. Da Herr B. das in Rede stehende Video weder zu journalistischen Zwecken im Sinne des Gesetzes über die Presse und andere Masseninformationsmedien noch zu künstlerischen oder literarischen Zwecken erstellt habe, sei Art. 5 des Datenschutzgesetzes nicht anwendbar.
  10. Die Administratīvā apgabaltiesa (Regionales Verwaltungsgericht) gelangte daher zu dem Ergebnis, dass Herr B. durch das Filmen der Polizeibeamten bei der Ausübung ihres Amtes, ohne ihnen den Zweck der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten mitzuteilen, gegen Art. 8 Abs. 1 des Datenschutzgesetzes verstoßen habe.Das vorlegende Gericht hat zum einen Zweifel, ob das Filmen von Polizeibeamten in einer Polizeidienststelle bei der Ausübung ihres Amtes und die Veröffentlichung des so aufgezeichneten Videos im Internet in den Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46 fällt. Es ist insoweit zwar der Ansicht, dass das Verhalten von Herrn B. nicht unter die in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie genannten Ausnahmen vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie falle, weist jedoch darauf hin, dass es im vorliegenden Fall um eine Aufzeichnung gehe, die nur ein einziges Mal erfolgt sei, und dass Herr B. die Polizeibeamten bei der Ausübung ihres öffentlichen Amtes, d. h., während sie als Vertreter der öffentlichen Gewalt gehandelt hätten, gefilmt habe. Unter Bezugnahme auf Nr. 95 der Schlussanträge des Generalanwalts Bobek in der Rechtssache Rīgas satiksme (C 13/16, EU:C:2017:43) weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass das Hauptanliegen, das den Schutz personenbezogener Daten rechtfertige, aber das mit der groß angelegten Verarbeitung dieser Daten verbundene Risiko sei.
  11. Zum anderen möchte das vorlegende Gericht wissen, wie der Ausdruck „allein zu journalistischen Zwecken“ in Art. 9 der Richtlinie 95/46 auszulegen ist und ob dieser Ausdruck einen Sachverhalt erfassen kann, wie er Herrn B. zur Last gelegt wird.
  12. Unter diesen Umständen hat die Augstākā tiesa (Oberster Gerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
  13. Fallen Tätigkeiten wie die im vorliegenden Fall in Rede stehende Aufzeichnung von Polizeibeamten in einer Polizeidienststelle bei der Vornahme von Verfahrenshandlungen und die Veröffentlichung des aufgezeichneten Videos auf der Website www.youtube.com in den Geltungsbereich der Richtlinie 95/46?
  14. Ist die Richtlinie 95/46 dahin auszulegen, dass die genannten Tätigkeiten als eine Verarbeitung personenbezogener Daten zu journalistischen Zwecken im Sinne von Art. 9 dieser Richtlinie angesehen werden können?

    Zu den Vorlagefragen

    Zur ersten Frage

  15. Er machte insbesondere geltend, dass das in Rede stehende Video Beamte der nationalen Polizei zeige, d. h. öffentliche Personen an einem für die Öffentlichkeit zugänglichen Ort, die daher nicht in den persönlichen Anwendungsbereich des Datenschutzgesetzes fielen.
  16. Herr B. erhob beim vorlegenden Gericht, der Augstākā tiesa (Oberster Gerichtshof, Lettland), Kassationsbeschwerde gegen das Urteil der Administratīvā apgabaltiesa (Regionales Verwaltungsgericht) und berief sich dabei auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung.
  17. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen ist, dass die Aufzeichnung von Polizeibeamten in einer Polizeidienststelle auf Video während der Aufnahme einer Aussage und die Veröffentlichung des so aufgezeichneten Videos auf einer Video-Website, auf der die Nutzer Videos versenden, anschauen und teilen können, in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt.
  18. Die Richtlinie 95/46 gilt nach ihrem Art. 3 Abs. 1 „für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einer Datei gespeichert sind oder gespeichert werden sollen“
  19. Der Begriff „personenbezogene Daten“ im Sinne dieser Bestimmung bezieht sich nach der Definition in Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 auf „alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person“. Als bestimmbar wird eine Person angesehen, „die direkt oder indirekt identifiziert werden kann, insbesondere durch Zuordnung zu … einem oder mehreren spezifischen Elementen, die Ausdruck ihrer physischen Identität sind“.
  20. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs fällt das von einer Kamera aufgezeichnete Bild einer Person unter den Begriff „personenbezogene Daten“ im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46, sofern es die Identifikation der betroffenen Person ermöglicht (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2014, Ryneš, C 212/13, EU:C:2014:2428, Rn. 22).
  21. Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Polizeibeamten auf dem in Rede stehenden Video zu sehen und zu verstehen sind, so dass davon auszugehen ist, dass die Bilder der so aufgezeichneten Personen personenbezogene Daten im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 darstellen.
  22. Der Begriff „Verarbeitung personenbezogener Daten“ bezeichnet nach Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 95/46 „jeden … Vorgang oder jede Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Speichern, die Organisation, die Aufbewahrung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Benutzung, die Weitergabe durch Übermittlung, Verbreitung oder jede andere Form der Bereitstellung, die Kombination oder die Verknüpfung sowie das Sperren, Löschen oder Vernichten“.
  23. In Bezug auf eine Videoüberwachungsanlage hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass eine Videoaufzeichnung von Personen auf einer kontinuierlichen Speichervorrichtung, der Festplatte der Überwachungsanlage, gemäß Art. 2 Buchst. b und Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 95/46 eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2014, Ryneš, C 212/13, EU:C:2014:2428, Rn. 23 und 25).
  24. In der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof hat Herr B. vorgetragen, dass er zur Aufzeichnung des in Rede stehenden Videos eine Digitalkamera verwendet habe. Dabei handelt es sich um eine Videoaufzeichnung von Personen auf einer kontinuierlichen Speichervorrichtung, dem Speicher der Kamera. Eine solche Aufzeichnung stellt somit eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 95/46 dar.
  25. Insoweit ist der Umstand, dass eine solche Aufzeichnung nur ein einziges Mal erfolgt ist, ohne Bedeutung für die Frage, ob dieser Vorgang in den Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46 fällt. Wie sich nämlich aus dem Wortlaut von Art. 2 Buchst. b in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie ergibt, gilt diese für „jeden Vorgang“, der eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne dieser Bestimmungen darstellt.
  26. Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass der Vorgang, der darin besteht, personenbezogene Daten auf eine Website zu stellen, ebenfalls als eine solche Verarbeitung anzusehen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. November 2003, Lindqvist, C 101/01, EU:C:2003:596, Rn. 25, und vom 13. Mai 2014, Google Spain und Google, C 131/12, EU:C:2014:317, Rn. 26).
  27. Insoweit hat der Gerichtshof im Übrigen klargestellt, dass es zur Wiedergabe von Informationen auf einer Internetseite eines Hochladens dieser Seite auf einen Server sowie der erforderlichen Vorgänge bedarf, um diese Seite den mit dem Internet verbundenen Personen zugänglich zu machen. Diese Vorgänge erfolgen zumindest teilweise in automatisierter Form (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. November 2003, Lindqvist, C 101/01, EU:C:2003:596, Rn. 26).
  28. Somit stellt die Veröffentlichung einer Videoaufzeichnung – wie das in Rede stehende Video –, die personenbezogene Daten enthält, auf einer Video-Website, auf der die Nutzer Videos versenden, anschauen und teilen können, eine ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung dieser Daten im Sinne von Art. 2 Buchst. b und Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 95/46 dar.
  29. Gemäß Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 95/46 findet diese Richtlinie auf zwei Arten der Verarbeitung personenbezogener Daten keine Anwendung. Dabei handelt es sich zum einen um Verarbeitungen, die für die Ausübung von Tätigkeiten erfolgen, die nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, beispielsweise Tätigkeiten gemäß den Titeln V und VI des Vertrags über die Europäische Union in seiner vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon geltenden Fassung, und in jedem Fall Verarbeitungen betreffend die öffentliche Sicherheit, die Landesverteidigung, die Sicherheit des Staates und die Tätigkeiten des Staates im strafrechtlichen Bereich. Zum anderen schließt diese Bestimmung Verarbeitungen personenbezogener Daten aus, die von einer natürlichen Person zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen werden.
  30. Da die in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 95/46 vorgesehenen Ausnahmen zur Unanwendbarkeit der Regelung zum Schutz personenbezogener Daten führen, die die Richtlinie vorsieht, und damit von dem ihr zugrunde liegenden Ziel, den Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten – wie das durch Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) garantierte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie das durch Art. 8 der Charta garantierte Recht auf Schutz personenbezogener Daten – sicherzustellen, abweichen, müssen sie eng ausgelegt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. September 2017, Puškár, C 73/16, EU:C:2017:725, Rn. 38, und vom 10. Juli 2018, Jehovan todistajat, C 25/17, EU:C:2018:551, Rn. 37).
  31. Was das Ausgangsverfahren anbelangt, geht aus den beim Gerichtshof eingereichten Unterlagen hervor, dass zum einen die Aufzeichnung und die Veröffentlichung des in Rede stehenden Videos weder als eine Verarbeitung personenbezogener Daten angesehen werden können, die für die Ausübung von Tätigkeiten erfolgte, die nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, noch als eine Verarbeitung betreffend die öffentliche Sicherheit, die Landesverteidigung, die Sicherheit des Staates oder die Tätigkeiten des Staates im strafrechtlichen Bereich im Sinne von Art. 3 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie 95/46. Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Tätigkeiten, die in der genannten Vorschrift beispielhaft aufgeführt werden, allesamt spezifische Tätigkeiten des Staates oder staatlicher Stellen sind, die mit den Tätigkeitsbereichen von Privatpersonen nichts zu tun haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. September 2017, Puškár, C 73/16, EU:C:2017:725, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).
  32. Zum anderen erfolgte die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verarbeitung personenbezogener Daten aufgrund dessen, dass Herr B. das in Rede stehende Video ohne Zugangsbeschränkung auf einer Video-Website veröffentlicht hat, auf der die Nutzer Videos versenden, anschauen und teilen können, wodurch personenbezogene Daten einer unbestimmten Zahl von Personen zugänglich gemacht wurden, nicht im Rahmen der Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten (vgl. entsprechend Urteile vom 6. November 2003, Lindqvist, C 101/01, EU:C:2003:596, Rn. 47, vom 16. Dezember 2008, Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia, C 73/07, EU:C:2008:727, Rn. 44, vom 11. Dezember 2014, Ryneš, C 212/13, EU:C:2014:2428, Rn. 31 und 33, und vom 10. Juli 2018, Jehovan todistajat, C 25/17, EU:C:2018:551, Rn. 42).
  33. Des Weiteren kann der Umstand, dass Polizeibeamte im Rahmen der Ausübung ihres Amtes auf Video aufgezeichnet werden, nicht zum Ausschluss einer solchen Art der Verarbeitung personenbezogener Daten aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46 führen.
  34. Wie die Generalanwältin in Nr. 29 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, sieht diese Richtlinie nämlich keine Ausnahme vor, die Verarbeitungen personenbezogener Daten, die Beamte betreffen, vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausschließen würde.
  35. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht ferner hervor, dass Informationen nicht deshalb nicht als „personenbezogene Daten“ einzustufen sind, weil sie im Kontext einer beruflichen Tätigkeit stehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2015, ClientEarth und PAN Europe/EFSA, C 615/13 P, EU:C:2015:489, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).
  36. Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 3 der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen ist, dass die Aufzeichnung von Polizeibeamten in einer Polizeidienststelle auf Video während der Aufnahme einer Aussage und die Veröffentlichung des so aufgezeichneten Videos auf einer Video-Website, auf der die Nutzer Videos versenden, anschauen und teilen können, in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt.

    Zur zweiten Frage

  37. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 9 der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen ist, dass ein Sachverhalt wie der des Ausgangsverfahrens, d. h. die Aufzeichnung von Polizeibeamten in einer Polizeidienststelle auf Video während der Aufnahme einer Aussage und die Veröffentlichung des so aufgezeichneten Videos auf einer Video-Website, auf der die Nutzer Videos versenden, anschauen und teilen können, eine Verarbeitung personenbezogener Daten zu journalistischen Zwecken im Sinne dieser Bestimmung darstellt.
  38. Zunächst ist festzustellen, dass die Bestimmungen einer Richtlinie nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs mit Blick auf ihre Ziele und das mit ihr eingeführte System auszulegen sind (Urteil vom 16. Dezember 2008, Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia, C 73/07, EU:C:2008:727, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).
  39. Wie sich aus ihrem Art. 1 ergibt, soll die Richtlinie 95/46 den Mitgliedstaaten den freien Verkehr personenbezogener Daten ermöglichen und gleichzeitig den Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten, insbesondere den Schutz der Privatsphäre natürlicher Personen bei der Verarbeitung dieser Daten gewährleisten. Dieses Ziel lässt sich jedoch nur erreichen, wenn berücksichtigt wird, dass die genannten Grundrechte in einem gewissen Maß mit dem Grundrecht der Freiheit der Meinungsäußerung in Einklang gebracht werden müssen. Im 37. Erwägungsgrund der Richtlinie 95/46 wird klargestellt, dass mit ihrem Art. 9 bezweckt wird, zwei Grundrechte miteinander in Einklang zu bringen, nämlich zum einen den Schutz der Privatsphäre und zum anderen die Freiheit der Meinungsäußerung. Diese Aufgabe obliegt den Mitgliedstaaten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2008, Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia, C 73/07, EU:C:2008:727, Rn. 52 bis 54).
  40. Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass in Anbetracht der Bedeutung, die der Freiheit der Meinungsäußerung in jeder demokratischen Gesellschaft zukommt, die damit zusammenhängenden Begriffe, zu denen der des Journalismus gehört, weit ausgelegt werden müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2008, Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia, C 73/07, EU:C:2008:727, Rn. 56).
  41. So ergibt sich aus den Vorarbeiten zur Richtlinie 95/46, dass die in ihrem Art. 9 vorgesehenen Befreiungen und Ausnahmen nicht nur für Medienunternehmen, sondern für jeden gelten, der journalistisch tätig ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2008, Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia, C 73/07, EU:C:2008:727, Rn. 58).
  42. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind „journalistische Tätigkeiten“ solche Tätigkeiten, die zum Zweck haben, Informationen, Meinungen oder Ideen, mit welchem Übertragungsmittel auch immer, in der Öffentlichkeit zu verbreiten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2008, Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia, C 73/07, EU:C:2008:727, Rn. 61).
  43. Zwar ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob im vorliegenden Fall die Verarbeitung personenbezogener Daten, die Herr B. vorgenommen hat, diesem Zweck entspricht, jedoch kann der Gerichtshof diesem Gericht die für die ihm obliegende Beurteilung erforderlichen Auslegungshinweise geben.
  44. So schließt der Umstand, dass Herr B. kein Berufsjournalist ist, in Anbetracht der in den Rn. 52 und 53 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs es offenbar nicht aus, dass die Aufzeichnung des in Rede stehenden Videos und dessen Veröffentlichung auf einer Video-Website, auf der die Nutzer Videos versenden, anschauen und teilen können, unter diese Bestimmung fallen können.
  45. Insbesondere kann der Umstand, dass Herr B. diese Aufzeichnung auf einer solchen Website, im vorliegenden Fall der Website www.youtube.com‚ online gestellt hat, für sich genommen dieser Verarbeitung personenbezogener Daten nicht die Eigenschaft als „allein zu journalistischen Zwecken“ im Sinne von Art. 9 der Richtlinie 95/46 erfolgt nehmen.
  46. Es muss nämlich die Entwicklung und die Vervielfältigung der Mittel zur Kommunikation und zur Verbreitung von Informationen berücksichtigt werden. Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, ist der Träger, mit dem die verarbeiteten Daten übermittelt werden – ob es sich um einen klassischen Träger wie Papier oder Radiowellen oder aber um einen elektronischen Träger wie das Internet handelt –, nicht ausschlaggebend für die Beurteilung, ob es sich um eine Tätigkeit „allein zu journalistischen Zwecken“ handelt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2008, Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia, C 73/07, EU:C:2008:727, Rn. 60).
  47. Allerdings kann, wie die Generalanwältin in Nr. 55 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, nicht davon ausgegangen werden, dass jegliche im Internet veröffentlichte Information, die sich auf personenbezogene Daten bezieht, unter den Begriff der „journalistischen Tätigkeiten“ fällt und daher für sie die in Art. 9 der Richtlinie 95/46 vorgesehenen Abweichungen und Ausnahmen gelten.
  48. Im vorliegenden Fall ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob aus dem in Rede stehenden Video hervorgeht, dass die Aufzeichnung und die Veröffentlichung dieses Videos ausschließlich zum Ziel hatten, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2008, Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia, C 73/07, EU:C:2008:727, Rn. 62).
  49. Dabei kann das vorlegende Gericht u. a. berücksichtigen, dass das in Rede stehende Video nach den Angaben von Herrn B. auf einer Website veröffentlicht wurde, um die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf die angeblich vorschriftswidrigen Praktiken der Polizei zu lenken, die während der Aufnahme seiner Aussage angewandt worden seien.
  50. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Feststellung derartiger vorschriftswidriger Praktiken keine Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Art. 9 der Richtlinie 95/46 ist.
  51. Hingegen könnte dann, wenn sich erweisen sollte, dass die Aufzeichnung und die Veröffentlichung dieses Videos nicht ausschließlich zum Ziel hatten, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten, nicht davon ausgegangen werden, dass die Verarbeitung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden personenbezogenen Daten „allein zu journalistischen Zwecken“ erfolgte.
  52. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die in Art. 9 der Richtlinie 95/46 vorgesehenen Befreiungen und Ausnahmen nur in dem Umfang angewandt werden dürfen, in dem sie sich als notwendig erweisen, um zwei Grundrechte, nämlich das Recht auf Schutz der Privatsphäre und das Recht auf freie Meinungsäußerung, miteinander in Einklang zu bringen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2008, Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia, C 73/07, EU:C:2008:727, Rn. 55).
  53. Um ein Gleichgewicht zwischen diesen beiden Grundrechten herzustellen, erfordert der Schutz der Privatsphäre demnach, dass sich die Ausnahmen und Einschränkungen in Bezug auf den Datenschutz, die in den Kapiteln II, IV und VI der Richtlinie 95/46 vorgesehen sind, auf das absolut Notwendige beschränken (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2008, Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia, C 73/07, EU:C:2008:727, Rn. 56).
  54. Es ist darauf hinzuweisen, dass Art. 7 der Charta, der das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens betrifft, Rechte enthält, die den in Art. 8 Abs. 1 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) gewährleisteten Rechten entsprechen, und dass diesem Art. 7 gemäß Art. 52 Abs. 3 der Charta somit die gleiche Bedeutung und Tragweite beizumessen ist wie Art. 8 Abs. 1 EMRK in seiner Auslegung durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Urteil vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses, C 419/14, EU:C:2015:832, Rn. 70). Gleiches gilt für Art. 11 der Charta und Art. 10 EMRK (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Mai 2016, Philip Morris Brands u. a., C 547/14, EU:C:2016:325, Rn. 147).
  55. Insoweit geht aus dieser Rechtsprechung hervor, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte für die Zwecke der Abwägung zwischen dem Recht auf Achtung des Privatlebens und dem Recht auf freie Meinungsäußerung eine Reihe relevanter Kriterien entwickelt hat, die zu berücksichtigen sind, darunter der Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse, der Bekanntheitsgrad der betroffenen Person, der Gegenstand der Berichterstattung, das vorangegangene Verhalten der betroffenen Person, Inhalt, Form und Auswirkungen der Veröffentlichung, die Art und Weise sowie die Umstände, unter denen die Informationen erlangt worden sind, und deren Richtigkeit (vgl. in diesem Sinne EGMR, 27. Juni 2017, Satakunnan Markkinapörssi Oy und Satamedia Oy/Finnland, CE:ECHR:2017:0627JUD000093113, § 165). Ebenso muss die Möglichkeit berücksichtigt werden, dass der für die Verarbeitung Verantwortliche Maßnahmen ergreift, die es ermöglichen, das Ausmaß des Eingriffs in das Recht auf Privatsphäre zu verringern.
  56. Im vorliegenden Fall geht aus der dem Gerichtshof vorgelegten Akte hervor, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Aufzeichnung und die Veröffentlichung des in Rede stehenden Videos, die erfolgt sind, ohne dass die betroffenen Personen über diese Aufzeichnung und deren Zwecke informiert wurden, einen Eingriff in das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens dieser Personen, d. h. der in diesem Video zu sehenden Polizeibeamten, darstellt.
  57. Sollte es sich erweisen, dass die Aufzeichnung und die Veröffentlichung des in Rede stehenden Videos ausschließlich zum Ziel hatten, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten, so ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob die in Art. 9 der Richtlinie 95/46 vorgesehenen Befreiungen und Ausnahmen sich als notwendig erweisen, um das Recht auf Privatsphäre mit den für die Freiheit der Meinungsäußerung geltenden Vorschriften in Einklang zu bringen, und ob sich diese Befreiungen und Ausnahmen auf das absolut Notwendige beschränken.
  58. Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 9 der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen ist, dass ein Sachverhalt wie der des Ausgangsverfahrens, d. h. die Aufzeichnung von Polizeibeamten in einer Polizeidienststelle auf Video während der Aufnahme einer Aussage und die Veröffentlichung des so aufgezeichneten Videos auf einer Video-Website, auf der die Nutzer Videos versenden, anschauen und teilen können, eine Verarbeitung personenbezogener Daten allein zu journalistischen Zwecken im Sinne dieser Bestimmung darstellen kann, sofern aus diesem Video hervorgeht, dass diese Aufzeichnung und diese Veröffentlichung ausschließlich zum Ziel hatten, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
  59. Es muss nämlich die Entwicklung und die Vervielfältigung der Mittel zur Kommunikation und zur Verbreitung von Informationen berücksichtigt werden. Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, ist der Träger, mit dem die verarbeiteten Daten übermittelt werden – ob es sich um einen klassischen Träger wie Papier oder Radiowellen oder aber um einen elektronischen Träger wie das Internet handelt –, nicht ausschlaggebend für die Beurteilung, ob es sich um eine Tätigkeit „allein zu journalistischen Zwecken“ handelt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2008, Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia, C 73/07, EU:C:2008:727, Rn. 60).
  60. Allerdings kann, wie die Generalanwältin in Nr. 55 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, nicht davon ausgegangen werden, dass jegliche im Internet veröffentlichte Information, die sich auf personenbezogene Daten bezieht, unter den Begriff der „journalistischen Tätigkeiten“ fiele und daher für sie die in Art. 9 der Richtlinie 95/46 vorgesehenen Abweichungen und Ausnahmen gälten.
  61. Im vorliegenden Fall ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob aus dem in Rede stehenden Video hervorgeht, dass die Aufzeichnung und die Veröffentlichung dieses Videos ausschließlich zum Ziel hatten, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2008, Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia, C 73/07, EU:C:2008:727, Rn. 62).
  62. Dabei kann das vorlegende Gericht u. a. berücksichtigen, dass das in Rede stehende Video nach den Angaben von Herrn B. auf einer Website veröffentlicht wurde, um die Aufmerksamkeit der Gesellschaft auf die angeblich vorschriftswidrigen Praktiken der Polizei zu lenken, die während der Aufnahme seiner Aussage angewandt worden seien.
  63. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Feststellung derartiger vorschriftswidriger Praktiken keine Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Art. 9 der Richtlinie 95/46 ist.
  64. Hingegen könnte dann, wenn sich erweisen sollte, dass die Aufzeichnung und die Veröffentlichung dieses Videos nicht ausschließlich zum Ziel hatten, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten, nicht davon ausgegangen werden, dass die Verarbeitung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden personenbezogenen Daten „allein zu journalistischen Zwecken“ erfolgte.
  65. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die in Art. 9 der Richtlinie 95/46 vorgesehenen Befreiungen und Ausnahmen nur in dem Umfang angewandt werden dürfen, in dem sie sich als notwendig erweisen, um zwei Grundrechte, nämlich das Recht auf Schutz der Privatsphäre und das Recht auf freie Meinungsäußerung, miteinander in Einklang zu bringen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2008, Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia, C 73/07, EU:C:2008:727, Rn. 55).
  66. Um ein Gleichgewicht zwischen diesen beiden Grundrechten herzustellen, erfordert der Schutz der Privatsphäre demnach, dass sich die Ausnahmen und Einschränkungen in Bezug auf den Datenschutz, die in den Kapiteln II, IV und VI der Richtlinie 95/46 vorgesehen sind, auf das absolut Notwendige beschränken (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2008, Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia, C 73/07, EU:C:2008:727, Rn. 56).
  67. Es ist darauf hinzuweisen, dass Art. 7 der Charta, der das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens betrifft, Rechte enthält, die den in Art. 8 Abs. 1 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) gewährleisteten Rechten entsprechen, und dass diesem Art. 7 gemäß Art. 52 Abs. 3 der Charta somit die gleiche Bedeutung und Tragweite beizumessen ist wie Art. 8 Abs. 1 EMRK in seiner Auslegung durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Urteil vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses, C 419/14, EU:C:2015:832, Rn. 70). Gleiches gilt für Art. 11 der Charta und Art. 10 EMRK (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Mai 2016, Philip Morris Brands u. a., C 547/14, EU:C:2016:325, Rn. 147).
  68. Insoweit geht aus dieser Rechtsprechung hervor, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte für die Zwecke der Abwägung zwischen dem Recht auf Achtung des Privatlebens und dem Recht auf freie Meinungsäußerung eine Reihe relevanter Kriterien entwickelt hat, die zu berücksichtigen sind, darunter der Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse, der Bekanntheitsgrad der betroffenen Person, der Gegenstand der Berichterstattung, das vorangegangene Verhalten der betroffenen Person, Inhalt, Form und Auswirkungen der Veröffentlichung, die Art und Weise sowie die Umstände, unter denen die Informationen erlangt worden sind, und deren Richtigkeit (vgl. in diesem Sinne EGMR, 27. Juni 2017, Satakunnan Markkinapörssi Oy und Satamedia Oy/Finnland, CE:ECHR:2017:0627JUD000093113, § 165). Ebenso muss die Möglichkeit berücksichtigt werden, dass der für die Verarbeitung Verantwortliche Maßnahmen ergreift, die es ermöglichen, das Ausmaß des Eingriffs in das Recht auf Privatsphäre zu verringern.
  69. Im vorliegenden Fall geht aus der dem Gerichtshof vorgelegten Akte hervor, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Aufzeichnung und die Veröffentlichung des in Rede stehenden Videos, die erfolgt sind, ohne dass die betroffenen Personen über diese Aufzeichnung und deren Zwecke informiert wurden, einen Eingriff in das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens dieser Personen, d. h. der in diesem Video zu sehenden Polizeibeamten, darstellt.
  70. Sollte es sich erweisen, dass die Aufzeichnung und die Veröffentlichung des in Rede stehenden Videos ausschließlich zum Ziel hatten, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten, so ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob die in Art. 9 der Richtlinie 95/46 vorgesehenen Befreiungen und Ausnahmen sich als notwendig erweisen, um das Recht auf Privatsphäre mit den für die Freiheit der Meinungsäußerung geltenden Vorschriften in Einklang zu bringen, und ob sich diese Befreiungen und Ausnahmen auf das absolut Notwendige beschränken.

 

Informantenschutz gegenüber Verstorbenen

(Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24. Oktober 2018 – 20 F 15.16)

  1. Das Wohl des Bundes im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO kann auch nach dem (mutmaßlichen) Tod eines Informanten die Geheimhaltung seiner persönlichen Daten erforderlich machen. Denn das für die Gewinnung von Informanten notwendige Vertrauen in die Verlässlichkeit von Vertraulichkeitszusagen ist zu gewährleisten.
  2. Liegt der (mutmaßliche) Tod eines Informanten länger als etwa 30 Jahre zurück, bedarf die Notwendigkeit einer weiteren Geheimhaltung bei weit zurückliegenden, abgeschlossenen Vorgängen zusätzlicher Erläuterungen.

Beschluss

In der Verwaltungsstreitsache hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO am 24. Oktober 2018 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt beschlossen:

Die Sperrerklärung des Beigeladenen vom 31. Januar 2017 ist rechtswidrig, soweit sie sich auf Schwärzungen auf den Seiten 45, 46, 51 Nr. 1 und 4, 53 Nr. 1 und 4, 95, 97, 119, 135, 174 und 186 des Vorganges mit der Signatur „BND-Archiv 24856_OT“ sowie die Schwärzungen in dem Datenbankauszug zu der Verwaltungsnummer 16 214 in den Zeilen 2 bis 9 unter der Überschrift „Grunddaten Person“ bezieht.

Im Übrigen wird der Antrag der Klägerin abgelehnt.

Mitbestimmung bei der Anweisung zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

(Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 15. Oktober 2018 – 5 P 9.17)

Das Mitbestimmungsrecht des § 52 Abs. 1 Satz 1 PersVG HB ist umfassend und wird durch die beispielhaften Aufzählungen von mitbestimmungspflichtigen Maßnahmen in § 63 Abs. 1, § 65 Abs. 1 sowie § 66 Abs. 1 PersVG HB nicht eingeschränkt (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung).

Sachverhalt:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Verpflichtung einzelner Beschäftigter zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem ersten Krankheitstag der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt. Antragsteller ist der Personalrat beim Senator für Umwelt, Bau und Verkehr der Hansestadt Bremen, dem Beteiligten. Mit Schreiben vom 20. Juli 2012 wies die Personalstelle des Beteiligten die Arbeitnehmerin Frau S. an, wegen ihrer häufigen Kurzzeiterkrankungen in den vergangenen 12 Monaten ab sofort eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem ersten Krankheitstag vorzulegen. Zuvor hatte die Personalstelle den Antragsteller von der beabsichtigten Anordnung in Kenntnis gesetzt und mitgeteilt, dass die Angelegenheit aus ihrer Sicht nicht der Mitbestimmung des Personalrats unterliege, weil es sich nicht um eine personalvertretungsrechtliche Maßnahme im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 PersVG HB handele. Der Antragsteller vertrat die Auffassung, dass die Anordnung eine der Mitbestimmung unterliegende Maßnahme darstelle.

Aus den Gründen:

Das Oberverwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Anordnung des Beteiligten gegenüber einzelnen Arbeitnehmern, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem ersten Krankheitstag vorzulegen, als Maßnahme (1.), die weder unter eine gesetzliche oder tarifliche Regelung noch unter einen der Katalogtatbestände in den §§ 63, 65 oder 66 PersVG HB fällt (2.), gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 PersVG HB der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt (3.).

  1. Die gegenüber einzelnen Beschäftigten ergehende Anordnung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz) vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014, 1065), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Juli 2015 (BGBl. I S. 1211) – EntgFG – die ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit bereits ab dem ersten Krankheitstag vorzulegen, ist, wie das Oberverwaltungsgericht zu Recht annimmt, eine Maßnahme im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 PersVG HB. Danach setzt die Mitbestimmung voraus, dass eine der Mitbestimmung des Personalrats unterliegende Maßnahme beabsichtigt ist. Unter einer Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen Sinn ist jede auf die Veränderung des bestehenden Zustandes abzielende Handlung oder Entscheidung der Dienststellenleitung zu verstehen, die den Rechtsstand der Beschäftigten berührt und durch deren Durchführung das Beschäftigungsverhältnis oder die Arbeitsbedingungen eine Änderung erfahren (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2017 – 5 P 2.16 – Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 127 Rn. 10 m.w.N.). So liegt es hier. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EntgFG ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage dauert, hat er gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 EntgFG eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Abweichend davon ist der Arbeitgeber gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 EntgFG berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Macht der Arbeitgeber von diesem einseitigen, in seinem nicht gebundenen Ermessen liegenden Bestimmungsrecht Gebrauch, trifft er gegenüber den betroffenen Beschäftigten eine von der gesetzlichen Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 1 EntgFG abweichende Sonderregelung und verändert damit deren arbeitsvertragliche Nebenpflichten.
  2. Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass die Anordnung gegenüber einzelnen Beschäftigten, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits ab dem ersten Krankheitstag vorzulegen, weder unter eine gesetzliche oder tarifliche Regelung noch unter einen der Katalogtatbestände in den §§ 63, 65 oder 66 PersVG HB fällt.
  3. Die Anordnung gegenüber einzelnen Beschäftigten, eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem ersten Krankheitstag vorzulegen, ist gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 PersVG HB mitbestimmungspflichtig. Danach hat der Personalrat die Aufgabe, für alle in der Dienststelle weisungsgebunden tätigen Personen in allen sozialen, personellen und organisatorischen Angelegenheiten gleichberechtigt gemäß den Bestimmungen der §§ 58 bis 62 PersVG HB mitzubestimmen. Wie das Oberverwaltungsgericht zu Recht annimmt, ist der Personalrat dementsprechend berechtigt, an allen innerdienstlichen Maßnahmen des Dienststellenleiters mitzuwirken. Dieses Mitbestimmungsrecht beansprucht uneingeschränkte Geltung. Das ergibt die an Wortlaut (a), Gesetzessystematik (b), Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung (c) sowie der Gesetzgebungsgeschichte (d) ausgerichtete Auslegung der Norm.

a) Bereits der Wortlaut des § 52 Abs. 1 Satz 1 PersVG HB, wonach der Personalrat zur Mitbestimmung „in allen sozialen, personellen und organisatorischen Angelegenheiten“ aufgerufen ist, weist deutlich in die Richtung eines umfassenden und uneingeschränkten Mitbestimmungsrechts. Denn nach dem Alltags- und Fachsprachgebrauch spricht ganz Überwiegendes dafür, ihn dahin zu verstehen, dass der Personalrat in ausnahmslos jeder der genannten Angelegenheiten mitzubestimmen hat. Dies ist allerdings nicht zwingend.

b) Der systematische Zusammenhang zwischen § 52 Abs. 1 Satz 1 PersVG HB einerseits und § 63 Abs. 1 und 2, § 65 Abs. 1 und 3 sowie § 66 Abs. 1 und 3 PersVG HB andererseits verbietet die Annahme einer Einschränkung des Mitbestimmungsrechts nach der zuerst genannten Bestimmung. Nach § 63 Abs. 1, § 65 Abs. 1 und § 66 Abs. 1 PersVG HB erstreckt sich das Recht der Mitbestimmung des Personalrats, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht oder die Zuständigkeit des Gesamtpersonalrats nicht gegeben ist, insbesondere auf die nachfolgend aufgeführten Maßnahmen. Die Bestimmungen enthalten einen beispielhaften und nicht abschließenden Katalog von Mitbestimmungstatbeständen, wie sich bereits aus dem der Aufzählung jeweils vorangestellten Wort „insbesondere“ und ihren jeweiligen Überschriften ergibt („Beispiele für Mitbestimmung …“). Darin erschöpft sich die Bedeutung der Katalogtatbestände. Insbesondere ist ihnen nicht auch der Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, dass andere Maßnahmen des Dienststellenleiters der Mitbestimmung des Personalrats nur dann unterliegen sollen, wenn sie in ihren Auswirkungen auf die Dienststelle und die Beschäftigten den beispielhaft geregelten Maßnahmen in etwa gleichkommen, sie einem der Beispielsfälle nach Art und Bedeutung vergleichbar sind.

c) Sinn und Zweck des § 52 Abs. 1 Satz 1 PersVG HB stützen das bisherige Auslegungsergebnis. Die Bestimmung ist Ausdruck einer „radikal personalvertretungsfreundlichen Konzeption“ (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Oktober 1964 – 7 P 2.64 – BVerwGE 19, 359 <360>; Großmann/Mönch/Rohr, Bremisches Personalvertretungsgesetz, 1979, § 52 Rn. 1 und § 63 Rn. 7) und verfolgt insbesondere den Zweck, mitbestimmungsfreie Räume in innerdienstlichen Angelegenheiten weitgehend zu vermeiden.

d) Die Gesetzgebungsgeschichte unterstützt ebenfalls die Auslegung, dass § 52 Abs. 1 Satz 1 PersVG HB dem Personalrat ein umfassendes Mitbestimmungsrecht bei allen innerdienstlichen Maßnahmen des Dienstherrn einräumt, das die Beispielskataloge in den § 63 Abs. 1, § 65 Abs. 1 und § 66 Abs. 1 PersVG HB nicht einschränken.

Dienstliches Gespräch als äußere Einwirkung im Sinne des Dienstunfallrechts

(Ls)
(Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11. Oktober 2018 – 2 B 3.18)

Auch nicht-körperliche Einwirkungen können äußere Einwirkungen im Sinne des Dienstunfallrechts (z.B. § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG) sein; dies gilt auch für dienstliche Gespräche (hier: über ein außerdienstliches Verhalten des Beamten mit der Ankündigung einer disziplinarrechtlichen Prüfung). Bei Letzteren ist allerdings Voraussetzung, dass während des Dienstgesprächs durch dessen Verlauf, durch die Art der Äußerungen (z.B. aggressives Anbrüllen) oder durch deren Inhalt (z.B. Beleidigungen, Beschimpfungen) der Rahmen der Sozialadäquanz überschritten wird. Ein im Rahmen des „Normalen“ bleibendes Gespräch mit dienstrechtlichem Anlass genügt nicht (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 9. April 1970 – 2 C 49.68 – BVerwGE 35, 133 <134 f.>).

Auskunftsanspruch hinsichtlich einer aus öffentlichen Mitteln finanzierten Verwandtenbeschäftigung

(Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27. September 2018 – 7 C 5.17)

  1. Ist die Entscheidung zur Zulässigkeit der Übermittlung von personenbezogenen Daten in den privaten Bereich dem Grunde nach durch den Gesetzgeber getroffen worden, steht einer Übertragung der in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DS-GVO formulierten materiellen Anforderungen zur gebotenen inhaltlichen Ausformung der Datenverarbeitung nichts entgegen.
  2. Bei einem presserechtlichen Auskunftsanspruch ist – in gleicher Weise wie bei Unterlassungsansprüchen gegen Presseveröffentlichungen – bei der Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit personenbezogener Daten danach zu unterscheiden, ob die Intim-, die Privat- oder die Sozialsphäre betroffen ist.
  3. Im Fall einer aus öffentlichen Mitteln finanzierten Verwandtenbeschäftigung im häuslichen Bereich eines Abgeordneten überwiegt das Informationsinteresse der Presse, die Höhe der gezahlten Bruttovergütung zu erfahren, die schutzwürdigen Belange des Abgeordneten und der von ihm beschäftigten Verwandten.

Sachverhalt:

Der Kläger, Journalist bei einer Tageszeitung, macht einen presserechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber dem Landtagsamt des Beklagten geltend.
Mit Bescheid vom 12. September 2013 lehnte die Präsidentin des Bayerischen Landtags den Antrag des Klägers ab, ihm Auskunft über das von dem Beigeladenen zu 1 als Landtagsabgeordneten an die Beigeladene zu 2, seine Ehefrau, für ihre Tätigkeit als Sekretärin im häuslichen Abgeordnetenbüro gezahlte Bruttogehalt in der Zeit zwischen 1995 und 2013 zu erteilen. Diese Kosten wurden vom Landtag nach Maßgabe des Bayerischen Abgeordnetengesetzes erstattet.

Auf die hiergegen erhobene Klage verurteilte das Verwaltungsgericht den Beklagten, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche jährliche Bruttovergütung der Beigeladene zu 1 für die Beschäftigung der Beigeladenen zu 2 als Sekretärin im häuslichen Abgeordnetenbüro des Beigeladenen zu 1 zwischen 2000 und dem 30. September 2013 geltend gemacht hat.

Auf die Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen.

Aus den Gründen:

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat den geltend gemachten presserechtlichen Auskunftsanspruch unter Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verneint (1.). Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs kann der Senat in der Sache selbst entscheiden und die Berufung gegen das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts zurückweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO; 2.).

  1. Die Auslegung und Anwendung des landesrechtlichen Presseauskunftsanspruchs durch den Verwaltungsgerichtshof ist einer revisionsgerichtlichen Prüfung zugänglich (a). Die Ablehnung des Anspruchs ist nicht mit Bundesrecht vereinbar (b).

a) Der Verwaltungsgerichtshof hat über den geltend gemachten Anspruch nach Art. 4 Bayerisches Pressegesetz (BayPrG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. April 2000 (GVBl 2000, 340) in Anwendung revisiblen Rechts entschieden.
Ein Instanzgericht wendet revisibles Recht auch insoweit an, als es sich bei der Auslegung und Anwendung irrevisiblen Rechts durch revisibles Recht gebunden sieht (stRspr; vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 16. Januar 2003 – 4 CN 8.01 – BVerwGE 117, 313 <317> und vom 1. Oktober 2014 – 6 C 35.13 – Buchholz 11 Art. 5 Abs. 1 GG Nr. 3 Rn. 20).

Der Kläger stützt seinen presserechtlichen Auskunftsanspruch auf Art. 4 Abs. 1 BayPrG, wonach die Presse gegenüber Behörden ein Auskunftsrecht hat, das sie unter anderem durch ihre Redakteure ausüben kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Annahme einer dem Anspruch entgegenstehenden, aufgrund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften bestehenden Verschwiegenheitspflicht (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG) dahingehend begründet, dass die verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechte der Beigeladenen (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) das durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Auskunftsinteresse des Klägers überwögen. Insoweit beruht die Anwendung der irrevisiblen Vorschrift des Art. 4 BayPrG auf einer bestimmten Gewichtung und Abwägung nach Maßgabe revisiblen Rechts.

b) Die Auslegung und Anwendung von Art. 4 BayPrG durch den Verwaltungsgerichtshof ist nicht mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar.

aa) Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG darf der Presseauskunftsanspruch nur verweigert werden, soweit aufgrund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht. Bundesrechtlich nicht zu beanstanden ist der Ansatz des Verwaltungsgerichtshofs, wonach sich Verschwiegenheitspflichten im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayPrG aus Grundrechten Dritter, hier dem Recht der Beigeladenen, auf informationelle Selbstbestimmung ergeben können und in diesem Fall eine Abwägung des verfassungsrechtlich geschützten Interesses der Presse mit dem Interesse der Beigeladenen vorzunehmen ist (UA S. 5). Dies entspricht dem für den in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbürgten verfassungsunmittelbaren presserechtlichen Auskunftsanspruch geltenden Maßstab, wonach ein solcher Anspruch besteht, soweit ihm berechtigte schutzwürdige Interessen privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit der Information nicht entgegenstehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2016 – 6 C 65.14 – BVerwGE 154, 222 Rn. 16 m.w.N.).
Dabei sind die widerstreitenden Grundrechtspositionen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen; im Wege praktischer Konkordanz ist jeweils abzuwägen, ob dem Informationsinteresse der Presse aufgrund der Pressefreiheit oder einem schützenswerten Interesse betroffener Dritter der Vorzug zu geben ist. (BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. August 2000 – 1 BvR 1307/91 – NJW 2001, 503 <505>).

bb) Gleichfalls nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass eine Abwägung nur dann eröffnet ist, wenn der mit der Weitergabe personenbezogener Daten verbundene Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sich auf eine bereichsspezifische Ermächtigungsgrundlage stützen kann, die insbesondere den Anforderungen an die Normenklarheit genügt (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 – 1 BvR 209/83 u.a. – BVerfGE 65, 1<44>; BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2012 – 6 C 9.11 – BVerwGE 141, 329 Rn. 27).

Der Verwaltungsgerichtshof nimmt insoweit nur die Offenbarungspflichten nach dem Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Bayerischen Landtags (Bayerisches Abgeordnetengesetz – BayAbgG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. März 1996 (GVBl S. 82), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. April 2017, in den Blick. Die dem zugrunde liegende Rechtsauffassung, dass damit die Offenlegung mandatsbezogener Informationen grundsätzlich abschließend geregelt werde, und der daraus folgende absolute Schutz der von diesen Vorschriften nicht erfassten Informationen verfehlt die Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.

(1) Nach Art. 4a Abs. 3 BayAbgG in Verbindung mit den vom Landtag erlassenen Verhaltensregeln ist der Abgeordnete zur Anzeige und Veröffentlichung bestimmter persönlicher Verhältnisse, etwa Art und Höhe bestimmter Einkünfte, verpflichtet.
Der Verwaltungsgerichtshof weist zwar zutreffend darauf hin, dass die Regelungen über die Erstattung der Kosten für Arbeits-, Dienst- und Werkverträge zur Unterstützung der parlamentarischen Tätigkeit des Abgeordneten eine Offenlegung der Sachverhalte nicht vorsehen und durch die Festlegungen im Haushaltsgesetz lediglich die Erstattungshöchstbeträge öffentlich bekannt sind. Ob dies im Gegenschluss die Annahme rechtfertigt, insoweit scheide eine weitere mandatsbezogene Transparenz aus, erscheint zweifelhaft. Denn Art. 4a Abs. 3 BayAbgG zielt auf die Offenlegung von Umständen, die auf mögliche Interessenverflechtungen und wirtschaftliche Abhängigkeiten und damit auf eine Gefährdung der Unabhängigkeit des Abgeordneten durch Loyalitätskonflikte sowie eine Beeinträchtigung der Repräsentations- und Funktionsfähigkeit des Landtags schließen lassen (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. Juli 2007 – 2 BvE 1-4/06 – BVerfGE 118, 277 <352 ff.>), während es vorliegend um die sachangemessene Verwendung öffentlicher Gelder geht. An die Auslegung des Landesrechts durch den Verwaltungsgerichtshof ist der Senat indessen nicht gebunden; ihr steht Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG entgegen.

Der verfassungsrechtlich gewährleistete Vermittlungs- und Kontrollauftrag der Presse gebietet, dass – von einzelnen behördlichen Funktionsbereichen besonderen Charakters abgesehen – die dem Auskunftsanspruch entgegenstehenden Ausschlussgründe einen punktuellen Zuschnitt aufweisen, mit dem konkret umrissenen gegenläufigen Schutzgütern Rechnung getragen wird, und zwar beschränkt auf das Maß, in dem bei materieller Betrachtung tatsächlich ein Schutzbedarf erkennbar ist.
Ungeachtet seiner rechtlichen Verortung darf ein genereller, abwägungsfester Vorrang eines privaten oder öffentlichen Vertraulichkeitsinteresses vor dem Informationsinteresse der Presse nur dann normiert werden, wenn dies demjenigen Abwägungsergebnis entspricht, das in aller Regel in Einzelfällen tatsächlich erzielt würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 – 6 C 12.14 – BVerwGE 151, 348 Rn. 30).
Angesichts des Doppelstatus des Abgeordneten als Mandatsträger und Privatperson darf das Abgeordnetengesetz zwar sowohl der Freiheit des Mandats als auch den persönlichen Belangen des Abgeordneten als Schutzgütern Rechnung tragen. Dass insbesondere bei den individuellen Interessen des Abgeordneten ein Schutzbedarf anzunehmen ist, der sich generalisierend gegenüber dem Informationsinteresse der Presse sollte durchsetzen können, ist aber weder dargetan noch sonst ersichtlich.

(2) Ausgehend von seiner Rechtsauffassung verschließt sich der Verwaltungsgerichtshof der Heranziehung weiterer Rechtsvorschriften, die den Anforderungen für einen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht genügen und deswegen Grundlage einer umfassenden Abwägung sein können.
Eine solche Vorschrift findet sich zwar weder allein im presserechtlichen Normbestand, wovon der Verwaltungsgerichtshof zu Recht ausgeht, noch in Gestalt einer eigenständigen Rechtsgrundlage in den datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Die presserechtliche Anspruchsgrundlage ist jedoch insoweit um datenschutzrechtliche Vorgaben zu ergänzen.

(2.1) Art. 4 Abs. 2 BayPrG ist insoweit unzureichend. Denn im Unterschied zu anderen in den Landespressegesetzen geregelten Auskunftsansprüchen werden die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Dritten nicht einmal erwähnt; ein Bezug auf diese Schutzgüter wird allein über die dort benannten Verschwiegenheitspflichten hergestellt, ohne dies zu konkretisieren (vgl. Hornung, AfP 2017, 390 <393>; Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch, Datenschutz in Bayern, Stand September 2003, Art. 19 BayDSG Rn. 11a).

(2.2) Diese Lücke wird nicht (mehr) durch eine datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage ausgefüllt.

Maßgeblich ist die Rechtslage nach Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Warenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung – DS-GVO; ABl. L 119 S. 1) und der hierauf bezogenen Anpassung des nationalen Rechts durch die Neufassung des Bayerischen Datenschutzgesetzes (BayDSG) vom 15. Mai 2018 (GVBl S. 230). Diese Rechtsänderung ist im Revisionsverfahren zu beachten, denn das Berufungsgericht, entscheide es anstelle des Revisionsgerichts, hätte sie seinerseits zu berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2016 – 7 C 7.14 – Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 65 Rn. 14 m.w.N.). Für den im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend gemachten Auskunftsanspruch ist mangels abweichender Regelungen die Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich.

Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG ist eine Übermittlung personenbezogener Daten zulässig, wenn der Empfänger eine nicht öffentliche Stelle ist, diese Stelle ein berechtigtes Interesse an ihrer Kenntnis glaubhaft darlegt und die betroffene Person kein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat; dies gilt auch, soweit die Daten zu anderen Zwecken als denjenigen, zu denen sie erhoben wurden, übermittelt werden. Diese Vorschrift, die nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayDSG insbesondere das behördliche Handeln regelt und nach Art. 2 BayDSG auch außerhalb des Anwendungsbereiches der Datenschutz-Grundverordnung – d.h. auch bei nicht automatisierter Verarbeitung der Daten und außerhalb einer Tätigkeit im Anwendungsbereich des Unionsrechts – an deren Vorgaben zu messen ist (siehe Bayerischer Landtag, Drs. 17/19628 S. 32), ist allerdings keine taugliche Rechtsgrundlage. Mit ihrem 1. Halbsatz tritt die Vorschrift zwar an die Stelle des im Wesentlichen gleichlautenden Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 BayDSG a.F., der ebenso wie die vergleichbare Bestimmung des § 16 Abs. 1 Nr. 2 BDSG a.F. als Grundlage für Auskünfte an die Presse angesehen worden ist (vgl. Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch, a.a.O., Art. 19 BayDSG Rn. 11a, 14 f.; Gola/Klug/Körffer, in: Gola/Schomerus, BDSG, 12. Aufl. 2015, § 16 Rn. 10; siehe auch Dammann, in: Simitis, BDSG, 8. Aufl. 2014, § 16 Rn. 13, 15). Vor dem Hintergrund der Änderungen im Unionsrecht kann die bisherige Rechtslage jedoch nicht fortgeschrieben werden (so aber etwa auch die Begründung des Gesetzentwurfs zur Parallelvorschrift in § 25 Abs. 2 Nr. 2 BDSG, BT-Drs. 18/11352 S. 96).

Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG ist mit der Datenschutz-Grundverordnung nicht vereinbar. Die Datenschutz-Grundverordnung gilt gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbar. Sie ist grundsätzlich weder auf eine Umsetzung angewiesen, noch ist dies überhaupt zulässig; selbst eine Normwiederholung im nationalen Recht ist dem Grunde nach ausgeschlossen. Nur im Rahmen ausdrücklicher Ermächtigungen können ihre Regelungen vom nationalen Gesetzgeber spezifiziert, präzisiert und konkretisiert werden (siehe Selmayr/Ehmann, in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Aufl. 2018, Einführung Rn. 80 ff. sowie die Erläuterungen in BT-Drs. 18/11325 S. 73 f.).

Nach dem Hinweis in der amtlichen Überschrift findet Art. 5 BayDSG seine Rechtfertigung in Art. 6 Abs. 2 bis 4 DS-GVO, soweit dem nationalen Gesetzgeber darin Regelungsspielräume eingeräumt werden. Jedenfalls auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG trifft dies nicht zu.

Auf die Öffnungsklausel in Art. 6 Abs. 2 und 3 DS-GVO kann diese Norm schon deswegen nicht gestützt werden, weil danach nur eine Konkretisierung der Regelungen von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c und e DS-GVO erlaubt ist, während die landesrechtliche Bestimmung an Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DS-GVO anknüpft. Als Norm, die die Reichweite dieses Erlaubnistatbestands klarstellend verdeutlicht und deswegen nach Maßgabe von Erwägungsgrund 8 zur DS-GVO, d.h. wegen der Kohärenz und Verständlichkeit der Regelung, mit dem grundsätzlichen Normwiederholungsverbot ausnahmsweise vereinbar ist (so Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch, a.a.O., Art. 5 BayDSG Rn. 15 f.), kann die Vorschrift ebenso wenig Bestand haben. Denn im Unterschied zur Vorgängervorschrift des Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr – Datenschutz-Richtlinie – (ABl. L 281 S. 31) gilt Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DS-GVO nach Unterabs. 2 nicht für die von Behörden in Erfüllung ihrer Aufgaben vorgenommene Verarbeitung. Eine Unterscheidung nach „eigennützigen“ und „fremdnützigen“ Aufgaben ist nicht möglich. Erfasst sind vielmehr die durch Gesetz übertragenen Aufgaben im Rahmen der Eingriffs- und Leistungsverwaltung. Damit fällt jegliche Datenverarbeitung in Erfüllung hoheitlicher Funktionen, wozu auch die Beantwortung von Presseanfragen zählt, unter den Ausschlusstatbestand und ist den Erlaubnistatbeständen nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c und e DS-GVO zuzuordnen. Denn die hoheitliche behördliche Tätigkeit ist ausweislich von Erwägungsgrund 47 Satz 5 immer auf eine gesonderte Ermächtigungsgrundlage angewiesen. Dieses Erfordernis kann nicht durch einen umfassenden Auffangtatbestand überspielt werden.

Demgegenüber ist der Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DS-GVO einschlägig, wenn die Behörde als Teilnehmer im Privatrechtsverkehr auftritt (Albers/Veit, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, Stand 1. Mai 2018, Art. 6 DS-GVO Rn. 46; Heberlein, in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Aufl. 2018, Art. 6 DS-GVO Rn. 51 f.; Schulz, in: Gola, Datenschutz-Grundverordnung, Art. 6 DS-GVO Rn. 56; Frenzel, in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 2. Aufl. 2018, Art. 6 Rn. 26).

Auch Art. 6 Abs. 4 DS-GVO ermöglicht dem nationalen Gesetzgeber nicht, den Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DS-GVO hinsichtlich seines persönlichen Geltungsbereichs zu erweitern. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass der Landesgesetzgeber von einem solchen Verständnis des Art. 6 Abs. 4 DS-GVO ausgegangen ist. Die Begründung des Gesetzentwurfs verweist insofern auf eine Ergänzung der spezifischen Zweckänderungserlaubnisse in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 BayDSG (Bayerischer Landtag, Drs. 17/19628 S. 34), die sich an Art. 6 Abs. 4 DS-GVO messen lassen müssen. Auch bei der bundesrechtlichen Parallelvorschrift des § 25 Abs. 2 Nr. 2 BDSG fehlt in der Begründung des Gesetzentwurfs – im Unterschied zu §§ 23 und 24 BDSG – ein entsprechender Hinweis (BT-Drs. 18/11325 S. 95 f.; anders die ausdrückliche Bezugnahme auf Art. 6 Abs. 4 DS-GVO in der Begründung des Gesetzentwurfs zur gleichlautenden Vorschrift des § 22 Abs. 2 Nr. 2 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes vom 3. Mai 2018 <GVBl. S. 82>, LT-Drs. 19/5726 S. 127 f.). Jedenfalls ist Art. 6 Abs. 4 DS-GVO keine neben Art. 6 Abs. 2 und 3 DS-GVO stehende übergreifende Öffnungsklausel; er bezieht sich vielmehr allein auf die Zweckänderungsbefugnis im Rahmen der nach Art. 6 Abs. 1 DS-GVO nach Maßgabe von Art. 6 Abs. 2 und 3 DS-GVO zulässigen Datenverarbeitung (vgl. Albers/Veit, a.a.O., Art. 6 DS-GVO Rn. 71 f., 77; Heberlein, a.a.O., Art. 6 DS-GVO Rn. 48; Reimer, in: Sydow, Europäische Datenschutzgrundverordnung, 2. Aufl. 2018, Art. 6 DS-GVO Rn. 67; Buchner/Petri, in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 2. Aufl. 2018, Art. 6 DS-GVO Rn. 182 f., 199 f.; siehe aber auch Schulz, a.a.O., Art. 6 DS-GVO Rn. 216, 239 ff.).

(2.3) Scheiden hiernach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayDSG und in gleicher Weise die vorrangige Bestimmung des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DS-GVO als eigenständige Rechtsgrundlage für die Übermittlung personenbezogener Daten im Rahmen eines presserechtlichen Auskunftsanspruchs aus, kann letztere gleichwohl zur inhaltlichen Ausfüllung und Konkretisierung dieses Anspruchs herangezogen werden, der dann den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts für einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung genügt. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DS-GVO ist, wie dargelegt, auf behördliche Tätigkeiten nicht anwendbar, weil die Übermittlung von personenbezogenen Daten in den privaten und folglich weniger kontrollierten Bereich einer ausdrücklichen gesetzlichen Entscheidung bedarf. Ist diese Entscheidung allerdings dem Grunde nach durch den Gesetzgeber getroffen worden, steht einer Übertragung der dort formulierten materiellen Anforderungen zur gebotenen inhaltlichen Ausformung der Datenverarbeitung, die grundlegenden datenschutzrechtlichen Anforderungen genügt, nichts entgegen.

  1. Die auf dieser Grundlage eröffnete umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen fällt zugunsten des Auskunftsanspruchs des Klägers aus, so dass das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).

a) Der Kläger hat unter Berufung auf seine Tätigkeit als Journalist und die Berichterstattung über die sogenannte Verwandtenaffäre im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Familienangehörigen durch Landtagsabgeordnete ein berechtigtes Interesse an der Informationsübermittlung dargelegt. Mit Blick auf die Garantie der institutionellen Eigenständigkeit der Presse (BVerfG, Urteil vom 5. August 1966 – 1 BvR 586/62 u.a. – BVerfGE 20, 162 <175 f.>; BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1984 – 7 C 139.81 – BVerwGE 70, 310 <311>) und das Verbot einer publizistischen Relevanzprüfung (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2016 – 6 C 65.14 – BVerwGE 154, 222 Rn. 18) ist mehr nicht zu fordern. Insbesondere ist unbeachtlich, ob der Kläger bereits jetzt Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Kostenerstattung durch den Beigeladenen zu 1 aufzeigen kann. Das ist der journalistischen Bewertung nach der begehrten Auskunftserteilung vorbehalten.

b) Demgegenüber ist das schutzwürdige Interesse der Beigeladenen am Ausschluss der Datenübermittlung geringer zu bewerten. Bei einem presserechtlichen Auskunftsanspruch ist – in gleicher Weise wie bei Unterlassungsansprüchen gegen Presseveröffentlichungen – bei der Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit personenbezogener Daten danach zu unterscheiden, ob die Intim-, die Privat- oder die Sozialsphäre betroffen ist (vgl. etwa OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Oktober 2011 – 10 S 33/11 – NVwZ-RR 2012, 107 Rn. 25; Hornung, AfP 2017, 390 <994 f.>; Gersdorf, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, Stand 1. Mai 2017, GG Art. 2 Rn. 42 ff.). In Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dient diese Unterscheidung als Orientierungspunkt für die Beurteilung der Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung und für die Gewichtung der diese Beeinträchtigung rechtfertigenden Gründe (BVerfG, Urteil vom 15. Dezember 1983 – 1 BvR 209/83 – BVerfGE 65, 1 <45>). Eingriffe in die Sozialsphäre sind unter erleichterten Voraussetzungen zulässig, so dass der Persönlichkeitsschutz weniger weit reicht als in den Fällen der Betroffenheit der Intim- und Privatsphäre (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 7. Mai 1997 – 1 BvR 1974/93, 1 BvR 1987/93 – NJW 1997, 2669 <2700> und vom 21. August 2006 – 1 BvR 2606/04 u.a. – NJW 2006, 3406 <3408>).

Die Angaben zu dem vom Beigeladenen zu 1 an die Beigeladene zu 2 für die Beschäftigung im häuslichen Abgeordnetenbüro gezahlten Bruttogehalt sind der Sozialsphäre zuzurechnen. Diese umfasst die gesamte Teilnahme am öffentlichen Leben, also die Gegebenheiten, in denen der Einzelne in Kontakt mit anderen tritt. Auch wenn öffentliche Stellen am betreffenden Arbeitsverhältnis nicht beteiligt sind und es folglich nicht dem öffentlichen Dienst zuzuordnen ist, haben die Angaben als Grundlage für eine Kostenerstattung aus Steuermitteln einen gesteigerten Öffentlichkeitsbezug. Die Schutzwürdigkeit personenbezogener Daten entfällt zwar nicht allein deswegen, weil Leistungen aus öffentlichen Kassen bezahlt und Aufwendungen daraus beglichen werden. Das Informationsinteresse überwiegt aber wegen der besonderen Umstände, die das Beschäftigungsverhältnis prägen. Die Vorgaben der Kostenerstattung an Abgeordnete für Arbeits-, Dienst- und Werkverträge in Art. 6 Abs. 7 BayAbG a.F., Art. 8 Abs. 1 BayAbgG n.F. zeichnen sich durch eine gegenüber der sonstigen Spesenverwendung aus öffentlichen Mitteln vergleichsweise freie Verfügbarkeit aus. Zu diesem Vertrauensvorschuss hinzutrat – unmittelbar oder aufgrund der sogenannten Altfallregelung – die Möglichkeit einer sogenannten Verwandtenbeschäftigung im häuslichen Bereich, die durch die Möglichkeit einer besonders vorteilhaften Ausgestaltung des Arbeitsvertrages und insbesondere der Bezahlung ein gewisses abstraktes Missbrauchspotenzial in sich trägt. Diese Missbrauchsanfälligkeit rechtfertigt ein Aufklärungsinteresse der Presse, die aufgrund der begehrten Auskünfte überprüfen kann, ob sich die Vergütung im Rahmen des Angemessenen bewegt.

Dabei ist die Höhe der im Haushalt für die Kostenerstattung bereitgestellten Mittel nach der verbindlichen Wirkung der Erläuterungen zum Haushalt ein Indiz für die Angemessenheit der Beschäftigungsvergütung. Danach waren die Mittel mit einer Vollzeitstelle nach TVL Entgeltgruppe 6 für eine Büroarbeitskraft und einer 2/3-Stelle nach TVL Entgeltgruppe 13 für einen wissenschaftlichen Mitarbeiter bemessen (vgl. Bericht des Bayerischen Obersten Rechnungshofes vom 12. August 2013, S. 17). Die Schutzwürdigkeit der Belange der Beigeladenen zu 2 ist nicht abweichend zu bewerten. Sie steht zwar nicht wie der Mandatsträger im Lichte der Öffentlichkeit. Sie ist jedoch ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen, das – wie ausgeführt – Besonderheiten aufweist und insoweit keine „reine Privatangelegenheit“ darstellt, was die Schutzwürdigkeit darauf bezogener persönlicher Daten mindert. Die Finanzierung des Beschäftigungsverhältnisses aus öffentlichen Mitteln und der wegen der Orientierung der Erstattungsregelungen an den Kosten für eine Büroarbeitskraft und zusätzlich einen wissenschaftlichen Mitarbeiter bestehende Rechtfertigungsdruck führen auch bei ihr dazu, dass der Schutz ihres Persönlichkeitsrechts hinter der Pressefreiheit zurücktreten muss. Eine „Stigmatisierung“ der Beigeladenen zu 2 ist mit der Offenlegung der Bruttobezüge nicht verbunden. Sollten sich aus der Bewertung der Angemessenheit der Vergütung kritische Nachfragen ergeben, muss sie sich dem als Folge einer selbst gewählten Vertragsgestaltung stellen. Schließlich ist das Steuergeheimnis nicht betroffen, denn das Bruttogehalt lässt Rückschlüsse auf persönliche Steuermerkmale nicht zu.

Durch die Offenlegung der Daten wird auch die Freiheit des Abgeordnetenmandats des Beigeladenen zu 1 nicht verletzt. Die Inanspruchnahme von Leistungen für die Amtsausstattung berührt zwar nicht die politische Willensbildung im parlamentarischen Raum, die den Kern der Mandatsausübung bildet; sie ermöglicht aber die Ausübung des Mandats (vgl. zur Inanspruchnahme der Sachleistungspauschale für die Amtsausstattung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 AbgG im Rahmen der Mandatsfreiheit nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG: BVerwG, Urteil vom 16. März 2016 – 6 C 65.14 – BVerwGE 154, 222 Rn. 22 f. m.w.N.), die grundsätzlich nicht durch störende Einflüsse beeinträchtigt werden soll. Auf den Schutz der Freiheit des Mandats kann sich der Beigeladene zu 1 auch nach dem Ausscheiden aus dem Landtag berufen. Es kommt insoweit nicht auf konkrete Nachwirkungen aus dem Mandatsverhältnis im Zeitpunkt der Erfüllung des Auskunftsanspruchs an; entscheidend sind vielmehr die „Vorwirkungen“ einer auch nachträglich drohenden Veröffentlichung bestimmter Angaben. Der Abgeordnete soll sein Mandat grundsätzlich ungestört ausüben können, ohne eine spätere Offenlegung befürchten zu müssen. Die oben dargestellte landesrechtliche Ausgestaltung der Erstattung von Auslagen für Beschäftigungsverhältnisse schränkt die Schutzwürdigkeit der Freiheit des Mandats jedoch ein.

Anders als in dem dem Urteil vom 16. März 2016 – 6 C 65.14 – (a.a.O.) zugrunde liegenden Fall der allgemeinen Amtsausstattung für Schreibgeräte und Digitalkameras im Wege einer Sachleistungspauschale, gibt es im vorliegenden Fall konkrete an die Qualifikation der Mitarbeiter anknüpfende Vorgaben für die Angemessenheit der Beschäftigungsverhältnisse, die wegen des dadurch möglichen Fremdvergleichs die Schutzwürdigkeit der Freiheit des Mandats geringer erscheinen lassen.

Zur Haftung für nicht autorisierte Entscheidungen im Online-Banking

(Oberlandesgericht Schleswig, Beschluss vom 29. Oktober 2018 – 5 U 290/18)

  1. Im Rahmen des § 675u BGB a.F. ist es bei einer nicht autorisierten Online-Überweisung Sache der Bank darzulegen und zu beweisen, dass es sich um ein außerhalb ihres Einflussbereichs liegendes und auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht vermeidbares Ereignis handelte.
  2. Bei missbräuchlicher Verwendung von PIN und TAN im Online-Banking rechtfertigen allein die Aufzeichnungen der Nutzung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments und die Prüfung der Authentifizierung im Sinne von § 675b Satz 3 Nr. 4 BGB die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises für eine grob fahrlässige Pflichtverletzung des Kunden nicht.
  3. Auch ein Anscheinsbeweis auf alternativer Grundlage, der Zahlungsdienstnutzer habe entweder den Zahlungsvorgang autorisiert oder aber grob fahrlässig gegen seine Pflichten aus § 6751 BGB verstoßen, kommt sowohl nach der Auffassung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts als auch des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 26.01.2016 nicht in Betracht.

Bekanntgabe der privaten Mobilfunknummer an den Arbeitgeber

(Landesarbeitsgericht Thüringen, Urteil vom 16. Mai 2018 – 6 Sa 442/17)

  1. Die Erhebung/Erfassung der privaten Mobiltelefonnummer eines Arbeitnehmers gegen seinen Willen ist wegen des darin liegenden äußerst schwerwiegenden Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn der Arbeitgeber ohne Kenntnis der Mobiltelefonnummer im Einzelfall eine legitime Aufgabe, für die der Arbeitnehmer eingestellt ist, nicht, nicht vollständig oder nicht in rechtmäßiger Weise erfüllen kann und ihm eine andere Organisation der Aufgabenerfüllung nicht möglich oder nicht zumutbar ist.
  2. Schafft ein kommunaler Arbeitgeber die Rufbereitschaft für Notfälle im Gesundheitsamt für die Dauer der Nachtzeit von 19:01 bis 5:59 Uhr aus Kostengründen ab, um im Notfall einen der Beschäftigten nach dem Zufallsprinzip ggf. auch über das Mobiltelefon aus seiner Freizeit heraus zur Arbeitsleistung heranzuziehen, wählt er damit eine risikobehaftete Arbeitsorganisation. Diese rechtfertigt nicht den in der Herausgabe der Mobiltelefonnummer liegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten, denn grundsätzlich entscheidet jeder Arbeitnehmer selbst, für wen, wann und wo er durch Bekanntgabe der Mobiltelefonnummer erreichbar sein will.
  3. Verweigert ein Arbeitnehmer die datenschutzrechtlich unzulässige Erfassung der Mobiltelefonnummer, hat er einen Anspruch auf Rücknahme und Entfernung einer deshalb erteilten Abmahnung aus der Personalakte.

Sachverhalt:

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Rücknahme und Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte.

Der Kläger war bei dem beklagten Landkreis als Sachbearbeiter Hygiene/Infektionsschutz im Gesundheitsamt beschäftigt. Im Aufgabenbereich des Beklagten konnten bezogen auf die Hygiene/Infektionsschutz Gefährdungsanlagen entstehen, welche ein Tätigwerden auch außerhalb von Dienstzeiten erforderlich machen. Darunter waren katastrophenähnliche Szenarien wie der Ausbruch von hochinfektiösen Krankheiten zu verstehen. Auch bei auftretenden Problemen beim Trinkwasser oder mikrobiologischer Belastung von Wasser in Schwimmbädern und Badeseen waren Sofortmaßnahmen der Mitarbeiter im Bereich der Hygiene/Infektionsschutz vorgesehen.

Bis zum 31.12.2016 sicherte der Beklagte diese Maßnahmen dadurch ab, dass außerhalb der Dienstzeit eine Rufbereitschaft eingerichtet wurde. Für die erforderliche Kontaktaufnahme wurde ein Diensthandy zur Verfügung gestellt. Hierfür erhielten die Mitarbeiter, welche zur Rufbereitschaft eingeteilt waren, eine zusätzliche Vergütung in Form von Freizeitausgleich oder Geldzahlung.

Unter Berufung auf Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie aufgrund von Überlastungsanzeigen des Sachgebietes Hygiene/Infektionsschutz entschied sich der Beklagte, die Absicherung von notwendigen Tätigkeiten außerhalb angeordneter Arbeitszeiten oder Rufbereitschaftszeiten anders zu organisieren. Ab dem 1.1.2017 wurde Rufbereitschaft außerhalb der gewöhnlichen Dienstzeit beschränkt auf Samstage, Sonntage, Feiertage und sogenannte Brückentage auf die Zeit von 7:00 Uhr bis 19:00 Uhr. Für diesen Zeitraum erhielten die im Voraus festgelegten Mitarbeiter jeweils nach wie vor ein Diensthandy. Außerhalb dieser Zeiten in der Zeit von 19:01 Uhr bis 6:59 Uhr sollte nach den Vorstellungen des Beklagten über die Rettungsleitstelle versucht werden, einen der sieben im Bereich Hygiene/Infektionsschutz beschäftigten Mitarbeiter auf irgendeinem Wege zu kontaktieren. Dabei war es dem Zufall bzw. der Willkür des entsprechenden Mitarbeiters des Rettungsdienstzweckverbandes überlassen, zu welchem Mitarbeiter versucht wurde, Kontakt aufzunehmen. Zu diesem Zwecke verlangte der Beklagte von den Mitarbeitern die Mitteilung der Wohnanschrift, der privaten Festnetz- und auch der Mobiltelefonnummern, damit diese Kontaktaufnahme in Notfällen auch außerhalb jeglicher Dienstzeit und außerhalb vorher angeordneter Rufbereitschaftszeit möglich war.

Nach einigem vorgerichtlichen Streit über die Verpflichtung des Klägers, seine angeforderten Kontaktdaten herauszugeben, erteilte der Beklagte dem Kläger unter dem 24.5.2017 eine Abmahnung, unter anderem deshalb, weil er seine Mobiltelefonnummer nicht innerhalb der geforderten Frist mitgeteilt habe.

Mit Urteil vom 12.10.2017 hat das Arbeitsgericht den Beklagten verurteilt, die Abmahnung vom 24.5.2017 zurückzunehmen und aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. Der Anspruch auf Herausgabe der Mobilfunknummern bestehe nicht, weil kein Anspruch erkennbar sei, dass der Kläger außerhalb seiner Dienstzeit ständig rund um die Uhr für den Arbeitgeber zum Zwecke einer möglichen Arbeitsaufnahme erreichbar zu sein habe.

Gegen dieses ihm am 3.11.2017 zugestellte Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt.

Aus den Gründen:

Die Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 24.5.2017 aus seiner Personalakte. Anspruchsgrundlage ist § 242 BGB i.V.m. § 1004 BGB analog.

Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht unter anderem, wenn die Abmahnung auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht (st. Rechtspr. vgl. statt vieler BAG 9.9.2015, 7 ABR 69/13, AP News 2016, 5 Rn 39). Ist nur eine von mehreren in einer Abmahnung beanstandeten Verhaltensweisen zu Unrecht als Pflichtverstoß bewertet worden, ist die gesamte Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen (BAG 13.3.1991 – 5 AZR 133/90, NZA 1991, 768).

So ist es hier, denn es fehlt hinsichtlich des auch in der Abmahnung enthaltenen Vorwurfs, seine Mobiltelefonnummer nicht an den Beklagten herausgegeben zu haben, an einer Verletzung von Pflichten aus dem Arbeitsvertrag durch den abgemahnten Kläger. Er war nicht verpflichtet, seine Mobiltelefonnummer dem Beklagten bekannt zu geben.

Es kann offenbleiben, ob der Beklagte einen Anspruch gegen den Kläger hat, diesen außerhalb der Arbeitszeit, außerhalb von Bereitschaftszeiten und außerhalb der (zum Teil abgeschafften) Rufbereitschaft zur Arbeitsleistung heranzuziehen, das ist hier nicht streitentscheidend. Die Kammer lässt auch offen, ob sich – das Bestehen eines solchen Anspruchs zu Gunsten der Beklagten unterstellt – hieraus abstrakt ein grundsätzlicher Anspruch auf Bekanntgabe der Mobiltelefonnummer ableiten lassen könnte, denn jedenfalls im hier zu entscheidenden Fall besteht dieser Anspruch konkret nicht. Der Beklagte verlangt die Bekanntgabe von personenbezogenen Daten; dieses Verlangen unterliegt den Beschränkungen des Datenschutzrechts gem. § 33 Abs. 1 ThürDSG i.V.m. § 79 Abs. 1 ThürBG in ihrer derzeit geltenden Fassung; weder die DS-GVO noch entsprechende Änderungen des ThürDG oder ThürBG waren zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in Kraft. Danach ist dem Beklagten hier die Erhebung der Mobiltelefonnummer des Klägers untersagt, denn weder liegt eine Einwilligung des Klägers vor, noch liegen die Voraussetzungen der Zulässigkeit der Datenerhebung gegen den Willen des Klägers vor, noch hat der Beklagte einen Anspruch gegen den Kläger auf Erteilung einer Einwilligung hierzu.

Die Zulässigkeit der Erhebung von persönlichen Daten durch Arbeitgeber richtet sich nach § 79 Abs. 1 ThürBG. Diese Norm ist gem. § 33 Abs. 1 ThürDSG hinsichtlich der Erhebung und Nutzung von personenbezogenen Daten von Arbeitnehmern, die in einem privatrechtlich ausgestalteten Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis zu einer öffentlichen Stelle im Sinne des ThürDSG stehen, entsprechend anwendbar. Öffentliche Stellen im Sinne des ThürDSG sind nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 1 ThürDSG unter anderem Gemeindeverbände. Der Beklagte ist als Landkreis nach den §§ 86 ff ThürKO als kommunale Gebietskörperschaft Gemeindeverband in diesem Sinne. Der Kläger als Arbeitnehmer befindet sich zu ihm in einem privatrechtlich ausgestalteten Arbeitsverhältnis.

Nach § 79 Abs. 1 ThürBG ist die Verarbeitung personenbezogener Daten außerhalb der Einwilligung eines betroffenen Arbeitnehmers nur zulässig, soweit sie zur Begründung, Durchführung, Beendigung oder Abwicklung des Dienstverhältnisses oder zur Durchführung organisatorischer, personeller und sozialer Maßnahmen, insbesondere auch zu Zwecken der Personalplanung und des Personaleinsatzes, erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift dies erlaubt. Auch die nicht automatisierte Erfassung von Daten ist Verarbeitung in diesem Sinne (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 ThürDSG). Die Mobiltelefonnummer ist ein personenbezogenes Datum (§ 3 Abs. 1 ThürDSG). Der Kläger ist als direkt Befragter Betroffener.

Eine Einwilligung des Klägers liegt nicht vor. Eine besondere Rechtsvorschrift, welche die Erfassung der Mobiltelefonnummer des Klägers erlaubt, liegt auch nicht vor.

Die Herausgabe der Mobiltelefonnummer des Klägers an den Beklagten ist weder zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses noch zu Zwecken des Personaleinsatzes erforderlich. Die anderen Alternativen des § 79 Abs. 1 ThürBG kommen erkennbar nicht in Betracht.

Der Begriff der Erforderlichkeit in diesem Sinne bedeutet nicht, dass die Daten für den Arbeitgeber unverzichtbar sein müssen (BAG 22.10.1986, 5 AZR 660/85). Ausreichend ist, wenn der Arbeitgeber ohne ihre Kenntnis oder Nutzung im konkreten Einzelfall eine legitime Aufgabe nicht, nicht vollständig oder nicht in rechtmäßiger Weise erfüllen kann. Dabei ist zu beachten, dass der Arbeitgeber aufgrund seiner aus Art. 12 und Art. 14 GG getragenen unternehmerischen Freiheit Arbeitsablauf und Arbeitsorganisation und damit den Zweck der Datenerhebung grundsätzlich vorformen darf. Für den Beklagten als kommunale Gebietskörperschaft gilt dies in ähnlichem Maße aufgrund der in Art. 28 GG und Art. 91 Abs. 2 ThürVerf garantierten kommunalen Selbstverwaltungsgarantie. Kollidiert diese insoweit unternehmerische Vorgabe mit Grundrechten von Arbeitnehmern, hier dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, ist ein schonender Ausgleich dieser Rechtspositionen vorzunehmen (ähnlich zu § 32 BDSG: NK-ArbR/Birk BDSG § 32 Rn 86).

Der mit einer Datenerhebung verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers muss in diesem Rahmen einer Abwägung der beiderseitigen Interessen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit standhalten (so schon BAG 22.10.1986, 5 AZR 660/85). Dieser verlangt, dass der Eingriff geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen ist, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Es dürfen keine anderen, zur Zielerreichung gleich wirksamen und das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer weniger einschränkenden Mittel zur Verfügung stehen. Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist gewahrt, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht. Die Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung darf keine übermäßige Belastung für den Arbeitnehmer darstellen und muss der Bedeutung des Informationsinteresses des Arbeitgebers entsprechen (so zum vergleichbar, teilweise identisch wie § 79 Abs. 1 ThürBG formuliertem § 32 BDSG: BAG 29.6.2017 – 2 AZR 597/16, NZA 2017, 1179 mwN.).

Danach ist es hier nicht zulässig, die Mobiltelefonnummer vom Kläger zu erheben, denn der in der Herausgabe der Nummer liegende Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht wiegt außerordentlich schwer und steht außer Verhältnis zu den ihn rechtfertigenden Gründen.

In der Erfassung der Mobiltelefonnummer liegt ein erheblicher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers. Soweit der Beklagte in Zweifel zieht, dass überhaupt ein Eingriff vorliegt und dieser allenfalls gering sein könnte, weil es unwahrscheinlich sei, dass der Beklagte von der durch Bekanntgabe der Mobiltelefonnummer gegebenen Möglichkeit einer Kontaktaufnahme außerhalb von Rufbereitschaftszeiten und Dienstzeiten Gebrauch mache, wählt er nicht den zutreffenden Ansatz. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht liegt nicht in der Kontaktaufnahme als solcher. Der Eingriff liegt bereits darin, dass die Mobiltelefonnummer erfasst wird und somit die Möglichkeit besteht, den Kläger jederzeit und an jedem Ort zu kontaktieren.

Die Mobiltelefonnummer ist deshalb ein besonders sensibles Datum, weil jeder, der Kenntnis von dieser Nummer hat, grundsätzlich jederzeit in der Lage ist, den Nutzer zu erreichen. Hier ist auch zu beachten, dass der Beklagte die Nummer gerade und ausschließlich deshalb haben möchte, um den Kläger außerhalb der Dienstzeiten und außerhalb angeordneter Rufbereitschaft, mithin in seiner Freizeit, kontaktieren zu können. Freizeit zeichnet sich gerade dadurch aus, dass Arbeitnehmer in diesem Zeitraum den Arbeitgeber nicht zur Verfügung stehen müssen und selbstbestimmt entscheiden können, wie und wo sie diese Freizeit verbringen. In dieser Zeit müssen sie gerade nicht fremdnützig tätig sein und sind nicht Bestandteil einer fremdbestimmten arbeitsrechtlichen Organisationseinheit und fungieren nicht als Arbeitskraft. Es gehört zu den vornehmsten Persönlichkeitsrechten, dass ein Mensch selbst entscheidet, für wen er in dieser Zeit erreichbar sein will oder nicht. Erfasst ein Arbeitgeber die Mobiltelefonnummer gegen den Willen des Arbeitnehmers, so ist dieses Recht beeinträchtigt. Der Arbeitnehmer verfügt über seine Freizeit nicht mehr ausschließlich selbstbestimmt. Durch diese jederzeitige Verfügbarkeit reduziert der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf seine Funktion als Arbeitskraft. Abgesehen davon, dass damit der Kläger auf eine Funktion im Organisations- und Aufgabengefüge des Beklagten reduziert und damit seiner Subjektqualität beraubt und zum Objekt wird, was nach der Objektstheorie die Menschenwürde (dazu ErfK/Schmidt Art 1 GG Rn 6) betrifft, wäre dem Kläger jegliche Möglichkeit genommen, sich dem Zugriff seines Arbeitgebers zu entziehen, ohne gleichzeitig auch allen anderen jegliche Kontaktmöglichkeit zu ihm zu entziehen. Der Kläger könnte nicht in seiner Freizeit tun und lassen, was er will. Er könnte nicht entscheiden, für einige Personen erreichbar sein zu wollen, aber für seinen Arbeitgeber nicht. Er könnte sein Mobiltelefon nur eingeschränkt nutzen, da er zum Beispiel auch für den Arbeitgeber erreichbar wäre, wenn er nur eine sportliche Betätigung tracken will. Er wäre tiefgreifend in seiner Lebensführung eingeschränkt. Wirklich selbstbestimmte Freizeit könnte er nur erreichen, wenn er auf die Nutzung seines Mobiltelefons komplett verzichtete.

Die Einwendung des Beklagten, dass nur höchst selten, im Jahre 2017 in keinem Falle, von der Möglichkeit dieser Kontaktaufnahme während der Freizeit und damit der Beeinträchtigung der Lebensführung Gebrauch gemacht worden ist, trägt nicht. Die Beeinträchtigung liegt schließlich schon in der Möglichkeit, kontaktiert zu werden, denn schon diese bedeutet, dass der Kläger in seiner Freizeit grundsätzlich als Arbeitnehmer zur Verfügung steht. Liegt der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung damit allein schon in der Herausgabe der Mobiltelefonnummer und der dadurch geschaffenen abstrakten Möglichkeit der Kontaktaufnahme durch den Arbeitgeber, so kann es zur Rechtfertigung dieses Eingriffs nicht darauf ankommen, wie oft tatsächlich von der Möglichkeit der Kontaktaufnahme Gebrauch gemacht wird. Entscheidend ist, dass aus Sicht des Arbeitnehmers jederzeit und an jedem Ort mit einer Kontaktaufnahme gerechnet werden muss. Der Arbeitnehmer kann sich dem nicht in einer für ihn zumutbaren Weise entziehen.

Auch die Einwendung des Beklagten, der Kläger könne sich der Kontaktaufnahme entziehen, indem er das Handy nicht bei sich hat oder abschaltet, trägt nicht. Es ist gerade Sinn des Mobiltelefons, für diejenigen, für die man erreichbar sein möchte, auch außerhalb des häuslichen Bereichs und außerhalb üblicher Zeiten erreichbar zu sein. Denn der Kläger wäre auch in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, wenn er in Zeiten, in denen er von seinem Arbeitgeber nicht kontaktiert werden möchte, gezwungen wäre, auch für andere nicht über Mobiltelefon erreichbar zu sein.

Ebenso wenig verringert es die Eingriffsintensität, dass der Beklagte nach seinem Konzept die private Lebensführung in der Freizeit des Klägers deshalb nicht tangiert sieht, weil dieser nicht gezwungen sei, bei einer Kontaktaufnahme dem Wunsch zur Aufnahme der Arbeitsleistung nachzukommen, wenn er sich hierzu aus verschiedenen Gründen, etwa wegen zu weiter Entfernung zum Einsatzort oder aufgrund von „Unpässlichkeit“ hierzu nicht in der Lage fühle, so dass der Kläger in seiner Freizeit weiterhin tun und lassen könne, was er wolle. Er könne überall hinfahren und müsse keine Entfernungsgrenzen einhalten; er könne alkoholische Getränke zu sich nehmen usw. Die Beeinträchtigung liegt hier schon darin, dass der Kläger im Falle einer Kontaktaufnahme in die Lage gebracht wäre, sich für sein Freizeitverhalten zu rechtfertigen. Der Beklagte erwartet ausdrücklich, dass die Kontaktaufnahme nicht illoyal verhindert wird, indem die erkannte und gesendete Telefonnummer „weggedrückt“ wird oder der Kläger eine „Unpässlichkeit“ nur vorgibt. Das bedeutet, der Kläger sähe sich faktisch unter Druck gesetzt, eine Erklärung abzugeben, warum er im Falle einer erfolgreichen Kontaktaufnahme nicht zu Arbeitsleistung bereit wäre. Es besteht jedoch kein Anspruch des Beklagten als Arbeitgeber gegen den Kläger als Arbeitnehmer, dass dieser überhaupt Auskünfte über sein Freizeitverhalten gibt oder sich dafür rechtfertigt, wenn dies nicht unmittelbar Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis hat, was in diesem hier diskutierten Falle nicht gegeben ist.

Soweit der Beklagte meint, der Eingriff sei nicht so gravierend, weil er mit Wohnadresse und Festnetztelefonnummer den Kläger auch innerhalb seiner Freizeit erreichen könne, indem er ihn z.B. zu Hause aufsuche, unterstreicht er damit, dass die Bekanntgabe der Mobiltelefonnummer nicht erforderlich ist. Abgesehen davon passt dies nicht zum vom Beklagten vorgetragenen Konzept, denn danach soll eine Rettungsdienstleitstelle versuchen, in den hier relevanten Zeiten, mithin zwischen 19:01 und 5:59 Uhr, Kontakt aufzunehmen. Es ist recht unwahrscheinlich, dass dafür die Mitarbeiter der Rettungsdienstleitstelle die Wohnanschrift aufsuchen. Schließlich besteht der Unterschied auch darin, dass sich der Kläger einer Kontaktaufnahme an der Wohnanschrift und/oder der Festnetztelefonnummer dadurch entziehen kann, dass er sich schlicht nicht zu Hause aufhält.

Demgegenüber haben die vom Beklagten geltend gemachten Belange nicht genügend Gewicht, um einen derart tiefgreifenden Eingriff zu rechtfertigen.

Der Beklagte trägt vor, dass er die Mobiltelefonnummer des Klägers benötigt, um in einem außerhalb von Dienstzeiten und eingerichteten Rufbereitschaftszeiten auftretenden Notfall im Bereich der Hygiene oder des Infektionsschutzes den Kläger kontaktieren zu können, um ihn zu Notfallarbeiten heranzuziehen. Es ist schon nicht erkennbar, weshalb hierzu die Herausgabe der Mobiltelefonnummer des Klägers erforderlich ist, denn der Beklagte hat zunächst genügend andere Kontaktdaten zur Verfügung, so die Festnetztelefonnummer und die Wohnanschrift des Klägers, welche der Kläger bekannt gegeben hat. Ihm stehen auch Telefonnummern anderer Mitarbeiter der betreffenden Abteilung zur Verfügung, die grundsätzlich ebenfalls für diese Arbeiten geeignet sind. Der Beklagte will sich seiner eigenen Organisationentscheidung nach selbst nicht vorher festlegen, wen er zur Arbeitsleistung im Notfall heranziehen will, sondern dies dem Zufall überlassen. Es ist also nicht erkennbar, dass mit den bereits bei dem Beklagten vorhandenen Daten etwa auftretende Notfälle nicht abgedeckt werden können.

Es kann nicht bei der Abwägung der Belange unberücksichtigt bleiben, dass der Beklagte bewusst eine Arbeitsablauforganisation gewählt hat, welche das Risiko, das er mit der Erfassung der Mobiltelefonnummer beseitigen will, überhaupt erst hervorruft. Mit der Abschaffung der umfassenden Rufbereitschaft schuf der Beklagte zeitliche Lücken, die er nun damit absichern möchte, dass er Arbeitnehmer gegebenenfalls jederzeit und an jedem Ort auch in ihrer Freizeit über die Mobiltelefonnummer erreichen kann. Diese selbstgeschaffene Situation darf der Beklagte nicht einseitig zulasten des Persönlichkeitsrechts des Klägers auflösen.

Grundsätzlich stehen dem Beklagten auch arbeitsrechtlich und datenschutzrechtlich zulässige Gestaltungsmittel zur Absicherung von Notfalleinsätzen zur Verfügung. Er kann von den Möglichkeiten der Anordnung besonderer Dienste nach § 6 Abs. 5 TVöD Gebrauch machen, wie er es bis zum 31.12.2016 erfolgreich praktiziert hat. Hieran ändert es auch nichts, dass der Beklagte meint, aus Gründen der von ihm zu verlangenden sparsamen und wirtschaftlichen Aufgabenerledigung zur Umorganisation der Rufbereitschaft und der Notfallbereitschaft gezwungen gewesen zu sein. Auch dieser Aspekt findet seine Grenze in den zu beachtenden Persönlichkeitsrechten des Klägers, welche bereits ausführlich beschrieben und erörtert sind. Der Wunsch nach Leistung (ständige Verfügbarkeit) ohne jegliche Gegenleistung ist insoweit nicht ganz widerspruchsfrei. Versucht der Beklagte aus Kostengründen, zeitweise ohne Bereitschafts- und Rufbereitschaftsdienste auszukommen, trägt er grundsätzlich das Risiko, dass er im Notfall Arbeitnehmer erreicht. Diese selbst geschaffene Situation erweitert nicht seine Eingriffsbefugnisse in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer.

Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die vom Beklagten bemühten „Notfälle“ grundsätzlich Vorgänge sind, die nicht völlig überraschend, außergewöhnlich in dem Sinne sind, dass ihr Eintreten als unwahrscheinlich oder nahezu abwegig angesehen werden müsste. Vielmehr handelt es sich um Ereignisse im Rahmen des kommunalen Aufgabenspektrums, mithin grundsätzlich mögliche und damit einzukalkulierende Ereignisse, möge man auch auf deren Ausbleiben hoffen. Einsatznotwendigkeiten in diesen Fällen über Freizeitinanspruchnahme der Mitarbeiter abdecken zu wollen, schafft künstlich Bedarf an Informationen über die Arbeitnehmer, die – wie hier – zu weit in deren Persönlichkeitsrechte eingreifen.

§ 6 Abs. 5 TVöD kommt als Anspruchsgrundlage schon deshalb nicht in Betracht, weil darin nur die besonderen Formen der Arbeit geregelt sind. Von diesen macht der Beklagte in dem hier interessierenden Fall gerade keinen Gebrauch, denn er ordnet die dort möglichen Arbeitsformen ausdrücklich nicht an.

Die Kammer kann auch nicht nachvollziehen, woraus die arbeitsvertragliche Nebenpflicht folgen soll, jederzeit an jedem Ort in der Freizeit für den Arbeitgeber erreichbar zu sein. Soweit der Beklagte darauf Bezug nimmt, dass Arbeitnehmer in Notfällen zur Arbeitsleistung herangezogen werden könnten, so bedeutet dies nicht, dass sie sich grundsätzlich darauf einzustellen, sich dauerhaft jederzeit bereit zu halten und erreichbar zu machen hätten.

Der Beklagte hat gegen den Kläger unter diesem Gesichtspunkt auch keinen Anspruch auf Einwilligung des Klägers in die hier umstrittene Datenerhebung. Dieser ergibt sich auch nicht aus dem personalen Einschlag, den das Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis mit personeller Bindung hat.

Auch unter dem Gesichtspunkt der gebotenen Rücksichtnahme auf die erkennbaren Interessen des Vertragspartners nach § 241 BGB ergibt sich nichts anderes. Das Austauschverhältnis im Arbeitsverhältnis erschöpft sich in der Regel darin, dass der Kläger die Arbeitsleistung erbringt und hierfür die Vergütung erhält. Dass er darüber hinaus in seiner Freizeit, mithin ständig, seinem Arbeitgeber zur Verfügung zu stehen hat, ergibt sich daraus gerade nicht. Auch hierbei ist wiederum beachtlich, dass der Beklagte es durch eigene Organisation der Arbeitsabläufe in der Hand hat, selbst dafür zu sorgen, dass er in dem von ihm als Notfälle bezeichneten Fällen seinen Aufgaben nachkommen kann.

Damit kommt es nicht mehr darauf an, dass nach dem Willen des Beklagten die Daten an einen Dritten, den die Rettungsleitstelle betreibenden Rettungsdienstzweckverband Ostthüringen, weitergegeben werden sollten.

Umstellung auf automatisierte Personalaktenführung

(Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 17. Dezember 2018 – 1 A 203/17 –)

  1. Die Regelung des § 106 Abs. 1 Satz 3 BBG ermächtigt den Dienstherrn im Falle erfolgter Umstellung auf eine vollständig automatisierte Führung der Personalakte (rein elektronische Personalakte), die Papierpersonalakte des Beamten zu vernichten, um eine – unzulässige – doppelte Aktenführung zu verhindern.
  2. Die nähere Ausgestaltung der Personalakten steht im Organisationsermessen des Dienstherrn, das grundsätzlich nur durch die einschlägigen personalaktenrechtlichen Vorgaben (§§ 106 ff. BGB) begrenzt wird.
  3. Bei der Umwandlung einer Papierpersonalakte in eine rein elektronische Personalakte müssen alle in der Papierpersonalakte enthaltenen und materiell zur Personalakte gehörenden Unterlagen vollständig und in lesbarer Form übernommen werden. Das folgt aus dem in § 106 Abs. 1 Satz 4 BBG normierten Grundsatz der Vollständigkeit der Personalakte sowie dem in § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBG zum Ausdruck gebrachten Grundsatz der Richtigkeit der Personalakte (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 5. April 2016 – 1 B 203/16 –).

Aus den Gründen:
a) Der Kläger wendet sich zunächst gegen die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, § 106 Abs. 1 Satz 3 BBG enthalte für den Fall der erfolgten Umstellung auf eine vollständig elektronische Aktenführung die Ermächtigung zur Vernichtung der verbliebenen Papierakte. Er meint insoweit: Da die fragliche Vernichtung der Papierakte eine belastende Regelung darstelle, bedürfe es einer eindeutigen gesetzlichen Ermächtigung, die hier fehle. Dem Wortlaut der Norm könne eine solche Ermächtigung nicht entnommen werden. Der bloße Umkehrschluss aus der Erlaubnis zur Führung einer elektronischen Akte reiche insoweit nicht aus. Auch eine systematische Auslegung führe (zumindest) nicht auf ein klares Ergebnis. So gebe es Sonderregelungen – etwa in § 113 und 114 BBG – zu Aufbewahrungsfristen und zur automatisierten Bearbeitung, die die Voraussetzungen einer Vernichtung aufbewahrter Akten explizit regelten. Es hätte daher für den Gesetzgeber nahegelegen, eine entsprechende ausdrückliche Erlaubnis zur Vernichtung der Papierpersonalakte mit in § 106 Abs. 1 Satz 3 BBG aufzunehmen, wenn er sie gewollt hätte. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts lasse außerdem auch den Sinn und Zweck der Norm unberücksichtigt, eine effektive Personalaktenverwaltung sicherzustellen und zugleich die Persönlichkeitsrechte, insbesondere das Datenschutzrecht, des Beamten zu wahren. Diese Argumentation greift ungeachtet der Frage, ob die beabsichtigte Vernichtung der Papierpersonalakte des Klägers diesen im vorliegenden Kontext überhaupt zu belasten vermag, nicht durch. Nach § 106 Abs. 1 Satz 3 BBG kann die Akte in Teilen oder vollständig automatisiert – also als digitale bzw. elektronische Personalakte – geführt werden, wobei unter „Akte“ die Personalakte zu verstehen ist (vgl. die amtliche Gesetzesüberschrift und den systematischen Zusammenhang der Vorschrift insbesondere mit § 106 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 bis 7 BBG). Diese Regelung ermächtigt den Dienstherrn im Falle erfolgter Umstellung auf eine vollständig automatisierte Führung der Personalakte, die Papierpersonalakte des Beamten zu vernichten, um eine – unzulässige – doppelte Aktenführung zu verhindern. Zwar legt die Norm eine solche Befugnis nicht ausdrücklich fest. Sie setzt sie aber ohne weiteres voraus, indem sie dem Dienstherrn eine vollständig automatisierte Führung der jeweiligen Personalakte gestattet. Das ergibt sich im Einzelnen aus den folgenden Erwägungen: Ist bereits eine in Papierform geführte Personalakte vorhanden, so kann die Umstellung auf eine „vollständig“ automatisierte Aktenführung nur erreicht werden, wenn die vorliegende Papierpersonalakte in eine elektronische Akte umgewandelt und vom Zeitpunkt der Umwandlung an auch als solche weitergeführt wird. Ohne die angesprochene Umwandlung läge nämlich der vom Gesetz gesondert genannte Fall einer (nur) „in Teilen“ (hier: ab einem bestimmten Stichtag) automatisiert geführten Akte vor, also einer teils in elektronischer, teils in Papierform geführten sog. Hybridakte (zu diesem Begriff etwa Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, BBG, Stand: November 2018, BBG 2009 § 106 Rn. 17, und die Gesetzesmaterialien zu dem – so Gesetz gewordenen – Entwurf des § 106 Abs. 1 Satz 3 BBG: Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz – DneuG), BT-Drs. 16/7076, 12. November 2007, S. 125). Wählt der Dienstherr bei vorliegender Papierakte den Weg der Umstellung auf eine vollständig automatisierte Aktenführung (§ 106 Abs. 1 Satz 3 Fall 2 BBG), so hat er zu vermeiden, dass nach der Umstellung neben der nunmehr vollständig elektronischen Akte die Personalakte in Teilen zusätzlich noch in Papierform vorliegt (ebenso: Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, BBG, Stand: November 2018, BBG 2009 § 106 Rn. 17, sowie Peters/Grunewald/Lösch, in: Lenders/Peters/Weber/Grunewald/Lösch, Das Dienstrecht des Bundes, 2. Aufl. 2013, Rn. 882 und 884; vgl. auch Kathke, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, Stand: Oktober 2018, LBG NRW § 84 Rn. 35b, wonach von dem Begriff der automatisierten Personalaktenführung (in der bis zum 30. Juni 2016 geltenden Parallelvorschrift des § 84 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW a. F., nunmehr § 83 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW) insbesondere auch „elektronische Registratursysteme“ erfasst werden, „bei denen auf Papier erstellte Personalakten eingescannt werden, wobei die eigentliche Originalpapierakte anschließend vernichtet wird“). Dieses Verbot (teilweise) doppelter Aktenführung folgt bereits aus dem Wortlaut des § 106 Abs. 1 Satz 3 BBG, der von der (Personal-)Akte im Singular spricht und damit wie die übrigen Regelungen des § 106 Abs. 1 BBG zugrunde legt, dass für jeden Beamten nur eine Personalakte geführt werden darf (vgl. von Roetteken, in: von Roetteken/Rothländer, BeamtStG, Stand: November 2018, BeamtStG § 50 Rn. 28, m.w.N.; vgl. insoweit auch BT-Drs 16/7076, S. 125, wo der „Grundsatz der einen Personalakte“ hervorgehoben und betont wird, dass jeder Zweifel an der Eindeutigkeit der Personalakte ausgeschlossen werden müsse). Nachhaltig bestätigt wird dieser Befund in systematischer Hinsicht durch die Vorschrift des § 106 Abs. 2 Satz 3 BBG. Diese definiert Nebenakten als Unterlagen, die sich auch in der Grundakte oder in Teilakten befinden, und knüpft die Zulässigkeit ihrer Führung an das Vorliegen besonderer Voraussetzungen. Damit aber will sie für den Regelfall, in dem diese besonderen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, verhindern, dass identische Aktenbestandteile doppelt vorgehalten werden, und so die Einheitlichkeit und Klarheit der Personalakte sichern. Bezogen auf die in Rede stehende Fallkonstellation bedeutet all dies, dass die nach der Umstellung auf vollständig elektronische Aktenführung noch vorhandene Papierakte, die Teile der Personalakte nunmehr doppelt vorhält, zu vernichten ist.

Bestätigt wird dieser Befund durch die bereits vom Verwaltungsgericht hervorgehobene Entstehungsgeschichte des § 106 Abs. 1 Nr. 3 BBG. In der oben zitierten Gesetzesbegründung zu dieser Norm ist u.a. ausgeführt, dass eine parallele Führung gleicher Aktenteile in Papierform und in elektronischer Form zu vermeiden sei, um Zweifel an der Eindeutigkeit der Personalakte zu vermeiden und um eine Einschränkung der Rechte der Beamtinnen und Beamten, insbesondere datenschutzrechtlicher Art, zu verhindern (BT-Drs 16/7076, S. 125). Aus der zuletzt genannten – zutreffenden – Erwägung ergibt sich ohne weiteres, dass das dargelegte Gesetzesverständnis, § 106 Abs. 1 Satz 3 BBG ermächtige (bzw. zwinge) zur Vernichtung einer noch in Papierform vorhandenen Personalakte, soweit diese zugleich in elektronischer Weise vorhanden ist, entgegen dem Zulassungsvorbringen gerade dem Sinn und Zweck des § 106 Abs. 1 Satz 3 BBG entspricht. Mit Blick auf alles Vorstehende kann diesem Gesetzesverständnis auch nicht mit Erfolg das vom Kläger bemühte systematische Argument entgegengehalten werden, angesichts bestehender Sonderregelungen des Personalaktenrechts zu einer Vernichtung der Personalakte oder einzelner Bestandteile derselben hätte es im Rahmen des § 106 Abs. 1 Satz 3 BBG einer entsprechenden, aber nicht vorhandenen ausdrücklichen Regelung bedurft. Denn diese Regelungen betreffen keinen vergleichbaren Sachverhalt. Sie dienen nicht der Verhinderung doppelter und damit unklarer Aktenführung, sondern verfolgen andere Zwecke. Die Vorschrift des § 113 Abs. 4 BBG ordnet eine Vernichtung der Personalakte (Abs. 1) bzw. der Teilakten (Abs. 2 und 3) erst für einen Zeitpunkt an, zu dem diese endgültig nicht mehr benötigt werden. Die ferner nur noch in Betracht zu ziehenden, eine Vernichtung anordnenden Regelungen des § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 BBG betreffen nur einzelne Dokumente und schränken den Grundsatz der wertfreien, möglichst vollständigen Dokumentation der für das Beamtenverhältnis (auch: künftig) relevanten Umstände insoweit ein, um der Personalaktenwahrheit bzw. dem Resozialisierungsgedanken Rechnung zu tragen. Welche Schlüsse insoweit die ferner ins Feld geführte Vorschrift des § 114 BBG erlauben oder gebieten soll, hat der Kläger schon nicht dargelegt.

b) Der Kläger macht ferner (sinngemäß) geltend, eine ordnungsgemäße Umwandlung der Papierpersonalakte in eine elektronische Akte und deren ordnungsgemäße Führung seien entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts nicht gewährleistet. Er bestreite schon, dass die technischen Voraussetzungen für die alleinige elektronische Aktenführung gegeben seien. Es sei ungeklärt, ob die elektronische Akte „vollständig elektronisch gesichert“ sei und wie die gesonderte Aufbewahrung ärztlicher Unterlagen sichergestellt werde. Es sei nicht dargelegt, wer im Falle des Klägers wann und wie genau die Identität der nachträglich erstellten elektronischen Akte mit der Papierpersonalakte überprüft habe („Validierungsprozess“). Auch seine Befürchtung, einzelne Schriftstücke aus der Papierakte könnten nicht (ordnungsgemäß) eingescannt worden sein, greife durch. Ihr könne nicht ihr spekulativer Charakter entgegengehalten werden, weil er selbst keine Prüfung der Vollständigkeit vornehmen könne. Hieran werde er durch die „fehlende Transparenz“ der wegen der Vergabe gleicher Namen für pdf-Dokumente (z.B. zweimal „Unterlagen zur Versetzung/Umsetzung“) nicht gut „durchzublätternden“ elektronischen Akte sowie dadurch gehindert, dass diese Akte nicht paginiert sei. Auch dieser Vortrag greift nicht durch.

aa) Von vornherein nicht erfolgversprechend sind die Rügen des Klägers, soweit sie sich auf die konkrete – auch technische – Ausgestaltung des von der Beklagten gewählten Modells der elektronischen Akte nach erfolgter Umstellung beziehen. Das betrifft das Zulassungsvorbringen, das Vorliegen der technischen Voraussetzungen für die alleinige elektronische Aktenführung sei nicht dargetan, die elektronische Akte sei unübersichtlich, intransparent, nicht gut „durchzublättern“ und ermangele einer (am besten der Paginierung der Papierakte entsprechenden) Paginierung. Dieses Vorbringen verkennt nämlich, dass die nähere Ausgestaltung der Personalakten im Organisationsermessen des Dienstherrn steht, das grundsätzlich nur durch die – insoweit hier nicht betroffenen – einschlägigen personalaktenrechtlichen Vorgaben (§§ 106 ff. BBG) begrenzt wird. Unabhängig davon könnte den Rügen des Klägers auch in der Sache nicht gefolgt werden. Dass die technischen Voraussetzungen für die alleinige elektronische Aktenführung nicht gegeben sein könnten, ist nicht ansatzweise ersichtlich. Im Gegenteil: Der am 8. Februar 2017 erstellte Ausdruck der Personalakte des Klägers, den die Beklagte am 10. Februar 2017 in dem Verfahren gleichen Rubrums mit dem Aktenzeichen 1 A 206/17 vorgelegt hat (dortige Beiakte Heft 2 bis 4 und 4a), belegt offenkundig eine erfolgreiche elektronische Aktenführung. Es ist auch nicht erkennbar, dass die von der Beklagten gewählte Ausgestaltung der elektronischen Personalakte den Zweck der Personalakte grundlegend verfehlen oder auch nur eine unzureichende Transparenz der Akte begründen würde. Vielmehr gewährleistet die hier etablierte thematische und hierarchische Ordnung der elektronischen Personalakte (vgl. die dem Ausdruck der Personalakte des Klägers vorangestellte Darstellung der Aktenstruktur; Beiakte Heft 2, Blatt 1 bis 3) ersichtlich eine hinreichende Transparenz, zumal dort eine Doppelung von Gliederungspunkten nicht erkennbar ist. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine – wie auch immer zu bewerkstelligende – „Paginierung“ bei dem gewählten Modell einer elektronischen Akte hilfreich geschweige denn zwingend erforderlich sein könnte.

bb) Auch das Zulassungsvorbringen, es sei nach wie vor unklar, wie sichergestellt sei, dass es bei der Umwandlung der Papierpersonalakte nicht zu einem Verlust von Daten komme, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit der gegenteiligen Einschätzung des Verwaltungsgerichts. Richtig ist zwar, dass bei einer Umwandlung einer Papierpersonalakte in eine rein elektronische Personalakte alle in der Papierpersonalakte enthaltenen und materiell zur Personalakte gehörenden Unterlagen vollständig und in lesbarer Form übernommen werden müssen, am Ende des Umwandlungsprozesses also ein zutreffendes Ergebnis stehen muss. Das folgt aus dem in § 106 Abs. 1 Satz 4 BBG normierten Grundsatz der Vollständigkeit der Personalakte sowie dem in § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBG zum Ausdruck gebrachten Grundsatz der Richtigkeit der Personalakte (so schon OVG NRW, Beschluss vom 5. April 2016 – 1 B 203/16 –, juris, Rn. 3 bis 5; dem folgend Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, BBG, Stand: November 2018, BBG 2009 § 106 Rn. 17 a. E., und Schrapper/Günther, LBG NRW, 2. Aufl. 2017, § 83 Rn. 1). Dass diesem Erfordernis, dessen Einhaltung, was der Kläger zu verkennen scheint, übrigens auch im Interesse des Dienstherrn steht, bei der bereits 2007 abgeschlossenen Umwandlung der bis dahin geführten Papierpersonalakte des Klägers in eine elektronische Personalakte nicht genügt worden sein könnte, ergibt sich aus dem Zulassungsvorbringen aber nicht. Die Beklagte hat bereits mit ihrem erstinstanzlich vorgelegten Schriftsatz vom 29. September 2016 das von der Deutschen Telekom AG gewählte Verfahren zur Erstellung der elektronischen Personalakten näher erläutert: Die Erstellung habe zentral im Scancenter P. in einer sicheren Umgebung stattgefunden. Alle Papierpersonalakten der Beamten seien zunächst für die Digitalisierung aufbereitet worden. Die Akten seien entheftet und entklammert worden, und Dokumente mit einem anderen Format als DIN-A 4 seien vor der Digitalisierung auf dieses Format vergrößert bzw. verkleinert worden. Aufgrund ihres Zustands nicht für das Scannen geeignete Dokumente seien z.B. durch Kontrastverstärkung angepasst worden. Vor der Digitalisierung sei ferner die Vollständigkeit und Lesbarkeit überprüft worden. Die Dokumente einer Papierpersonalakte seien sodann gescannt und mit der „Qualifizierten elektronischen Signatur“ versehen worden. Das Scannen sei auf einem einzigen Scanner erfolgt, und zwar in Duplexscannung, bei der leere Rückseiten von einer Software automatisch entfernt worden seien. In einem (näher erläuterten) aufwendigen manuellen Validierungsprozess seien Lesbarkeit und Vollständigkeit aller eingescannten Dokumente geprüft worden. Das Verfahren der Deutschen Telekom AG zur Erstellung der elektronischen Personalakten sei von dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz sowie dem Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit für das Land Nordrhein-Westfalen geprüft und als ausreichend angesehen worden. Diesem substantiierten Vortrag, der noch durch Angaben zum Umfang der Papierpersonalakte bei ihrem Abschluss und zur Zahl der daraus erstellten Dokumente angereichert worden ist, hat der Kläger auch mit seinem Zulassungsvorbringen nichts von Substanz entgegengestellt. Namentlich führt er keine konkreten Umstände dafür an, dass es bei der Umwandlung zu entsprechenden Datenverlusten gekommen ist. Ein entsprechender Vortrag wäre ihm, anders als er meint, aber möglich gewesen. Er hätte ohne weiteres über seinen Prozessbevollmächtigten Einsicht in die noch vorhandene Papierpersonalakte (vgl. den Senatsbeschluss vom 5. April 2016– 1 B 203/16 –, juris) nehmen können und sodann anhand der ihm zugänglichen (angeblich nicht „transparenten“) elektronischen Personalakte oder des hier vorliegenden – transparenten – Ausdrucks derselben abgleichen können, ob sämtliche Dokumente aus der Papierpersonalakte Eingang in die elektronische Personalakte gefunden haben. Auch die in diesem Zusammenhang noch erhobene Rüge, es sei unklar, wie eine gesonderte Aufbewahrung ärztlicher Bescheinigungen gesichert sei, genügt nicht den Anforderungen an eine hinreichende Darlegung. Der Kläger hat schon nicht vorgetragen, dass es in seinem Fall ärztlichen Äußerungen gegeben hat, die in der Papierpersonalakte in einem verschlossenen Umschlag aufzubewahren waren und nun auch elektronisch gesondert zu behandeln wären, vgl. insoweit allgemein: Schrapper/Günther, LBG NRW, 2. Aufl. 2017, § 83 Rn. 1, und ferner auch keine entsprechenden konkreten Fehler der Aktenführung in seiner elektronischen Personalakte aufgezeigt.

c) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben sich auch nicht aus der behaupteten Abweichung des Urteils von dem auf der Grundlage einer nur summarischen Prüfung ergangenen und deshalb nicht divergenzfähigen – vgl. insoweit allgemein: Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 168 – Senatsbeschluss vom 5. April 2016 – 1 B 203/16 –, juris. Der Senat hat seine seinerzeit geäußerten deutlichen Zweifel an der Vollständigkeit der erstellten elektronischen Personalakte im Kern damit begründet, dass die Beklagte dem Senat in verschiedenen Verfahren Ausdrucke von elektronischen Personalakten vorgelegt hatte, die zeitlich und thematisch völlig ungeordnet waren (OVG NRW, Beschluss vom 5. April 2016 – 1 B 203/16 –, juris, Rn. 6)). Eine solche Sachlage ist heute – namentlich auch im Falle des Klägers – längst nicht mehr gegeben. Vielmehr zeigt gerade der vorgelegte Ausdruck der elektronischen Personalakte des Klägers vom 8. Februar 2017, dass diese Akte thematisch geordnet ist und dass deswegen auch einzelne Dokumente ohne größere Schwierigkeiten aufgefunden werden können. Vor diesem Hintergrund wäre, wie bereits ausgeführt, dem Kläger auch eine Vollständigkeitsprüfung möglich gewesen.

  1. Die Berufung ist auch nicht wegen der vom Kläger geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird, und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung des Zulassungsgrundes ist die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. Ist die aufgeworfene Frage eine Rechtsfrage, so ist ihre Klärungsbedürftigkeit nicht schon allein deshalb zu bejahen, weil sie bislang nicht obergerichtlich oder höchstrichterlich entschieden ist. Nach der Zielsetzung des Zulassungsrechts ist vielmehr Voraussetzung, dass aus Gründen der Einheit oder Fortentwicklung des Rechts eine obergerichtliche oder höchstrichterliche Entscheidung geboten ist. Die Klärungsbedürftigkeit fehlt deshalb, wenn sich die als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage entweder schon auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts nach allgemeinen Auslegungsmethoden oder aber (ggf. ergänzend) auf der Basis bereits vorliegender Rechtsprechung ohne weiteres beantworten lässt (vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. Februar 2018– 1 A 2517/16 –, juris, Rn. 32, und vom 13. Oktober 2011 – 1 A 1925/09 –, juris, Rn. 31, m.w.N.). In Anwendung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nicht vor.

a) Die vom Kläger zunächst als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Rechtsfrage, „ob die Ermächtigung zur automatisierten Führung von Personalakten in § 106 Abs. 1 Satz 3 BBG über den Wortlaut hinaus auch eine Ermächtigung zur Vernichtung der dann durch elektronische Dokumente weitergeführten Papierpersonalakte enthält“, versteht der Senat angesichts des hier entscheidungserheblichen Sachverhalts präzisierend dahin, dass es nicht lediglich um eine ab einem bestimmten Zeitpunkt greifende „Weiterführung“ der Personalakte in elektronischer Form (Hybridakte), sondern um eine vollständig automatisierte Führung der Akte mit der Folge der Doppelung eines Aktenteils geht. Die so verstandene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. Sie lässt sich vielmehr schon auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts nach allgemeinen Auslegungsmethoden und im Übrigen auch in Ansehung des vorliegenden Schrifttums ohne weiteres beantworten. Zur näheren Begründung wird auf die Ausführungen oben unter dem Gliederungspunkt 1. a) verwiesen.

b) Die ferner als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage, „ob die elektronische Akte eine mangelnde Transparenz aufweist und bejahendenfalls, ob Folge dieser mangelnden Transparenz und der damit einhergehenden fehlenden Kontrollmöglichkeit auf Vollständigkeit, ein Verbot der Vernichtung der Papierpersonalakte zur Folge hat,“ ist ebenfalls nicht klärungsbedürftig. Das gilt schon deshalb, weil die dieser Frage zugrunde liegende Grundannahme mangelnder Transparenz nicht zutrifft. Es ist bereits weiter oben dargelegt worden, dass die Entscheidung der Beklagten, wie sie die elektronische Personalakte im Einzelnen ausgestaltet, in ihr Organisationsermessen fällt, und dass die von ihr gewählte thematische und hierarchische Ordnung der elektronischen Personalakte im Übrigen auch eine hinreichende Transparenz gewährleistet.

c) Die schließlich noch als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Rechtsfrage, „auf welche Weise der Dienstherr sicherstellen muss, dass die Daten der Papierakte in lesbarer und vollständiger Form übernommen werden, welche technischen Sicherungen und eventuell weitere Sicherungen hier notwendig sind, bevor die Papierakte vernichtet wird“, ist in einem Berufungsverfahren nicht entscheidungserheblich. Die konkrete Organisation des Umwandlungsprozesses fällt nämlich ersichtlich in das hier insoweit nicht normativ eingeschränkte Organisationsermessen der Antragsgegnerin. Entscheidend ist insoweit – wie bereits ausgeführt – nur, dass am Ende des Umwandlungsprozesses ein zutreffendes Ergebnis steht.

  1. Mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen zu den Zulassungsgründen nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO, mit denen auch bereits das dem Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugeordnete Zulassungsvorbringen gewürdigt worden ist, weist die Rechtssache auch keine tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Insbesondere können die Erfolgsaussichten des angestrebten Rechtsmittels danach nicht schon als offen bezeichnet werden. Das gilt auch für den Vortrag, es sei rechtlich schwierig zu beantworten, ob im Kontext der Frage der Vernichtung inzidenter die Effektivität der elektronischen Akte zu überprüfen sei. Angesichts der obigen Ausführungen liegt es auf der Hand, dass die Vernichtung der Papierpersonalakte schon dann möglich und geboten ist, wenn die Umwandlung dazu geführt hat, dass alle in dieser Akte enthaltenen, materiell zur Personalakte gehörenden Dokumente in lesbarer Form Eingang in die elektronische Personalakte gefunden haben. Die Ausgestaltung der elektronischen Personalakte im Einzelnen (etwa: chronologische oder thematische Ordnung der Dokumente) und damit auch die Frage ihrer „Effektivität“ fällt in das Organisationsermessen der Beklagten und kann sich ersichtlich nicht auf den hier in Rede stehenden Anspruch, die Vernichtung der Papierpersonalakte zu unterlassen, auswirken.

Einsicht eines Ratsmitglieds in Gewerbesteuerakten

(Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 6. November 2018 – 15 A 2638/17 –)

  1. Offenbaren im Sinne von § 30 Abs. 2 AO ist die Offenlegung eines im Zeitpunkt der Offenlegung noch bestehenden Geheimnisses, das ein Dritter (noch) nicht, nicht in diesem Umfang, nicht in dieser Form oder nicht sicher kennt. Auch ein Ratsmitglied, das nach § 55 Abs. 4 Satz 1 GO NRW Einsicht in Gewerbesteuerakten nehmen soll, ist in diesem Verständnis ein „Dritter“ (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung des Senats, Urteil vom 28. August 1997 – 15 A 3432/94 –, juris Rn. 32).
  2. Es bemisst sich allein nach den eng begrenzten Ausnahmebestimmungen des § 30 Abs. 4 AO, ob die Weitergabe von Steuerdaten im Sinne von § 30 Abs. 2 AO befugt ist.
  3. Ein zwingendes öffentliches Interesse nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO ist gegeben, wenn bei Unterbleiben der Mitteilung die Gefahr bestünde, dass schwere Nachteile für das allgemeine Wohl eintreten.

Zu den Voraussetzungen einer von einem Verstoß „betroffenen Person“ i.S.d. Datenschutzgrundverordnung

(Landgericht Wiesbaden, Urteil vom 5. November 2018 – 5 O 214/18 –)

Ein Mitbewerber ist nach den §§ 3 Abs. 1, 3a i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG weder anspruchsberechtigt noch klagebefugt. Die Datenschutzgrundverordnung enthält in den Artikeln 77-84 eine die Ansprüche von Mitbewerbern abschließende und ausschließliche Regelung.

Sachverhalt:

Die Verfügungsklägerin ist ein im Jahr 2012 gegründetes Unternehmen, welches unter der Internetadresse ein Informationsportal betreibt. Auf diesem Informationsportal stellt die Verfügungsklägerin Verbrauchern Informationen zu unterschiedlichsten Auskunfteien in Deutschland bereit. Zu diesen Informationen gehört auch eine Aufklärung darüber, dass Betroffene auf Grundlage von § 34 BDSG bzw. Art. 15 DS-GVO einen gesetzlichen Auskunftsanspruch gegen die Auskunfteien haben, Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten personenbezogenen Daten zu erhalten. Zum Angebot der Verfügungsklägerin gehört es, dass der Nutzer der Internetseite einen entsprechenden Antrag auf Auskunft nach Art. 15 DS-GVO selbst ausfüllen und generieren kann. Diesen ausgefüllten Antrag kann der Nutzer anschließend herunterladen und ausdrucken und an die entsprechende Auskunftei bzw. an die Verfügungsbeklagte übersenden, um eine kostenfreie Auskunft nach Art. 15 DS-GVO zu erhalten.

Daneben bietet die Verfügungsklägerin den Nutzern aber auch einen Versandservice an. Nehmen die Nutzer diesen in Anspruch, müssen sie den Antrag nach Art. 15 DS-GVO nicht selbst an die Auskunftei bzw. die Verfügungsbeklagte übersenden, sondern die Verfügungsklägerin übernimmt dies für sie und berechnete hierfür eine Servicepauschale von einmalig 9,95 € oder 14,90 € im Jahresabo.

Die Verfügungsbeklagte ist eine privatwirtschaftliche Wirtschaftsauskunftei in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Ihr Geschäftszweck ist es, ihre Vertragspartner mit Informationen zur Bonität (Kreditwürdigkeit) Dritter zu versorgen. Die Verfügungsbeklagte erteilt ihren Kunden kostenpflichtig auf Basis unterschiedlicher Geschäftsmodelle Auskunft. Ein Score bringt die Wahrscheinlichkeitseinschätzung des Beklagten zum Ausdruck. Die Verfügungsbeklagte ermittelt für jede betroffene Person standardmäßig verschiedene Scores zu verschiedenen Lebenssachverhalten und Branchen. Daher errechnet die Verfügungsbeklagte unterschiedliche Branchenscores, wie den Basisscore, den tagesaktuellen SCHUFA Branchenscore und den historisch übermittelten SCHUFA Score. Insoweit wird wegen der näheren Einzelheiten auf Seite 3 und 4 der Schutzschrift der Verfügungsbeklagten vom 7. September 2018 (Bl. 22 der Akte) Bezug genommen.

Vor dem Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) war die Verfügungsbeklagte nach § 34 BDSG verpflichtet, den Betroffenen einmal pro Jahr auf Aufforderung Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten zu erteilen („Selbstauskunft“). Unter der Geltung des §§ 34 BDSG hat die Verfügungsbeklagte umfassend Auskunft erteilt über die vorhandenen Daten, insbesondere sämtliche „Branchenscores“, inklusive der jeweiligen Scorewerte, Ratingstufe, Erfüllungswahrscheinlichkeit und Risikobewertungen. Der Basisscore, der nicht an Dritte übermittelt wird, gibt die allgemeine Bonitätseinschätzung der Verfügungsbeklagten über die betroffene Person wieder. Der tagesaktuelle SCHUFA Branchenscore wird von der Verfügungsbeklagten nur auf eine konkrete Anfrage der betroffenen Person tagesaktuell – unabhängig davon, ob es eine konkrete Kreditwürdigkeitsprüfung gegeben hat – im Rahmen von Selbstauskunftsersuchen der betroffenen Person errechnet. Es handelt sich quasi um einen hypothetischen Wert, der nur im Rahmen von Selbstauskunftsersuchen errechnet wurde. Der historische übermittelte SCHUFA Score bezeichnet die anlassbezogenen im Rahmen einer Kreditwürdigkeitsprüfung an potenzielle Kreditgeber übermittelten Scores, die von der Verfügungsbeklagten gespeichert worden sind. Gespeicherte Informationen sind nicht tagesaktuell, sondern bleiben als historische Informationen der betroffenen Person verfügbar. Nach der alten Rechtslage unter dem Bundesdatenschutzgesetz enthielt die kostenlose Selbstauskunft nach § 34 BDSG alle 3 genannten Scorearten, da dies den Anforderungen des §§ 34 Abs. 4 BDSG entsprach.

Seit Geltung der DS-GVO vom 25. Mai 2018 wird der tagesaktuelle SCHUFA Branchenscore nicht mehr im Rahmen des gesetzlichen Selbstauskunftsanspruchs beauskunftet. Der Basisscore sowie die vorhandenen historisch übermittelten SCHUFA Scores sind noch Bestandteil der Auskunft. Die kostenlose Datenkopie nach Art. 15 DS-GVO wird von der Verfügungsbeklagten grundsätzlich schriftlich erteilt.

Die Verfügungsklägerin hat mit anwaltlichem Schreiben vom 3.9.2018 die Verfügungsbeklagte aufgefordert, es ab sofort zu unterlassen, unvollständige Auskünfte nach Art. 15 Buchst. DS-GVO zu erteilen und die Auskünfte lediglich in Papierform anzubieten. Die Verfügungsbeklagte ließ mit anwaltlichem Schreiben vom 7.9.2018 mitteilen, dass sie keine Unterlassungsverpflichtungserklärung in dieser Sache abgeben wird, und wies die Ansprüche der Verfügungsklägerin zurück.

Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, dass durch die Datenschutzgrundverordnung der Auskunftsanspruch des Betroffenen in Art. 15 DS-GVO neu gefasst worden ist und die Verfügungsbeklagte als datenverarbeitende Stelle verpflichtet ist, sowohl den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, ihren Antrag auf Auskunft elektronisch zu stellen, als auch auf elektronischem Wege eine Auskunft zu erteilen. Zudem müsse die Auskunft unverzüglich erfolgen. Schließlich könne ein Betroffener den Anspruch jederzeit geltend machen und nicht nur einmal jährlich.

Nunmehr erteile die Verfügungsbeklagte die Auskünfte nur noch teilweise, nämlich lediglich unter Angabe eines „Basisscores“. Die einzelnen Branchenscores würden nicht mehr beauskunftet werden. Die Branchenscores halte die Verfügungsbeklagte weiterhin zum Abruf bereit, jedoch nur im Rahmen einer kostenpflichtigen Anfrage. Im Übrigen halte die Verfügungsbeklagte die Auskünfte nach Art. 15 DS-GVO nur auf Papier bereit. Sie stelle die Information auch nicht in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung, wenn eine betroffene Person den Antrag elektronisch gestellt hat. Eine Identifizierung könnte anhand des Personalausweises erfolgen oder dadurch, dass die Verfügungsbeklagte einen Zugangscode per Post dem Verfügungskläger schickt und dass anhand dieses Verifizierungscodes er dann auf die Daten zugreifen könne. Der Gesetzestext sei eindeutig, so dass kein Spielraum für eine Auslegung eröffnet sei. Art. 15 DS-GVO sei zu Art. 12 DS-GVO lex specialis und gehe deshalb vor und beziehe sich nicht nur auf die Entgeltpflicht. Es sei eindeutig geregelt, dass eine elektronische Auskunft zu erfolgen habe. Art. 12 Abs. 6 DS-GVO sei eine Ausnahmeregelung für den Fall, dass nur bei berechtigten Zweifeln eine Identitätsprüfung vorzunehmen sei.

Es bestünden keine unwägbare Risiken für die Verfügungsbeklagte, wenn ein Zivilgericht im Rahmen der Prüfung eines Unterlassungsanspruches eine andere Auffassung zu der Übermittlung der Daten auf elektronischem Weg gewinne als die Datenschutzkonferenz. Dies sei dem Prinzip der Gewaltenteilung schuldet. Es sei das Interesse der Verfügungsklägerin, dass die Auskunft ohne Medienbruch erfolge, da die elektronische Übermittlung der Daten die Verarbeitung und Abarbeitung durch die Verfügungsklägerin vereinfachen würde.

Die Verfügungsklägerin habe gegen die Verfügungsbeklagte einen Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. Art. 15 DS-GVO. Sie habe ein Recht auf eine umfassende Kopie der personenbezogenen Daten. Es komme nicht darauf an, ob die Scorewerte bereits errechnet und gespeichert vorliegen oder aufgrund des Algorithmus und der gespeicherten personenbezogenen Daten jederzeit errechnet werden können. Die Art der Vorhaltung der Daten (Scores auf Anfrage) dürfe nicht zu einer Umgehung des Auskunftsrechts führen. Der Betroffene muss auf seinen Antrag nach Art. 15 DS-GVO hin Auskunft erhalten, welche Daten die Verfügungsbeklagte gegebenenfalls auf Anfrage hin vorhält, denn diese sind Gegenstand der Verarbeitung. Die Verfügungsbeklagte habe über alle personenbezogenen Daten, die zum Zeitpunkt der Anfrage vorhanden sind, Auskunft zu erteilen. Durch die DS-GVO sei keine Absenkung des Schutzniveaus einhergegangen. In § 34 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 und 2 BDSG sei ausdrücklich geregelt gewesen, dass Daten, deren Personenbezug erst bei der Berechnung hergestellt werden, ebenfalls zu beauskunften seien. Auch nach der neuen Rechtslage müsse eine Auskunft auf Basis von Art. 15 DS-GVO so ausgelegt werden. Aus den Erwägungsgründen zu 6, 9 und 10 der DS-GVO sei ersichtlich, dass ein hohes Schutzniveau von der Verordnung angestrebt werde. Einer besonderen Regelung hinsichtlich errechenbarer Scorewerte bedürfe es daher nicht. Es seien nicht nur die bei einer Stelle gespeicherten, sondern sämtliche von ihr irgendwie verarbeiteten Daten zu beauskunften, insoweit wird auf den Begriff der Verarbeitung gemäß Art. 4 Nr. 2 DS-GVO Bezug genommen.

Mit Art. 8 Abs. 1 Grundrechtscharta, Art. 16 Abs. 1 Buchst. a EU V, Art. 1 Abs. 2 DS-GVO wäre es nicht vereinbar, das Auskunftsrecht dahin auszulegen, dass bei der datenverarbeitenden Stelle bereits zum Abruf bereitgehaltene und damit vorhandene Daten nicht beauskunftet werden müssen. Art. 15 Abs. 3 S. 3 Buchst. DS-GVO bestimme nach seinem eindeutigen Wortlaut, dass die Informationen in einem elektronischen Format zur Verfügung zu stellen sind. Die Wiederholungsgefahr sei gegeben, da sich die Verfügungsbeklagte geweigert habe, eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben. Er habe keine Leistungsverfügung beantragt, sondern eine Unterlassungsverfügung, und demzufolge komme es nicht auf die Frage eines existenziellen Gläubigerinteresses an. Der Verfügungsgrund ergebe sich aus § 12 Abs. 2 UWG.

Der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin hole eine Auskunft zu seiner eigenen Person auf seinen eigenen Namen regelmäßig bei der Verfügungsbeklagten ein. Als er dann die Auskunft bekommen habe, hätte er festgestellt, dass „ja die Hälfte“ fehle, und habe daraufhin recherchiert. Erst in diesem Zusammenhang habe er sich die Webseite der Verfügungsbeklagten angeschaut. In diesem Zusammenhang habe er auch gesehen, dass die Auskunft auf Papier erteilt werde und nicht, wie vom Gesetz vorgesehen, auf elektronischem Weg.

Die Verfügungsklägerin beantragt:

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen an ihren gesetzlichen Vertretern, – untersagt, im geschäftlichen Verkehr

  1. Auskünfte nach Art. 15 DS-GVO zu erteilen, ohne über sämtliche Scores der jeweils betroffenen Person zu informieren, welche durch die Antragsgegnerin jederzeit auf Grundlage vorhandener Datensätze und eines vorhandenen Algorithmus generiert werden können, insbesondere wenn diese von ihr zur entgeltlichen Abfrage bereitgehalten werden;
  2. Auskünfte nach Art. 15 DS-GVO lediglich in Papierform zu erteilen, soweit die betroffene Person den Antrag elektronisch stellt und nichts anderes angibt.

Die Verfügungsbeklagte beantragt:

Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, dass die Erteilung der Datenkopie nach Art. 15 DS-GVO in Schriftform zu erfolgen habe, da die Identität einer eine Datenkopie beantragenden Person nicht zweifelsfrei festgestellt werden könne. Durch den postalischen Versand stelle die Verfügungsbeklagte sicher, dass die sensiblen personenbezogenen Daten nur der betroffenen Person zur Verfügung gestellt werden, zu der sie in ihrem Datenbestand einen passenden Datensatz gefunden hat. Damit erhalte immer die betroffene Person die Selbstauskunft, deren Daten angegeben waren – auch in den Fällen, in denen dieses missbräuchlich durch einen Dritten geschehen sei. Die von der Verfügungsklägerin vorgelegte Anl. A8 belege, dass der Absender frei wählbar eingetragen werden könne, und damit eine verlässliche Identifizierung des Antragstellenden nicht möglich sei.

Die Verfügungsbeklagte stünde in engem Kontakt zu der Datenschutzaufsichtsbehörde und mit dem hessischen Datenschutzbeauftragten und der Datenschutzkonferenz, insbesondere auch der Arbeitsgruppe Auskunfteien. Man habe sich bereits im Jahr 2016 über die Thematik der Sicherstellung einer sicheren Identifizierung des Betroffenen ausgetauscht und sei übereingekommen, dass in jedem Fall die sichere Identifizierung Vorrang haben müsse. Demzufolge sei die Übermittlung auf postalischem Wege die derzeit praktizierte Übermittlungsart, um sicherzustellen, dass nur die betroffene Person den Inhalt der sogenannten Selbstauskunft erhält. Es bestehe keine Pflicht zur Erteilung einer Auskunft in einem elektronischen Format. Art. 12 Abs. 3 S. 4 DS-GVO formuliere selbst „nach Möglichkeit“ auf elektronischem Weg. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sei dann möglich, wenn eine besondere Gefährdungslage eine postalische Zusendung erfordere. Eine ausschließlich elektronische Kommunikation sei unsicher, weil eine zweifelsfreie Identifizierung über den elektronischen Weg nicht möglich sei. Diese Ausnahme gelte insbesondere bei Wirtschaftsauskunftsgesellschaften wie der Verfügungsbeklagten. Diese hätten in der Regel keinen unmittelbaren Kontakt zu der betroffenen Person, sondern erhielten ihre Daten über Dritte. Im Sinne der Sicherung der Vertraulichkeit sei es daher angemessen, Selbstauskünfte nach Art. 15 DS-GVO ausschließlich an postalische geprüfte Adressen zu versenden.

Im Rahmen der aktuellen Diskussion mit den beteiligten Datenschutzaufsichtsbehörden sei die Überlegung angestellt worden, dass man zukünftig eine „Postschleife“ einbindet, d.h., dass man den postalischen Versand beibehält, aber die Selbstauskunft mit einem Zugangscode versieht, der es dem Betroffenen ermöglicht, nachdem er die postalische Selbstauskunft erhalten hat, nochmals auf elektronischem Weg in den Datenbestand, der seine Person betrifft, Einsicht zu nehmen.

Die einstweilige Verfügung sei grundsätzlich ausgeschlossen, da die Verfügungsklägerin konkrete Handlungen im Wege der Leistungsverfügung von der Verfügungsbeklagten verlange, die eine Vorwegnahme der Hauptsache zur Folge hätten. Beide Anträge seien auf ein aktives Handeln der Verfügungsbeklagten gerichtet und nicht auf ein Unterlassen. Ein Handlungsanspruch als Verfügungsanspruch komme nicht in Betracht, wenn damit nicht wieder gutzumachende Verhältnisse geschaffen werden und damit die Hauptsache vorweggenommen wird.

Im Übrigen sei anerkannt, dass eine einstweilige Verfügung auf Erteilung von Auskunftsansprüchen ausgeschlossen sei (OLG Köln GRUR-RR 2003, 296). Im Rahmen der Interessenabwägung müsse berücksichtigt werden, dass die Schutzinteressen der Betroffenen bei der Abwägung einzustellen seien und nicht das Interesse der Verfügungsklägerin an einem reibungslosen Abarbeiten der ihr vorliegenden Anfragen ohne Medienbruch. Auch sei zu berücksichtigen, dass man der Verfügungsbeklagten im Falle des Erlasses der begehrten Leistungsverfügung ein Risiko aufbürden würde, sich gegenüber den Betroffenen schadensersatzpflichtig zu machen, wenn die verlässliche Identifizierung des Antragstellers entfiele. Der Erlass einer Leistungsverfügung würde die Verfügungsbeklagte in Widerspruch zu der mit den maßgeblichen Aufsichtsbehörden vereinbarten Vorgehensweise bei der Selbstauskunft setzen, da sie bei Befolgung einer etwaigen Leistungsverfügung sich in Widerspruch zu den in den einschlägigen Arbeitsgruppen vereinbarten Vorgehensweisen setzen müsste.

Im Übrigen ergebe sich aus der Anlage A8, dass der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin vom Inhalt der Webseite bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung am 23.8.2018 Kenntnis hatte. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung beziehe sich auf die Auskunft, die auf der Webseite erteilt wird, und nicht die Auskunft, die als Folge der E-Mail vom 21.7.2018 von der Verfügungsbeklagten erteilt worden sei. Insoweit wird wegen der näheren Einzelheiten auf Seite 10 der Antragsschrift Bezug genommen. Die Verfügungsbeklagte rügt die fehlende Glaubhaftmachung des Vortrages der Verfügungsklägerin, dass erstmals der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin Kenntnis davon erlangt habe, dass die Auskunft auf Papier erteilt werde und nicht auf elektronischem Wege.

Es fehle an einem Wettbewerbsverstoß, da die von der Klägerin behaupteten Verstöße gegen Art. 15 DS-GVO nicht vorlägen. Streitig sei schon, ob Verstöße gegen die DS-GVO überhaupt den Rechtsbruchtatbestand des § 3 Buchst. a UWG erfüllen könnten. Es fehle aber auch an einem Verstoß gegen die Vorschriften der DS-GVO. Die Auskunftsverpflichtung nach Art. 15 DS-GVO unterscheide sich von der ehemaligen Vorschrift des § 34 BDSG im Wesentlichen. Die Vorschrift des § 34 Abs. 4 BDSG sei durch die DS-GVO ersatzlos entfallen. Dementsprechend bedürfe es zur Erfüllung der gesetzlichen Auskunftsansprüche keiner Berechnung des tagesaktuellen SCHUFA-Branchenscores. Dieser sei ein tagesaktueller Score, der nach der Neuregelung der DS-GVO gerade nicht mehr bei der Auskunftserteilung extra berechnet werden müsse.

Die Auslegung der Datenschutzgrundverordnung dürfe sich nicht an der überholten deutschen Rechtslage zu § 34 BDSG orientieren, da mit der Datenschutzgrundverordnung ein einheitliches Datenschutzrecht für die gesamte EU geschaffen werden sollte. Dann könne sich aber eine Auslegung dieser Datenschutzgrundverordnung nicht an dem Datenschutzniveau der Bundesrepublik Deutschland orientieren, sondern an den Maßstäben, die in sämtlichen EU-Ländern vorgelegen hätten. Bereits die Schaffung des § 34 Abs. 4 BDSG sei als nachträgliche Regelung umstritten gewesen, da sie teilweise als europarechtswidrig angesehen wurde. Die mit § 34 Abs. 4 BDSG vorgesehene Auskunft auf eine Berechnung sei als Fremdkörper im Datenschutzrecht angesehen worden. Diese Regelung habe auch nur für Auskunfteien gegolten. Demgegenüber habe Art. 15 DS-GVO den Anspruch, für alle Bereiche zu gelten, bis hin zur öffentlichen Verwaltung. Daraus folge, dass der europäische Verordnungsgeber sich von der nationalen Besonderheit des § 34 Abs. 4 BDSG gelöst habe. Nicht jede denkbare Konstellation könne für einen Branchenscore berechnet werden, da sich die Auskunftssituation je nach Branche ändere.

Die Verfügungsbeklagte betreibt gegen die Verfügungsklägerin ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz sowie ein Hauptsacheverfahren wegen marken- und wettbewerbsrechtlicher Verstöße auf der Internetseite, die jeweils vor dem Landgericht München I anhängig bzw. rechtshängig sind.

Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die zur Gerichtsakte gereicht wurden, Bezug genommen.

Aus den Gründen:

Der Antrag auf Erlass einer Unterlassungsverfügung, gerichtet darauf, dass der Verfügungsbeklagten untersagt wird im geschäftlichen Verkehr

  1. Auskunft nach Art. 15 DS-GVO zu erteilen, ohne über sämtliche Scores der jeweils betroffenen Person zu informieren, welche durch die Verfügungsbeklagte jederzeit auf Grundlage vorhandener Datensätze oder eines vorhandenen Algorithmus generiert werden können, insbesondere wenn diese von ihr zur entgeltlichen Abfrage bereitgehalten werden;
  2. Auskünfte nach Art. 15 DS-GVO lediglich in Papierform zu erteilen, soweit die betroffene Person den Antrag elektronisch stellt und nichts anderes angibt,

ist unbegründet.

Es kann offenbleiben, ob die von der Verfügungsklägerin beantragte einstweilige Verfügung als Leistungsverfügung oder als Unterlassungsverfügung zu qualifizieren ist und ob und inwieweit die besonderen Voraussetzungen einer Leistungsverfügung vorliegen müssen oder nicht. Die aufgeworfenen Fragen können deshalb offenbleiben, weil der Verfügungsklägerin als Mitbewerberin nach den §§ 3 Abs. 1, 3a i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG weder anspruchsberechtigt noch klagebefugt ist.

Der Gesetzgeber hat in Kapitel 8 (Rechtsbehelfe, Haftung und Sanktionen) der Datenschutzgrundverordnung eingehend geregelt, wie die Datenschutzbestimmungen durchzusetzen sind. Im Mittelpunkt steht dabei die von einem Verstoß „betroffene Person“. Sie kann sich mit einer Beschwerde an die zuständige Aufsichtsbehörde wenden (Art. 74, 78 DS-GVO), die dann ihrerseits tätig wird. Die betroffene Person hat aber auch nach Art. 79 DS-GVO selbst das „Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf“, wenn sie der Ansicht ist, dass ihre Rechte aus der Datenschutzgrundverordnung verletzt worden sind. Die betroffene Person kann nach Art. 82 DS-GVO Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens verlangen.

Nach Art. 80 Abs. 1 DS-GVO ist die betroffene Person ferner berechtigt, „Organisationen“ und „ähnlichen Einrichtungen, die bestimmte Anforderungen erfüllen“ zu beauftragen, in ihrem Namen ihre Rechte, unter anderem aus Art. 79 DS-GVO, wahrzunehmen. Art. 80 Abs. 2 DS-GVO enthält eine sogenannte Öffnungsklausel zugunsten der Mitgliedstaaten. Sie können vorsehen, dass jede der in Art. 80 Abs. 1 DS-GVO genannten „Organisationen“ unabhängig von einem Auftrag der betroffenen Person das Recht hat, deren Rechte aus Art. 77-79 DS-GVO in Anspruch zu nehmen, wenn nach ihrer Ansicht deren Rechte verletzt worden sind. Diese Regelung ist nicht unumstritten, weil damit letztlich Dritte über das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Personen verfügen.

Von einer entsprechenden Befugnis des Mitbewerbers des Verletzers, die Rechte der betroffenen Person ohne deren Zustimmung wahrzunehmen, ist in Art. 80 Abs. 2 DS-GVO nicht die Rede. Es wird die Frage diskutiert, ob die Durchsetzungsregelungen der DS-GVO eine abschließende unionsrechtliche Regelung darstellen oder ob im jeweils nationalen Recht Erweiterungen zulässig sind. Es geht darum, ob der nationale Gesetzgeber über die Öffnungsklausel des Art. 80 Abs. 2 DS-GVO hinaus zusätzliche Durchsetzungsregelungen aufstellen darf.

Vor allem wird diskutiert, ob die Gerichte wegen eines Vorrangs des Unionsrechts daran gehindert sind, bestehende Regelungen des deutschen Rechts anzuwenden, die zusätzliche Rechtsbehelfe gewähren könnten. Im Rahmen der Anwendung des § 3 Buchst. a UWG wird die Ansicht vertreten, die Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung seien Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3 Buchst. a UWG, und dementsprechend seien auch Mitbewerber des Verletzers nach § 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 UWG berechtigt, gegen Verstöße vorzugehen (vergleiche Wolff ZD 2018, 248).

Diese Ansicht verkennt, dass § 3 Buchst. a UWG dann nicht anwendbar ist, wenn die betreffende Regelung in der Datenschutzgrundverordnung die Rechtsfolgen eines Verstoßes abschließend regelt, was wiederum durch Auslegung festzustellen ist (vergleiche im Einzelnen Köhler ZD 2018, 337 ff.). Eine solche abschließende Regelung gegenüber § 3 Buchst. a UWG stellen, so Köhler und Barth (Köhler ZD 2018, 337 ff.; Barth WRP 2018, 790), die Art. 70 ff. Datenschutzgrundverordnung dar. Diese Ansicht beruft sich auf den allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts, dass Ausnahmeregelungen, wie hier Art. 80 Abs. 2 DS-GVO, eng auszulegen sind (ständige Rechtsprechung: EuGH WRP 2015, 1206, Rn. 54) und dementsprechend nicht über den Wortlaut hinaus erweitert werden dürfen.

Die Autoren schließen aus dem Umstand, dass der Unionsgesetzgeber nicht schon jedem Verband ein Recht zur Wahrnehmung der Rechte einer betroffenen Person ohne deren Auftrag einräumt, sondern dafür ganz konkrete Anforderungen aufstellt, dass der Unionsgesetzgeber keine Erstreckung dieser Befugnis auf Mitbewerber des Verletzers zulassen wollte. Hätte der Unionsgesetzgeber dies gewollt, so hätte es nahegelegen, dass er eine dem Art. 11 Abs. 1 RL 2005/29/EG („einschließlich Mitbewerbern“) entsprechende Durchsetzungsregelung eingeführt hätte.

Köhler unterstreicht diese Argumentation durch die Herausarbeitung der unterschiedlichen Schutzzweckbestimmung der DS-GVO auf der einen Seite und dem UWG auf der anderen Seite. Die Datenschutzgrundverordnung schützt „die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen, insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten“. Insoweit wird auf Art. 1 Abs. 2 DS-GVO Bezug genommen. Damit bringe die Datenschutzgrundverordnung klar zum Ausdruck, dass es um den Individualschutz der Betroffenen geht, vergleichbar dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes nach den §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog.

Demgegenüber stehe die Konzeption des UWG. Dieses Gesetz dient „dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen“. Insoweit wird auf § 1 S. 1 UWG Bezug genommen. Die gesetzliche Konzeption der Datenschutzgrundverordnung hat mit der dargestellten Regelung in Kapitel VIII primär die Rechtsdurchsetzung bei den Aufsichtsbehörden angesiedelt, während § 8-10 UWG die Durchsetzung des Lauterkeitsrechts vollständig der privaten Initiative überlässt.

Daraus folgt, dass einem Mitbewerber nach den §§ 3 Abs. 1, 3a UWG in Verbindung mit § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG die Klagebefugnis fehlt.

Diese vornehmlich in der Literatur vertretene Ansicht findet ihre Bestätigung in der Entscheidung des Landgerichtes Bochum (Landgericht Bochum (12. Zivilkammer), Teilversäumnis- und Schlussurteil vom 7.8.2018 – I – 12 O 85/18 zitiert nach Beck RS 2018, 25219). Das Landgericht Bochum hat ausgeführt, dass dem Verfügungskläger eine Klagebefugnis nicht zusteht, weil die Datenschutzgrundverordnung in den Artikeln 77-84 eine die Ansprüche von Mitbewerbern abschließende und ausschließliche Regelung enthält.

Das Landgericht Bochum hat sich der Ansicht von Köhler mit dem Argument angeschlossen, dass die Datenschutzgrundverordnung eine detaillierte Regelung des anspruchsberechtigten Personenkreises enthält. Danach steht nicht jedem Verband ein Recht zur Wahrnehmung der Rechte einer betroffenen Person zu, sondern nur bestimmten Einrichtungen, Organisationen und Vereinigungen ohne Gewinnerzielungsabsicht unter weiteren Voraussetzungen. Hieraus sei zu schließen, dass der Unionsgesetzgeber eine Erstreckung auf Mitbewerber des Verletzers nicht zulassen wollte.

Diese Ansicht überzeugt, da keine Rechtsschutzlücke besteht. Vor dem Hintergrund, dass keine Rechtsschutzlücke im Bereich der Datenschutzgrundverordnung besteht, muss sie auch nicht durch eine Anwendung des § 3 Buchst. a UWG geschlossen werden.

An diese Überlegungen knüpft die Bundesratsinitiative des Freistaats Bayern an, wonach zur Anpassung zivilrechtlicher Vorschriften an die Datenschutzgrundverordnung ein Gesetzesantrag in den Bundesrat eingebracht worden ist (Bundesratsdrucksache 304/18 vom 20.6.2018), woraus sich ableiten lässt, dass eine Klagebefugnis eines angeblichen Mitbewerbers ausscheiden soll, da ihm bereits eine Abmahnungsmöglichkeit verwehrt wird.

Es ist streitig, ob die fehlende Anspruchsberechtigung und fehlende Klagebefugnis zur Abweisung der Klage als unzulässig oder als unbegründet führt, doch handelt es sich bei der Anspruchsberechtigung um eine Frage der Aktivlegitimation und damit um eine Prüfung im Rahmen der Begründetheit der Klage, sodass die Klage auf Erlass einer einstweiligen Verfügung als unbegründet abzuweisen war.