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Urteil : Unzulässige Videoüberwachung auf Kita-Spielplatz : aus der RDV 2/2023, Seite 127

(LG Berlin, Urteil vom 15. Juli 2022 – 63 O 213/20 –)

Archiv RDV
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  1. An der Erforderlichkeit einer Videoüberwachung fehlt es, wenn seit dem letzten Vorfall, der Grund für die Videoüberwachung war, zweieinhalb Jahre vergangen sind und nicht hinreichend dargelegt werden kann, dass diese Vorfälle so schwer wiegen, dass sie eine Videoüberwachung rund um die Uhr rechtfertigen.
  2. Als mildere Mittel zu einer Videoüberwachung kommen das Aufstellen von Verbotsschildern, eine Sichtprüfung, die Installation von Bewegungsmeldern sowie die Begrenzung des videoüberwachten Bereichs in Betracht.

(Nicht amtliche Leitsätze)

Aus den Gründen:

Weder § 6 b) Abs. 1 S. 2 oder 3 des BDSG a.F. noch Art. 6 der Datenschutz-Grundverordnung erlaubten den Eingriff. […]

Als Rechtfertigungsgründe kommt die Videoüberwachung zu präventiven Zwecken (zum Beispiel zur Vermeidung von Diebstählen, Sachbeschädigungen oder Störungen) oder auch als repressives Mittel zum Zweck der Beweissicherung und Aufklärung bei bereits erfolgten Verstößen in Betracht (zum inhaltsgleichen § 4 BDSG aktuelle Fassung: Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 3. Auflage 2020, § 4 Rn. 10).

Die Kammer ist bereits nicht überzeugt, dass eine Videoüberwachung erforderlich war. Die Beklagte argumentiert mit zwei Vorfällen aus dem Mai 2016, die die Videoüberwachung ab März 2017 erforderlich gemacht haben sollen. Schon der Zeitablauf seit den konkret vorgetragenen Vorfällen spricht gegen die Erforderlichkeit einer Überwachung, weil es selbst ohne sie keine Vorfälle mehr gegeben hat. Sie konnten jedenfalls nicht mehr konkret vorgetragen und nachgewiesen werden. […]

Ferner ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte mildere Mittel ausreichend in Betracht gezogen hat. So kommt das Aufstellen von Verbotsschildern, eine Abdeckung des Sandkastens außerhalb der Kitazeiten und eine bessere Sicherung des Gerätehäuschens in Betracht. Die von der Beklagten nunmehr praktizierte Sichtprüfung vor Kitabeginn wäre ebenfalls eine Alternative gewesen. Hält man eine Überwachung für rechtmäßig, wäre die Installation von Bewegungsmeldern weniger beeinträchtigend gewesen. Eine Videoüberwachung hätte auf einen kleineren Teil des Geländes, wo Sandkasten und Gerätehäuschen nebeneinander stehen, begrenzt werden können.

Die Kammer ist darüber hinaus überzeugt, dass die Interessen des Klägers überwiegen. Sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht war erheblich beeinträchtigt, weil er nicht nur befürchten musste, sondern aufgrund der Beschwerden über sein Verhalten auch annehmen musste, dass er jedes Mal beobachtet wird, wenn er den Bereich im Innenhof betritt, auf den die Kamera ausgerichtet war.

Das wog umso schwerer, als es sich bei den beobachteten Flächen um einen Rückzugsbereich handelte, der von der Straße aus nicht einsehbar ist und in dem der Kläger und seine Kinder Freizeit verbringen durften. […]

Erschwerend kommt hinzu, dass die Kamera nicht nur rund um die Uhr beobachtete, sondern danach auch – das ist nicht bestritten – speicherte, ohne dass eine zeitliche Beschränkung ersichtlich ist.

Auch nach der Rechtslage ab dem 25.05.2018 war der Eingriff nicht gerechtfertigt. Die Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit ergeben sich aus Art. 6 der DS-GVO. Dort kommt allein der Abs. 1 f) als Rechtfertigung in Betracht. […]

Es fehlt an der Erforderlichkeit und es überwiegen die Interessen des Klägers. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen. […]