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Kurzbeitrag : Praxisfälle zum Datenschutzrecht XXVII: Praxisfragen des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs

Lesezeit 15 Min.

I. Sachverhalt

A ist bei Versicherungsunternehmen U privat krankenversichert und befindet sich im Streit mit der Versicherung wegen Beitragserhöhungen, welche diese vorgenommen hat. Um die Beitragsanpassungen, die U in dem Versicherungsvertrag in den drei zurückliegenden Jahren vorgenommen hat, nachzuvollziehen, verlangt er unter Berufung auf Art. 15 DS-GVO, dass U ihm Fotokopien aller an ihn übermittelten Schreiben und Nachträge zum Versicherungsschein der letzten drei Jahre jeweils samt Anlagen zur Verfügung stellt. Ablage und Dokumentation sind nicht die Stärke von A, so dass er bei sich die relevanten Unterlagen nicht mehr findet. Hat A Anspruch auf die begehrten Unterlagen?[1]

II. Musterfalllösung

  1. Bestehen eines Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DS-GVO seitens A

Die betroffene Person hat nach Art.  15 Abs.  1 DS-GVO das Recht, vom Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden. Ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über die konkret über sie verarbeiteten Daten sowie bestimmte gesetzlich aufgezählte „Metainformationen“ bezüglich der Datenverarbeitung. Zu den Metainformationen gehören u.a. die vom Verantwortlichen verfolgten Verarbeitungszwecke, die verarbeiteten Kategorien personenbezogener Daten, die Datenempfänger bzw. Empfängerkategorien, Angaben zur Speicherdauer der Daten, Ausführungen zu den Betroffenenrechten und dem Beschwerderecht bei der Aufsichtsbehörde sowie Informationen über die Herkunft der Daten, wenn diese nicht bei der betroffenen Person erhoben worden sind (vgl. im Einzelnen Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 DS-GVO). Sofern keine Daten über sie verarbeitet werden, hat die betroffene Person Anspruch auf entsprechende Bestätigung („Negativauskunft“). Die Geltendmachung des Auskunftsrechts setzt keine Begründung seitens des Betroffenen voraus.

Hinter Art. 15 DS-GVO steht die Intention, dass betroffene Personen ein Auskunftsrecht hinsichtlich sie betreffender personenbezogener Daten, die erhoben worden sind, besitzen und dieses Recht problemlos und in angemessenen Abständen wahrnehmen können sollen, um sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können (vgl. Erwägungsgrund 63 S.  1 DS-GVO). Das Auskunftsrecht bildet die Basis für die Geltendmachung weiterer Rechte durch die betroffene Person, z.B. von Löschungs- oder Berichtigungsanträgen oder Schadenersatzansprüchen wegen unzulässiger Verarbeitung personenbezogener Daten.

Da das Versicherungsunternehmen U personenbezogene Daten über A verarbeitet, sind die Voraussetzungen für einen Auskunftsanspruch aus Art. 15 DS-GVO grundsätzlich gegeben. Fraglich ist allerdings zum einen, ob sich U gegenüber A ggf. auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs berufen kann, weil A den Anspruch aus datenschutzfremden Erwägungen geltend macht. Zum anderen hat A sein Auskunftsbegehren, was möglich ist, auf bestimmte Informationen beschränkt, die ihn interessieren. Konkret verlangt er Fotokopien aller an ihn übermittelten Schreiben und Nachträge zum Versicherungsschein der letzten drei Jahre. Es stellt sich daher die Frage, ob sich der Anspruch aus Art. 15 DS-GVO auch auf die von A konkret begehrten Unterlagen bezieht.

  1. Einwand des Rechtsmissbrauchs?

Fraglich ist, ob das Versicherungsunternehmen U unter Umständen die Auskunft nach Art. 15 DS-GVO verweigern kann, weil A den Anspruch nicht aus datenschutzrechtlichen Motiven geltend macht. Nach dem bereits angesprochenen Erwägungsgrund 63 S. 1 DS-GVO soll die betroffene Person ein Auskunftsrecht hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten besitzen, um sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. Die Motivation von A liegt aber vorliegend nicht darin begründet, die personenbezogene Datenverarbeitung durch U zu prüfen. Vielmehr geht es ihm darum, seine private „Buchführung“ zu vervollständigen und eine bessere Basis für die Auseinandersetzung mit U über die Versicherungsbeiträge zu haben.

Insbesondere auch angesichts des Aufwands, den datenschutzrechtliche Auskunftsersuchen verursachen, empfinden es die Verantwortlichen in der Praxis als rechtsmissbräuchlich, wenn die Geltendmachung des Anspruchs aus Art. 15 DS-GVO aus anderen als datenschutzrechtlichen Erwägungen erfolgt. Ein praxisrelevantes Beispiel hierfür ist etwa die Konstellationen, dass der Anspruch vom ehemaligen Beschäftigten im Rahmen von Abfindungsverhandlungen im Kündigungsschutzverfahren geltend gemacht wird. Aus Perspektive der Arbeitgeber geht es der Klägerseite hierbei typischerweise nicht um den Datenschutz, sondern darum, im Rahmen der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung die Verhandlungsposition der Klägerseite zu verbessern.

Nach dem nationalen Zivilrecht gilt, dass ein Recht rechtsmissbräuchlich ausgeübt wird, wenn damit nur der Zweck verfolgt wird, einem anderen einen Schaden zuzufügen (§ 262 BGB, sog. Schikaneverbot). Auch unterhalb einer Schädigungsabsicht kann nach nationalem Recht eine Rechtsausübung unzulässig sein, wenn die Geltendmachung des Rechts gegen den in §  242 BGB verankerten Grundsatz von „Treu und Glauben“ verstößt. Der genannte Grundsatz ist ein zentrales Prinzip des nationalen Rechtssystems und besagt, dass Pflichten aus einem Schuldverhältnis (nur) in einer Art und Weise zu erfüllen sind, die sich an den Maßstäben von Ehrlichkeit, Vertrauen und Fairness orientiert.

Bei der Auslegung der DS-GVO als höherrangigem europäischen Recht können die genannten Prinzipien aber nicht unmittelbar herangezogen werden.[2] Entscheidend sind insofern supranationale Rechtsprinzipien und insbesondere die Zielsetzungen, welche die DS-GVO mit dem Betroffenenrecht auf Auskunft verfolgt.

In diesem Zusammenhang hat inzwischen der EuGH explizit festgestellt, dass der Anspruch auf Auskunft auch aus anderen als datenschutzrechtlichen Erwägungen geltend gemacht werden darf.[3] Angesichts der Bedeutung, welche die DS-GVO dem in Art. 15 Abs. 1 DS-GVO garantierten Recht zumesse, dürfe dessen Ausübung nicht von Bedingungen abhängig gemacht werden, die der Unionsgesetzgeber nicht ausdrücklich festgelegt hat, wie etwa der Verpflichtung, einen der in Erwägungsgrund 63 S. 1 DS-GVO genannten Gründe geltend zu machen, so der EuGH.[4]

Auch wenn der EuGH dies nicht ausdrücklich ausspricht, dürfte gleichwohl nicht jeder Grund dazu berechtigen, Auskunft nach Art. 15 DS-GVO zu verlangen. Ähnlich wie bei Art. 6 Abs. 1 S. 2 lit. f) DS-GVO (sog. Interessenabwägung) dürften auch insoweit nur solche Interessen Berücksichtigung finden, welche mit der Rechtsordnung vereinbar sind.[5] Zu verneinen sein wird – vergleichbar § 262 BGB auf nationaler Ebene – ein Auskunftsanspruch demnach insbesondere dann, wenn es dem Antragsteller nicht um seine Daten geht, sondern nur darum, den Verantwortlichen zu schädigen.[6] Angesichts der Verteilung der Beweislast dürfte dies dem Verantwortlichen in der Praxis aber meist nicht weiterhelfen, da die wenigsten Antragsteller ihre Schädigungsabsicht offen und damit für den Verantwortlichen beweisbar artikulieren werden. Ohnehin dürfte die Geltendmachung wohl in den seltensten Fällen in Schädigungsabsicht erfolgen. Soweit der Antragsteller legitime, wenn auch datenschutzfremde Interessen verfolgt, kann der Verantwortliche das Auskunftsersuchen nicht zurückweisen.

Hiervon wird im vorliegenden Fall auszugehen sein. Das Interesse von A, seine Unterlagen zu vervollständigen und sich auf eine rechtliche Auseinandersetzung mit der Versicherung vorzubereiten, ist ein mit der Rechtsordnung zu vereinbarendes Interesse und angesichts des EuGH-Urteils v. 26.10.2023[7] erscheint zweifelhaft, ob eine Entscheidung wie diejenige des LG Köln v. 18.03.2019[8] mit diesem Inhalt heute noch ergehen könnte. Das LG Köln vertrat in seiner Entscheidung die Ansicht, der Anspruch aus Art. 15 DS-GVO diene nicht der „vereinfachten Buchführung“ des Betroffenen, sondern solle ausschließlich sicherstellen, dass der Betroffene den Umfang und Inhalt der gespeicherten personenbezogenen Daten beurteilen kann.

Der Auskunftsanspruch verfolgt aber den weitergehenden allgemeinen Zweck Informationssymmetrien abzubauen und bildet insofern die Kehrseite der Datenverarbeitung durch den Verantwortlichen.[9] Wozu der Betroffene die Kenntnis der Daten in einem zweiten Schritt verwendet, ist grundsätzlich irrelevant.[10]

U kann die Auskunft hier also nicht mit der Begründung der Rechtsmissbräuchlichkeit verweigern, so dass die Frage zu beantworten bleibt, ob sich der Anspruch von A auch auf die von ihm näher spezifizierten Unterlagen bezieht.

  1. Gegenstand des Auskunftsanspruchs

Im Hinblick auf Art. 15 Abs. 3 DS-GVO, wonach der Verantwortliche dem Antragsteller eine „Kopie“ der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung stellt, könnte sich ein Anspruch des A auf die begehrten Fotokopien aus Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 15 Abs. 3 DS-GVO ergeben.

Im Hinblick auf den Anspruch auf eine „Kopie“ nach Art. 15 Abs. 3 DS-GVO waren bis 2023 zentrale Rechtsfragen ungeklärt. Einerseits war strittig, in welchem Verhältnis der Kopieanspruch nach Art. 15 Abs. 3 DS-GVO zum allgemeinen Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO steht, andererseits war nicht geklärt, wie der Begriff der „Kopie“ zu verstehen ist, d.h., ob mit „Kopie“ im Sinne der DS-GVO eine Fotokopie im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs gemeint ist oder ob es sich um einen eigenständigen Rechtsbegriff handelt, der sich ggf. von dem Begriff der Fotokopie unterscheidet.

Die erste Frage hat Konsequenzen u.a. dahingehend, ob es für die Erlangung einer Datenkopie eines besonderen Antrags der betroffenen Person bedarf oder ob eine Datenkopie vom Verantwortlichen automatisch mitzuerteilen ist, also auch dann, wenn das Auskunftsbegehren der betroffenen Person lediglich allgemein gehalten ist. Der EuGH hat die Frage im letzteren Sinne beantwortet.

Konkret hat der EuGH[11] entschieden, dass die Pflicht zur Bereitstellung einer Kopie nicht als ergänzendes Recht der betroffenen Person zu verstehen ist, sondern vielmehr nur als „Modalität“ eines einheitlichen datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs. Das Gericht ist damit der Auffassung gefolgt, die zuvor auch schon der EDSA[12] in seinen Guidelines zum Auskunftsanspruch vertreten hatte. Art.  15 Abs.  3 DS-GVO solle das Recht auf Auskunft stärken und helfen dieses Recht zu interpretieren, indem verdeutlicht wird, dass der Anspruch nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO auf eine vollständige Information bezüglich der verarbeiteten Daten bezogen ist und nicht nur auf eine Zusammenfassung.[13]

Im vorliegenden Fall hätte die Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis von Art. 15 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 3 DS-GVO jedoch im Prinzip auch offenbleiben können. Denn A hat vorliegend explizit Kopien und nicht nur allgemein Auskunft verlangt.

Erhebliche Auswirkungen auf die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts hat aber die zweite Frage, nämlich, was konkret mit dem Begriff der Kopie i.S.v. Art. 15 Abs. 3 DS-GVO gemeint ist. Nur wenn der Begriff wie der Begriff der Fotokopie im allgemeinen Sprachgebrauch zu verstehen wäre, käme A der geltend gemachte Anspruch zu.

Nach der Auffassung des EuGH ist eine Kopie i.S.v. Art. 15 Abs. 3 DS-GVO aber nicht das Gleiche wie eine Fotokopie i.S.d. allgemeinen Sprachgebrauchs.[14] Vielmehr unterscheidet der EuGH[15] in der Entscheidung aus 2023 zwischen einer Kopie der Daten und einer Kopie der Dokumente, in denen die Daten enthalten sind. Das Recht der betroffenen Person auf Erteilung einer Kopie ist nach dem EuGH darauf gerichtet, „eine originalgetreue und verständliche Reproduktion“ aller über sie verarbeiteter Daten zu erhalten. Im Ausgangspunkt ist folglich nur eine Kopie der Daten bereitzustellen und nicht eine Kopie der Dokumente bzw. Datenbanken, in denen die Informationen enthalten sind. Über den Antragsteller verarbeitete personenbezogene Daten können daher z.B. auch in Tabellenform übermittelt werden, um der Auskunftsverpflichtung nachzukommen. Kopien der Originaldokumente, aus denen sich die Daten ergeben, z.B. Rechnungen oder Kontoauszüge, müssen regelmäßig nicht bereitgestellt werden.

Eine Kopie von Auszügen aus Originaldokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder von Auszügen aus Datenbanken, in denen die personenbezogenen Daten enthalten sind, muss nach dem EuGH nur ausnahmsweise zur Verfügung gestellt werden, nämlich sofern tabellarisch bereitgestellte Informationen nicht aus sich selbst heraus leicht verständlich sind und eine Kontextualisierung der verarbeiteten Daten erforderlich ist, um die Verständlichkeit zu gewährleisten.[16] Insbesondere wenn personenbezogene Daten aus anderen Daten generiert würden oder wenn diese auf freien Feldern beruhten, d.h. einer fehlenden Angabe, aus der eine Information über die betroffene Person hervorgeht, sei der Kontext, in dem die Daten Gegenstand der Verarbeitung sind, unerlässlich, damit die betroffene Person eine transparente Auskunft und eine verständliche Darstellung dieser Daten erhalten kann, so der EuGH.[17]

Bezogen auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt ist zunächst festzustellen, dass es sich bei den begehrten Schreiben und Nachträgen zum Versicherungsschein samt Anlagen nicht jeweils in ihrer Gesamtheit um personenbezogene Daten des Versicherungsnehmers handelt, sondern vielmehr nur einzelne Teile der Dokumente personenbezogene Daten des Versicherungsnehmers enthalten.[18]

Während etwa in den Schreiben enthaltene Informationen zum Namen und zur Adresse von A, zur Versicherungsnummer oder auch zu dem von A jeweils zu zahlenden Beitrag personenbezogene Daten i.S.v. Art.  4 Nr. 1 DS-GVO darstellen, sind z.B. Angaben zu allgemeinen Versicherungsbedingungen oder den Kontaktdetails, gesetzlichen Vertretern und Kontoverbindungen der Versicherung keine personenbezogenen Daten von A. Letzteres wird auch im Hinblick auf in den Schreiben und Anlagen enthaltene allgemeine Beitragsberechnungsgrundlagen gelten, also Angaben zur Beitragsberechnung, die keinen konkreten Bezug zu A haben (Beispiel: Beitragserhöhung aufgrund einer allgemeinen Kostensteigerung).[19]

Vorliegend ergeben sich auch keine Anhaltspunkte, warum A im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs Kopien des kompletten Schriftverkehrs und der Nachträge zum Versicherungsschein benötigen würde. Es ist nicht ersichtlich, dass im konkreten Fall eine Kontextualisierung der verarbeiteten personenbezogenen Daten erforderlich wäre, um deren Verständlichkeit zu gewährleisten, sodass es ausnahmsweise einer Übermittlung der vollständigen Schreiben samt Anlagen bedürfte.[20]

Der von A geltend gemachte Anspruch besteht damit in dieser Form nicht. Ausreichend ist vielmehr, wenn die Versicherung ihm Auskunft über sämtliche in den Dokumenten enthaltenen personenbezogenen Daten erteilt, d.h. alle Informationen, die konkreten Bezug zu A haben.

  1. Möglichkeit der überobligatorischen Erfüllung

Die Erteilung von Fotokopien der Dokumente, in denen die personenbezogenen Daten enthalten sind, ist aber jedenfalls eine Möglichkeit der Auskunftsverpflichtung Genüge zu tun. Mit anderen Worten: Der Verantwortliche muss nach dem EuGH regelmäßig keine Fotokopien von Dokumenten zur Verfügung stellen; macht er es dennoch, so erfüllt er hierdurch aber seine Pflichten.[21] Bei einer solchen überobligatorischen Erfüllung des Auskunftsanspruch besteht allerdings die Gefahr, dass betroffene Personen ihr Auskunftsrecht nutzen, um sich die private Buchführung zu erleichtern, also über den Auskunftsanspruch aus Art.  15 DS-GVO ihre Unterlagen vervollständigen.

Wenn Vervielfältigungen von Originaldokumenten bzw. Auszüge aus Datenbanken zur Verfügung gestellt werden, hat der Verantwortliche zudem in besonderem Maß darauf zu achten, dass entsprechend Art. 15 Abs. 4 DS-GVO Rechte und Freiheiten anderer durch die Auskunftserteilung nicht beeinträchtigt werden.[22] Ggf. haben hierzu entsprechende Schwärzungen in den Dokumenten zu erfolgen.

Wie Auskunft erteilt wird, also in tabellarischer Form unter Auflistung nur der personenbezogenen Daten oder im Wege der überobligatorischen Erfüllung durch Erteilung von Kopien der Dokumente, in denen die Daten enthalten sind, ist grundsätzlich eine Frage der Taktik des Unternehmens. Hier spricht aus Unternehmersicht einiges dafür, sich auf die erste Alternative zu berufen, weil so der Antrag, wie er gestellt wurde, gänzlich zurückgewiesen werden kann, also U – zumindest vorläufig –gar keine Auskunft erteilen müsste.

III. Ergänzende Hinweise

  1. Auskunftsanspruch über Prämienanpassungen aus Treu und Glauben

In der BGH-Entscheidung[23], an die dieser Praxisfall angelehnt ist, hat das Gericht einen Anspruch des Versicherungsnehmers aus Art. 15 Abs. 1 und 3 DS-GVO auf Abschriften der Begründungsschreiben zu den Prämienanpassungen samt Anlagen verneint. Zugleich hat der BGH aber festgestellt, dass einem Versicherungsnehmer ggf. aus Treu und Glauben ein Auskunftsanspruch über zurückliegende Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung zustehen kann, wenn er in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist.

  1. Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch im Kündigungsschutzverfahren und während Abfindungsverhandlungen

Bezüglich Kündigungsschutzverfahren und während Abfindungsverhandlungen sind nach Peisker[24] folgende Grundsätze zu berücksichtigen:

  • Allein ein zeitlicher Zusammenhang zur Kündigung begründet die Missbräuchlichkeit eines Auskunftsersuchens nicht.
  • Unerheblich für das Bestehen des Auskunftsrechts ist, ob die begehrten Informationen im konkreten Fall relevant sind für die Verteidigung. Denn Ausforschung und Anspruchskonkretisierung sind nicht rechtsmissbräuchlich. Dies gilt auch, sofern datenschutzexterne Leistungsansprüche betroffen sind.
  • Das Ziel der Auskunft ist erst verfehlt, wenn der Antragsteller kein Interesse an der Auskunft hat und dies nach außen erkennbar wird (Darlegungslast des Verantwortlichen).

Eine Rechtsmissbräuchlichkeit soll dieser Ansicht nach vorliegen, wenn die Antragstellung bzw. die Rücknahme des Antrags auf Auskunft explizit in Abhängigkeit zur Abfindung gebracht wird.[25] Im Übrigen sei die Geltendmachung des Rechts „im Dunstkreis“ der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht zu beanstanden.[26]

  1. Umsetzung des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch in der Praxis

Vor dem Hintergrund der formal-rechtlichen Anforderungen, des teilweise großen Umfangs der zu beauskunftenden Daten und des engen Zeitfensters zur Bearbeitung ist es unumgänglich, dass der Verantwortliche insofern bereits im Vorfeld organisatorische, normative, prozessuale und technische Voraussetzungen schafft, Auskunftsansprüche effektiv bearbeiten zu können. Hierzu gehört insbesondere, dass alle Beschäftigten mit entsprechenden Awareness- und Schulungsmaßnahmen regelmäßig sensibilisiert werden, Auskunftsanfragen zu erkennen und die im Unternehmen festgelegten Prozeduren einzuhalten. Zur Schaffung der notwendigen praktischen Voraussetzungen für den korrekten Umgang mit Auskunftsanträgen vgl. im Einzelnen „GDD-Praxishilfe DS-GVO: Checkliste Auskunftsersuchen nach Art. 15 DS-GVO“.[27]

Praktische Bedeutung hat insbesondere die fristgerechte Bearbeitung der eingehenden Anträge auf Auskunft.

* RAin Yvette Reif, LL.M. ist stellvertretende Geschäftsführerin der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit (GDD) e.V. und Mitautorin des Werks Gola/Reif, Praxisfälle Datenschutzrecht, 2. Aufl. 2016.

[1] Sachverhalt basierend auf BGH, Urt. v. 27.09.2023 – IV ZR 177/22.

[2] Zur Nichtanwendbarkeit von § 242 BGB vgl. Peisker, Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch, 2023, S. 515.

[3] Urt. v. 26.10.2023 – C 307/22 (FT gegen DW) erster Leitsatz.

[4] Urt. v. 26.10.2023 – C 307/22 (FT gegen DW) Rn. 51.

[5] Zur entsprechenden Auslegung bei Art. 6 Abs. 1 S. 2 lit. f) DS-GVO vgl. etwa Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, Datenschutzrecht, DS-GVO Art.  6 Abs. 1 Rn. 98.

[6] Entsprechend auch EDSA, Guidelines 01/2022 on data subject rights – Right of access, Version 1.0 (18.01.2022), Rn. 186 und Peisker, Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch, 2023, S. 520.

[7] C 307/22 (FT gegen DW).

[8] LG Köln, Teilurteil v. 18.03.2019 – 26 O 25/18. Gegen die Entscheidung wurde Berufung eingelegt, allerdings wurde das Verfahren vor dem Berufungsgericht in den hier wesentlichen Teilen einvernehmlich für erledigt erklärt, vgl. OLG Köln, Urt. v. 23.10.2020 – 20 U 57/19.

[9] Peisker, Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch, 2023, S. 540.

[10] Peisker, Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch, 2023, S. 540.

[11] EuGH, Urt. v. 04.05.2023 – C-487/21 Rn. 30 ff.

[12] Guidelines 01/2022 on data subject rights – Right of access, Version 1.0 (18.01.2022), Rn. 23 ff.

[13] EDSA, Guidelines 01/2022 on data subject rights – Right of access, Version 1.0 (18.01.2022), Rn. 23 ff

[14] Dies entspricht der Position, die zuvor auch schon der EDSA vertreten hat, vgl. EDSA, Guidelines 01/2022 on data subject rights – Right of access, Version 1.0 (18.01.2022), Rn. 25.

[15] Urt. v. 04.05.2023 – C-487/21, vgl. Leitsatz und Rn. 45.

[16] EuGH, Urt. v. 04.05.2023 – C-487/21 Rn. 41

[17] EuGH, Urt. v. 04.05.2023 – C-487/21 Rn. 42.

[18] So auch der BGH in der Entscheidung, an die dieser Praxisfall angelehnt ist, BGH, Urt. v. 27.09.2023 – IV ZR 177/22 Rn. 49

[19] Vgl. insofern auch EuGH, Urt. v. 17.07.2014 – C-141/12 und C-372/12.

[20] Vgl. auch BGH, Urt. v. 27.09.2023 – IV ZR 177/22 Rn. 55.

[21] So auch der EDSA, nach dem die Zurverfügungstellung von Reproduktionen von Originaldokumenten eine von verschiedenen Möglichkeiten des Verantwortlichen ist, seinen Pflichten aus Art.  15 Abs.  3 DS-GVO nachzukommen, vgl. Guidelines 01/2022 on data subject rights – Right of access, Version 1.0 (18.01.2022), Rn. 23, 150.

[22] Vgl. auch EuGH, Urt. v. 04.05.2023 – C-487/21, Leitsatz 1, letzter Halbsatz.

[23] BGH, Urt. v. 27.09.2023 – IV ZR 177/22.

[24] Peisker, Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch, 2023, S. 536 ff.

[25] Peisker, Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch, 2023, S. 536 ff.

[26] Peisker, Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch, 2023, S. 538.

[27] Die Praxishilfe kann auf der Website der GDD unter der Rubrik „Service“, Unterpunkt „Publikationen und Aktionen“ heruntergeladen werden.