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Kurzbeitrag : Praxisfälle zum Datenschutzrecht XXI: Der bewertete Arzt : aus der RDV 2/2023, Seite 109 bis 113

Lesezeit 14 Min.

I. Sachverhalt

P betreibt ein Internetportal, das die Suche nach und die Bewertung von Ärzten ermöglicht. Zu jedem Arzt wird – auch ohne dessen Veranlassung – auf der Webseite auf der Grundlage von öffentlich zugänglichen Daten ein sog. „Basis-Profil“ vorgehalten, in dessen Rahmen Name, ggf. akademischer Grad, Fachrichtung sowie Anschrift und Telefonnummer der Praxis aufgeführt werden. P bietet Ärzten und Trägern anderer Heilberufe zwei entgeltliche „Premium-Pakete“ an, mit denen sie ihr Profil mit einem Portraitfoto, weiteren Bildern und zusätzlichen Informationen versehen können.

Alle Profile sind für jeden Internetnutzer ohne vorherige Registrierung einsehbar. Den Nutzern wird die Möglichkeit geboten, die Leistungen der verzeichneten Ärzte auf deren jeweiligen Profilen anonym zu bewerten. Die Bewertungen können in Form von Freitextkommentaren und/oder durch Vergabe von Noten in 17 festgelegten Kategorien vorgenommen werden. Gesamtnoten, Einzelnoten und Freitextkommentare werden auf den Profilen der Ärzte eingeblendet.

Arzt A ist in dem System mit seinen Praxisdaten und Bewertungen von Patienten veröffentlicht. Einige Bewertungen enthalten Aussagen über die mangelnde Qualifikation des Arztes. Die Begründungen dieser Negativbewertungen reichen von mangelnder Zeit für Patientengespräche bis hin zu Fehldiagnosen.

A verlangt von P die Löschung seiner personenbezogenen Daten sowie Unterlassung der Veröffentlichung eines zu seiner Person angelegten Profils auf dem Ärztebewertungsportal.

Stehen A die geltend gemachten Ansprüche zu?[1]

II. Musterlösung

1. Anspruch auf Datenlöschung

A könnte gegenüber P einen Anspruch auf Löschung der ihn betreffenden Daten aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO haben.

a) Löschung wegen unrechtmäßiger Verarbeitung

Als Löschgrund kommt insofern zunächst Art. 17 Abs. 1 lit. d) DS-GVO in Frage. Hiernach hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und der Verantwortliche ist verpflichtet, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, sofern die betreffenden Informationen unrechtmäßig verarbeitet wurden.

Damit der Anspruch bejaht werden kann, müsste einerseits die DS-GVO auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar und andererseits die Speicherung der Daten über A in dem Bewertungssystem des P unzulässig sein. Kein Löschungsanspruch besteht hingegen, sofern die Daten nach den Erlaubnisnormen der DS-GVO auch gegen den Willen von A gespeichert werden dürfen.

Hinsichtlich der räumlichen Anwendbarkeit der DS-GVO gemäß Art. 3 ergeben sich vorliegend keine Bedenken. Auch die Voraussetzungen der sachlichen Anwendbarkeit (Art. 2 DS-GVO) sind grundsätzlich erfüllt, denn bei den im Bewertungsportal gespeicherten „Basisdaten“ über A handelt es sich unzweifelhaft um personenbezogene Daten i.S.d. Legaldefinition in Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. Die Verarbeitung der Daten erfolgt auch in einer Form i.S.v. Art. 2 Abs. 1 DS-GVO, nämlich automatisiert.

Das sog. Medienprivileg (Art. 85 DS-GVO) steht der Anwendbarkeit der DS-GVO nicht entgegen.[2] Dieses verfolgt den Zweck, bestimmte grundrechtlich geschützte Tätigkeiten, die darauf angewiesen sind, personenbezogene Daten ohne Einwilligung des Betroffenen zu verarbeiten, von der Anwendung zentraler DS-GVO-Regelungen zu entbinden, damit die Ausübung der grundrechtlich geschützten Tätigkeit nicht behindert wird.[3] Geschützt wird über Art. 85 DS-GVO etwa die freie journalistische Recherche, die gerade bei einem investigativen Vorgehen darauf angewiesen ist, personenbezogene Daten auch ohne Einwilligung des Betroffenen zu offenbaren.[4] Das Medienprivileg bezieht sich dabei im Grundsatz auch auf Onlineveröffentlichungen. Sein Eingreifen setzt allerdings eine journalistisch-redaktionelle Bearbeitung der veröffentlichten Texte voraus, die vorliegend nicht stattfindet.[5]

Die DS-GVO ist nach alledem auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar.

Die DS-GVO ist nach alledem auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar.

Fraglich ist, ob die Speicherung der „Basisdaten“ von A durch P in dem Onlineportal unrechtmäßig erfolgt ist.

Damit eine Verarbeitung personenbezogener Daten, wozu nach der Legaldefinition in Art. 4 Nr. 2 DS-GVO auch die Speicherung der Daten zählt, rechtmäßig ist, muss diese mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf Basis einer sonstigen zulässigen Rechtsgrundlage erfolgen, vgl. ErwG 40 DS-GVO.

Eine Einwilligung ist vorliegend nicht gegeben, vielmehr lehnt der betroffene A die Speicherung der Informationen in dem Onlineportal gerade ab. Zu prüfen ist, ob sich vorliegend ggf. eine gesetzliche Erlaubnis für die Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DS-GVO (sog. Interessenabwägung) ergibt. Nach dieser Regelung ist eine Verarbeitung personenbezogener Daten gestattet, sofern diese erforderlich ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten und nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.

Mit der im Sachverhalt beschriebenen Datenverarbeitung nimmt P sowohl eigene berechtigte Interessen als auch berechtigte Interessen der Nutzer seines Portals wahr.[6] Mit dem von ihm betriebenen Bewertungsportal und der (möglichst) vollständigen Aufnahme aller Ärzte verschafft P der das Portal nutzenden Öffentlichkeit einen geordneten Überblick darüber, von wem und wo welche ärztlichen Leistungen angeboten werden. Mit der Sammlung, Speicherung und Weitergabe der Bewertungen vermittelt er der Öffentlichkeit darüber hinaus einen Einblick in persönliche Erfahrungen und subjektive Einschätzungen von Patienten des jeweiligen Arztes, die der jeweilige Leser bei der Arztwahl berücksichtigen kann. Das Interesse von P an dem Betrieb des Portals fällt damit zunächst in den Schutzbereich von Art. 11 Abs. 1 („Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit“) der hier maßgebenden[7] Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh). Denn schon nach seinem Wortlaut schützt Art. 11 GRCh nicht nur die Äußerung der eigenen Meinung, sondern auch die Weitergabe fremder Meinungen und Informationen. Darüber hinaus gehört der Portalbetrieb, mit dem P eine von der Rechtsordnung grundsätzlich gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion erfüllt, gerade auch in seiner Ausprägung als Geschäftsmodell zur von Art. 16 GRCh („Unternehmerische Freiheit“) geschützten gewerblichen Tätigkeit von P. Die mit dem Portal verbundene Verarbeitung von personenbezogenen Ärztedaten erfolgt also im berechtigten Interesse von P. Berechtigte Nutzerinteressen nimmt P durch den Portalbetrieb insofern wahr, als er aktiven Nutzern die von Art. 11 Abs. 1 GRCh geschützte Abgabe und Verbreitung einer Meinung ermöglicht und passiven Nutzern die – ebenfalls von Art. 11 GRCh erfasste – Möglichkeit verschafft, von den Meinungen Kenntnis zu nehmen.

Für den Betrieb des Bewertungsportals ist die von P vorgenommene Verarbeitung der personenbezogenen Daten der im Portal – möglichst vollständig – gelisteten Ärzte unabdingbar. Ohne hinreichende Identifizierbarkeit der Ärzte wäre ein solches Portal weder in der Lage, den Portalnutzern einen Überblick über infrage kommende Ärzte zu verschaffen, noch, diese von den Nutzern des Portals bewerten zu lassen. Die im Rahmen der „Basis-Profile“ dargestellten Informationen erfüllen diesen Zweck und gehen über das insoweit unbedingt Notwendige nicht hinaus.

Schließlich überwiegen vorliegend die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten von A auch nicht die dargestellten berechtigten Interessen von P sowie der Nutzer seines Portals.

Im Rahmen der nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DS-GVO vorzunehmenden Abwägung sind zugunsten von A außer dem Recht auf Schutz seiner personenbezogenen Daten (Art. 8 GRCh) die nicht unerheblichen Gefahren für seinen sozialen und beruflichen Geltungsanspruch (Art. 7 GRCh) sowie den wirtschaftlichen Erfolg seiner selbstständigen Tätigkeit (Art. 16 GRCh) zu berücksichtigen, die die Aufnahme in das Bewertungsportal mit sich bringen kann. Die Bewertungen können die Arztwahl behandlungsbedürftiger Personen beeinflussen, sich dadurch unmittelbar auf den Wettbewerb auswirken und im Falle von negativen Bewertungen sogar die berufliche Existenz gefährden. Schließlich ist nicht ausgeschlossen, dass das Portal missbraucht wird, um unwahre, beleidigende oder sonst unzulässige Aussagen bezüglich eines Arztes ins Netz zu stellen, auch wenn der jeweilige Arzt dem nicht schutzlos ausgeliefert ist[8] und die Bewertungen nur die berufliche Tätigkeit des Arztes betreffen, also einen Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht. In seinem beruflichen Bereich muss sich der selbstständig Tätige wegen der Wirkungen, die seine Tätigkeit für andere hat, auf die Beobachtung seines Verhaltens durch die breitere Öffentlichkeit und auf Kritik an seinen Leistungen einstellen.

Auf der anderen Seite ist im Rahmen der Abwägung – neben dem Eigeninteresse von P am Portalbetrieb – insbesondere das ganz erhebliche öffentliche Interesse zu berücksichtigen, das an den im Portal angebotenen Informationen besteht. Portale wie das von P können Patienten die Arztwahl erleichtern und zu mehr Leistungstransparenz im Gesundheitswesen beitragen. Diesen Zweck könnte das Portal von P allenfalls noch eingeschränkt erfüllen, wenn es von der Zustimmung der bewerteten Ärzte abhängig wäre, die – etwa im Fall einer schwächeren Bewertung – zurückgenommen werden könnte.

In seiner Ausgangsentscheidung aus 2014[9] hat der BGH zudem erörtert, ob nicht die Neigung bestimmter Patienten zur Abgabe kritischer Bewertungen unangemessen gefördert werde, wenn der Einsender von Bewertungen anonym bleibt, sodass zumindest dann ggf. dem Interesse des Bewerteten an der Löschung der Daten höheres Gewicht zuzusprechen wäre. Insoweit sei jedoch, so der BGH damals, zu berücksichtigen, dass die anonyme Nutzung dem Internet immanent ist. Zur Begründung verwies der BGH insbesondere auf § 13 Abs. 6 S. 1 TMG a.F. Die Regelung wurde zwischenzeitlich aufgehoben, eine inhaltlich entsprechende Regelung findet sich allerdings nunmehr in § 19 Abs. 2 TTDSG.[10] Die Meinungsäußerungsfreiheit sei nicht auf Äußerungen beschränkt, die einem bestimmten Individuum zugeordnet werden können. Häufig werde die Bewertung eines Arztes zudem mit der Mitteilung sensibler Gesundheitsinformationen, etwa über den Grund der Behandlung oder die Art der Therapie, verbunden sein. Wäre die Abgabe einer Bewertung nur unter Offenlegung der Identität möglich, so der BGH, bestünde daher die Gefahr, dass eigentlich bewertungsbereite Nutzer von einer Bewertung absehen.[11]

Jedenfalls solange P, wovon vorliegend auszugehen ist, als „neutraler Informationsmittler“ agiert, überwiegen also nach umfassender Abwägung aller betroffenen Rechtspositionen die Interessen von P und der Portalnutzer diejenigen von A. Sollte P die Stellung als „neutraler Informationsmittler“ verlassen, kann sich die dargestellte Wertung verändern. Ein strenges Gleichbehandlungsgebot mit der Folge, dass eine Ungleichbehandlung von nichtzahlenden und zahlenden Ärzten stets zur Unzulässigkeit der Datenverarbeitung führt, existiert nach Auffassung des BGH jedoch nicht.[12]

Die Speicherung der „Basisdaten“ von A in dem Onlineportal ist damit nicht unrechtmäßig erfolgt, was aber Voraussetzung für einen Löschanspruch des A nach Art. 17 Abs. 1 lit. d) DS-GVO wäre.

b) Löschung wegen Widerspruch gegen die Verarbeitung

Fraglich ist, ob vorliegend ggf. der Löschgrund aus Art. 17 Abs. 1 lit. c) DS-GVO eingreift. Hiernach liegt ein Löschanspruch der betroffenen Person bzw. eine Löschpflicht des Verantwortlichen vor, wenn die betroffene Person gem. Art. 21 Abs. 1 DS-GVO Widerspruch gegen die Verarbeitung einlegt und keine vorrangigen berechtigten Gründe des Verantwortlichen für die Verarbeitung vorliegen.

Zwar ist bei der Auslegung von Betroffenenanträgen nicht an deren Wortlaut zu haften, sondern vielmehr entsprechend §§ 133, 157 BGB der wahre Wille des Betroffenen zu erforschen.[13] Dem wahren Willen des betroffenen A entspricht es, die Speicherung ihn betreffender Daten durch P zu verhindern, weshalb sein Begehren statt nur als Löschungsbegehren ggf. auch als Widerspruch verbunden mit einem Löschungsbegehren interpretiert werden könnte. Für die Ausübung des allgemeinen Widerspruchsrechts nach Art. 21 Abs. 1 DS-GVO bedarf es allerdings einer Begründung durch die betroffene Person. Die Gründe dürfen dabei nicht aus der Verarbeitungssituation als solcher resultieren, sondern müssen auf die besondere Situation der betroffenen Person zurückgehen. Solche besonderen Gründe werden seitens A nicht geltend gemacht. Für ihn sprechen nur die allgemeinen Gesichtspunkte, die auch alle anderen Ärzte und Ärztinnen betreffen, die nicht online bewertet werden wollen.

A hat folglich nicht wirksam der Datenverarbeitung widersprochen, sodass auch kein Löschgrund nach Art. 17 Abs. 1 lit. c) DS-GVO vorliegt.

Ergebnis: A hat keinen Anspruch auf Löschung der ihn betreffenden Daten aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO.

2. Anspruch des A auf Unterlassung der Veröffentlichung eines zu seiner Person angelegten Profils auf dem Ärztebewertungsportal

Ein entsprechender Anspruch von A könnte sich aus §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB analog ergeben. Der Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB schützt zwar unmittelbar nur das Eigentum.[14] Um Schutzlücken zu vermeiden, ist nach der Rechtsprechung § 1004 BGB aber für alle absoluten Rechte, wozu auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht zählt, sowie für alle durch §§ 823 Abs. 2, 824, 825, 826 BGB deliktisch geschützten Rechtsgüter entsprechend anwendbar.

Fraglich ist bereits, ob ein solcher Unterlassungsanspruch überhaupt selbstständig neben dem Löschungsanspruch denkbar ist. Denn mit der Speicherung in dem Bewertungssystem geht die Veröffentlichung der Daten unmittelbar einher, sodass eine losgelöste Bewertung nicht möglich erscheint. Im Ergebnis kann die Frage offenbleiben, da der Unterlassungsanspruch jedenfalls auch zu verneinen ist. Die bezüglich der Veröffentlichung notwendige Abwägung fällt aus denselben Erwägungen zugunsten des Plattformbetreibers und der Nutzer aus wie auch schon die Abwägung bei der Bewertung der Datenspeicherung.

A hat also auch keinen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung der ihn betreffenden Daten.

III. Ergänzende Informationen

1. Die „jameda“-Entscheidungen des BGH

Der BGH hat eine ganze Reihe von Entscheidungen zum Ärztebewertungsportal „jameda“ getroffen. Während die Ausgangsentscheidung aus 2014 (Urt. v. 23.09.2014 – VI ZR 358/13 – RDV 2015, 193) sich mit der prinzipiellen Zulässigkeit der Plattform befasste, ging es in den folgenden Entscheidungen vornehmlich um Fragen der Ungleichbehandlung zwischen zahlenden und nichtzahlenden Ärzten seitens der Plattform sowie Löschbegehren nichtzahlender Ärzte, die sich im Verhältnis zu den die Plattform zahlenden Ärzten zu Unrecht schlechter behandelt fühlten.[15]

Auch die jüngste Entscheidung des BGH in Sachen „jameda“ (Urt. v. 13.12.2022 – VI ZR 60/21) befasst sich ausführlich mit der Zulässigkeit einer Differenzierung zwischen zahlenden und nichtzahlenden Ärzten durch das Portal. Zugleich bestätigt der BGH seine Grundsatzentscheidung aus 2014, die noch zum BDSG a.F. und den Grundrechten nach dem nationalen Grundgesetz ergangen ist, und überträgt die damals getroffenen Wertungen auf die DS-GVO und die Grundrechtecharta.

2. Störerhaftung bei unwahren Tatsachenbehauptungen, Beleidigungen etc.

Anders wären die von A im vorliegenden Fall geltend gemachten Ansprüche zu bewerten, wenn dieser geltend machen würde, dass es sich bei den Eingaben der Nutzer nicht um Meinungsäußerungen, sondern um unwahre Tatsachenbehauptungen,[16] beleidigende oder sonst unzulässige – also z.B. die Privatsphäre betreffende – Äußerungen handeln würde. A stünde ein Anspruch auf Beseitigung des Eintrags bzw. Unterlassung der Verbreitung aufgrund einer Haftung des Betreibers als sog. Störer[17] zu.

Die Haftung eines Diensteanbieters, der – wie z.B. der Betreiber eines Hotelbewertungsportals – eine neutrale Rolle einnimmt, ist im Übrigen nach § 7 Abs. 2, § 10 TMG eingeschränkt. Hiernach darf einem Anbieter keine Prüfungspflicht auferlegt werden, die sein Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährdet oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschwert. Eine inhaltliche Vorabprüfung von Nutzerbewertungen ist nicht zumutbar.[18]

3. Auskunftsanspruch gegenüber dem Portalbetreiber

Will ein Betroffener nicht gegen den Portalbetreiber, sondern gegen den Verfasser einer beanstandeten Meldung vorgehen, stellt sich die Frage nach der Feststellung der Identität des betreffenden Nutzers. Voraussetzungen und Verfahren der Auskunft sind in § 21 Abs. 2 bis 4 TTDSG geregelt.

4. Bewertungen von Unternehmen

Häufig werden auch Unternehmen, wie z.B. Hotels, Gegenstand von Bewertungsportalen.[19] Da hier die DS-GVO regelmäßig mangels Verarbeitung personenbezogener Daten nicht greift, ist eine Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts bzw. der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit des Unternehmens zu prüfen, wobei die allgemeinen Überlegungen zur Berechtigung von Bewertungsportalen auch hier greifen.

5. Keine Wettbewerbsverzerrung

Der Betreiber eines Bewertungsportals muss kenntlich machen, wenn Bewertete für eine Top-Platzierung bezahlen. Ansonsten liegt ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht vor.[20]

 

* RAin Yvette Reif, LL.M. ist stellvertretende Geschäftsführerin der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit (GDD) e.V. und Mitautorin des Werks Gola/Reif, Praxisfälle Datenschutzrecht, 2. Aufl. 2016.

[1] Sachverhalt und Lösungsskizze basieren auf den Entscheidungen des BGH zu www.jameda.de (insbesondere Urt. v. 13.12.2022 – VI ZR 60/21 und Urt. v. 23.09.2014 – VI ZR 358/13 – RDV 2015, 193; ZD 2015, 85 ff.). Zu den datenschutzrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Bewertungsportalen vgl. auch Schaub, Bewertungsportale im Spannungsfeld zwischen Datenschutzrecht und anderen Rechtsgebieten, GRUR 2022, 465; Kühling, Im Dauerlicht der Öffentlichkeit – Freifahrt für personenbezogene Bewertungsportale!?, NJW 2015, 447; Pötters/Traut, Bewertungsportale und Abwehrrechte, RDV 2015, 117

[2] BGH, Urt. v. 13.12.2022 – VI ZR 60/21, v. 12.10.2021 – VI ZR 488/19 und VI ZR 489/19, v. 15.02.2022 – VI ZR 692/20

[3] Ehmann/Selmayr/Schiedermair, DS-GVO Art. 85 Rn. 23

[4] Ehmann/Selmayr/Schiedermair, DS-GVO Art. 85 Rn. 23; zum Medienprivileg nach DS-GVO vgl. etwa Michel, Bewertungsportale und das Medienprivileg – Neue Impulse durch Art. 85 DS-GVO?, ZUM 2018, 836; zur Frage, ob der sich aus Art. 85 DS-GVO ergebende Regelungsauftrag an die Mitgliedstaaten durch den nationalen Gesetzgeber ausreichend ausgefüllt wurde, vgl. Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Dix, Art. 85 Rn. 31 f. Dix verneint dies.

[5] BGH, Urt. v. 23.09.2014 – VI ZR 358/13, Rn. 13.

[6] Die nachfolgende Argumentation zur Interessenabwägung entstammt dem BGH, Urt. v. 13.12.2022 – VI ZR 60/21, Rn. 18 ff

[7] Zur Maßgeblichkeit der GRCh vgl. BVerfGE 152, 216 Rn. 33 ff. – Recht auf Vergessen II sowie BGH, Urt. v. 27.07.2020 – VI ZR 405/18.

[8] Vgl. hierzu unter III. 2. und 3.

[9] BGH, Urt. v. 23.09.2014 – VI ZR 358/13, Rn. 41.

[10] § 19 Abs. 2 TDDSG: Anbieter von Telemedien haben die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Der Nutzer von Telemedien ist über diese Möglichkeit zu informieren.

[11] BGH, a.a.O., Rn. 41.

[12] BGH, Urt. v. 13.12.2022 – VI ZR 60/21 Rn. 25, v. 15.02.2022 – VI ZR 692/20, v. 12.10.2021 – VI ZR 488/19 und VI ZR 489/19; anders demgegenüber Franz, AfP 2020, 67, 69; wohl auch Büscher, GRUR 2017, 433, 439

[13] VG Ansbach, Urt. v. 12.10.2022 – AN 14 K 19.1728, BeckRS 2022, 32724

[14] § 1004 Abs. 1 BGB: Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

[15] Schaub, Bewertungsportale im Spannungsfeld zwischen Datenschutzrecht und anderen Rechtsgebieten, GRUR 2022, 465.

[16] Zur Verteilung der Beweislast vgl. etwa LG Frankfurt a.M., Urt. v. 05.03.2015 – 2-03 O 188/14, RDV 2015, 201.

[17] BGH, NJW 2012, 148 = RDV 2012, 26 (Leitsätze) und BGH, NJW 2014, 2651 = RDV 2014, 266

[18] BGH, Urt. v. 19.03.2015 – I ZR-94/13, RDV 2015, 325.

[19] BGH, a.a.O.

[20] LG München I, Urt. v. 18.03.2015 – 37 O 19570/14.