Urteil : Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DS-GVO neben Amtshaftung anwendbar : aus der RDV 2/2023, Seite 120 bis 121
- Unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs kommt neben diesem ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DS-GVO infrage.
- Auch dann, wenn man eine weite europarechtliche Auslegung des Schadensbegriffes zugrunde legt, kann ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DS-GVO in Bagatellfällen ausscheiden.
(Nicht amtliche Leitsätze)
Aus den Gründen:
1. In rechtlicher Hinsicht ist der Klageanspruch mit einem Amtshaftungsanspruch § 839 Abs. 1 BGB, Art. 34 GG nicht erfolgreich zu begründen.
Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass von Seiten der Beklagten den Vorgaben der DS-GVO nicht genügt wurde, als das Jobcenter in A im Jahre 2018 (personenbezogene) Personen- und Adressdaten des Klägers speicherte, obwohl dieser keinen Antrag auf eine Leistung gestellt hatte. […] Die insoweit angelegte E-Akte, hiervon geht die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 18.05.2021 selbst aus, war gemäß Art. 17 Abs. 1 a) DS-GVO zu löschen, als mit der unterbliebenen Antragstellung kein Grund mehr vorlag, sie weiter zu speichern. […]
Ob der Amtshaftungsanspruch in diesem Sinne tatbestandlich begründet ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner weiteren Prüfung, weil die infrage stehende Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung jedenfalls die Bagatellschwelle nicht überschreitet und damit auf der Grundlage des Amtshaftungsanspruchs kein Schmerzensgeld rechtfertigt (vgl. BGH, Urt. v. 23. Oktober 2003, III ZR 9/03, juris, Rn. 44). Zu berücksichtigen ist insoweit, dass „nur“ eine unzulässige Speicherung von personenbezogenen Daten des Klägers – seinen Namen und seine Adresse – in einem überschaubaren Zeitraum von allenfalls drei Jahren infrage steht, ohne dass eine unzulässige weitere Verwendung der Daten, insbesondere ihre unzulässige Weitergabe an Dritte, ersichtlich geworden ist. Das allein unzulässige Abspeichern von personenbezogenen Daten, die nicht weiterverarbeitet werden, ist zwar in der Sache ein Verstoß gegen die genannte Vorschrift des Datenschutzes, aber einer, der als solcher einen Betroffenen nur geringfügig belastet. […]
2. Unabhängig von den fehlenden Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs kommt ein Schadensersatzanspruch des Klägers gemäß Art. 82 DS-GVO infrage. […]
Im Rahmen der europarechtlich auszulegenden Verordnung – diese verlangt aufgrund des ErwG 146 S. 3 eine weite Auslegung des Schadensbegriffs im Lichte der Rechtsprechung des EuGH, die den Zielen der DS-GVO in vollem Umfang entspricht, vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.01.2021, 1 BvR 2853/19, NJW 2021, S. 105 Rn. 19 – ist derzeit ungeklärt, ob immaterieller Schadensersatz zu versagen ist, wenn es an einer erheblichen Persönlichkeitsrechtsverletzung fehlt […]. Diese Frage ist in einem Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren nicht zulasten der antragstellenden Partei zu beantworten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.02.2008, 1 BvR 1807/07, NJW 2008, S. 1060), sondern im Hauptsacheverfahren einer Klärung zuzuführen. […]
Allerdings ergibt sich aus dem vorgetragenen Sachverhalt kein Gesichtspunkt, der eine Schmerzensgeldzahlung von über 50,00 € rechtfertigen könnte. Dies auch dann, wenn man zugunsten des Klägers eine weite, europarechtliche Auslegung des Schadensbegriffes zugrunde legt, die neben einem individuellen Ausgleich wegen der Schutzgutverletzung, eine den Verstoß feststellende Genugtuungsfunktion und letztendlich auch eine generalpräventive Einwirkung auf den Schädiger in die Betrachtung einbezieht, vgl. insoweit auch OLG Koblenz, Urt. v. 18.05.2022, 5 U 2141/21, juris, Rz. 80. Zu bewerten sind in der Sache insoweit dieselben Gesichtspunkte, die im Rahmen der Amtshaftung die Bewertung rechtfertigen, dass eine dort zu berücksichtigende Bagatellgrenze nicht überschritten worden ist.