Die Forschungstätigkeit des Arztes im Spannungsfeld zur Schweigepflicht
Die Reform des § 203 StGB hat ein deutliches Mehr an Rechtsklarheit bewirkt.. Zentrale Hürden für das Hinzuziehen von externen Fachkräften, die außerhalb der Sphäre des Berufsgeheimnisträgers stehen, wurden abgebaut. Dennoch bleiben ungeklärte Fragen. Dieser Beitrag widmet sich den Folgen der Reform für die Forschungstätigkeit des Arztes.
I. Die Neuregelung des § 203 StGB
2017 brachte eine umfassende Reform des § 203 StGB. Ziel der Änderung des § 203 StGB war es, „die Möglichkeiten für Berufsgeheimnisträger zu erweitern, sich im Rahmen ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit ohne (straf-)rechtliches Risiko der Mitwirkung dritter Personen zu bedienen“. Strafbar macht sich nach § 203 StGB, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbart, das ihm als Berufsgeheimnisträger im Sinn von Abs. 1 und 2 anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist. Für diese bestand in der Hinzuziehung von Personen, die nicht ebenfalls der Strafbarkeit von § 203 StGB unterfallen, ein rechtliches Risiko. Die herrschende Meinung ging davon aus, dass nicht einem eng auszulegenden Gehilfenbegriff unterfallende Personen nicht zur Sphäre des Berufsgeheimnisträgers zählen und damit nicht am Vertrauensverhältnis teilnehmen. Andere argumentierten, der Begriff des berufsmäßig tätigen Gehilfen könne weit ausgelegt werden und umfasse etwa auch externe IT-Dienstleister. Die Hinzuziehung insbesondere eines externen Dienstleisters barg mithin das Risiko einer Strafbarkeit nach § 203 StGB. Zudem bestand kein strafrechtlicher Schutz für die externen Personen anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse.
Die zunehmende Nutzung von Informationstechnik macht es häufig aber erforderlich, externe Fachkräfte hinzuzuziehen, die außerhalb der Sphäre des Berufsgeheimnisträgers stehen, beispielsweise zur Wartung der eingesetzten Technik. Dabei können diesen Personen jedoch fremde Geheimnisse offenbart werden. Zudem wird zunehmend die eigene Informationstechnik durch externe Technik ergänzt, beispielsweise in Form des Cloud Computing. Der Weg über eine informierte Einwilligung des Berechtigten führte zwar zu einem Ausschluss der Strafbarkeit nach § 203 StGB, da in diesem Fall eine Befugnis vorliegt. Deren Einholung ist aber nicht immer möglich und mit Aufwand verbunden. Zudem würde dieser Weg eine nach vorliegender Einwilligung und verweigerter Einwilligung differenzierte Datenverarbeitung erfordern. Auch die Annahme einer konkludenten Einwilligung barg rechtliche Risiken; die Weitergabe von Geheimnissen zu Forschungszwecken kann sie zudem nicht legitimieren. Zahlreiche Meinungsstreitigkeiten in der strafrechtlichen Fachliteratur zu § 203 StGB und fehlende obergerichtliche Rechtsprechung zum Thema Outsourcing verkomplizierten die Sache weiter und sorgten für Rechtsunsicherheit. In der Praxis wurde teilweise versucht, die Problematik durch den Abschluss von Mehrfach-Arbeitsverhältnissen zu lösen.
Die Novelle des § 203 StGB sollte hier nun Rechtsklarheit für alle Beteiligten herstellen und den Schutz von Privatgeheimnissen auch in einer digitalisierten Arbeitswelt garantieren. Dennoch bleiben auch nach der Reform ungeklärte Fragen. Dieser Beitrag widmet sich den Implikationen des reformierten § 203 StGB für die Forschungstätigkeit des Arztes.
1. Der „neue“ § 203 StGB
In § 203 StGB wurde der bisherige Abs. 2a aufgehoben und durch die neuen Abs. 3 und 4 ersetzt. Tatbestandlich fordern § 203 Abs. 1 und 2 StGB das unbefugte Offenbaren eines fremden Geheimnisses. Täter können die in Abs. 1 und 2 aufgelisteten Personen sein, wenn ihnen das fremde Geheimnis im Rahmen ihrer Tätigkeit nach Abs. 1 und 2 anvertraut oder sonst bekannt geworden ist. Unumstritten war das mündliche Offenbaren. Im Falle verkörperter Geheimnisse war umstritten, ob wie im Falle des mündlichen Offenbarens eine tatsächliche Kenntnisnahme erforderlich ist oder ob die bloße Möglichkeit der Kenntnisnahme ausreicht. Die Gesetzesbegründung enthielt die Klarstellung, „dass ein Offenbaren bereits dann gegeben ist, wenn die Möglichkeit der Kenntnisnahme von Geheimnissen besteht“. Der Streit ist damit zugunsten eines weiten Offenbarungsbegriffs entschieden. Der Einsatz technischer Sicherungsmaßnahmen soll ein Offenbaren ausschließen können. Damit kann letztlich auch das Unterlassen technisch-organisatorischer Sicherungsmaßnahmen ein Offenbaren begründen.
Nach § 203 Abs. 3 Satz 1 StGB liegt kein Offenbaren vor, wenn den Abs. 1 und 2 unterfallende Personen Geheimnisse berufsmäßig tätigen Gehilfen oder den ihnen zur Vorbereitung auf den Beruf tätigen Personen zugänglich machen. Im medizinischen Kontext ist dabei insbesondere an medizinische Fachangestellte und medizinisch-technische Assistenten zu denken. Die Regelung hat primär eine klarstellende Funktion. So wurde auch für § 203 StGB a.F. als ganz herrschende Meinung angenommen, dass bei der Hinzuziehung von Hilfspersonen im beruflichen Kontext keine Offenbarung vorliegt, da die Hilfsperson „unmittelbar an dem konkreten Vertrauensverhältnis teilnimmt“. Dabei wurde auch darauf abgestellt, dass die Hinzuziehung im Rahmen einer ordnungsgemäßen Berufsausübung erforderlich ist. Dieses Merkmal findet sich so nicht im Wortlaut von § 203 Abs. 3 Satz 1 StGB, dürfte jedoch auch in die neue Vorschrift hineinzulesen sein. Eine Erforderlichkeit soll aber bereits dann gegeben sein, wenn der Berufsgeheimnisträger ein wirtschaftliches Interesse geltend machen kann.
§ 203 Abs. 3 Satz 2 Hs. 1 StGB enthält eine Fallgruppe, in der zwar ein Offenbaren vorliegt, dieses aber erlaubt ist. Dies ist dann der Fall, wenn fremde Geheimnisse sonstigen Personen offenbart werden, die an der Tätigkeit des Offenbarenden mitwirken. Das Offenbaren muss für die Inanspruchnahme der Tätigkeit der sonstigen mitwirkenden Person erforderlich sein.
Nach § 203 Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 StGB ist ein Offenbaren auch dann erlaubt, wenn sonstige mitwirkende Personen sich weiterer Personen bedienen, die an der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit der in Abs. 1 und 2 Genannten mitwirken.
Die mitwirkenden Personen werden durch § 203 Abs. 4 Satz 1 StGB der Strafbarkeit nach § 203 StGB unterworfen. Strafbar macht sich zudem der Berufsgeheimnisträger, wenn er nicht dafür Sorge trägt, dass die sonstige mitwirkende Person zur Geheimhaltung verpflichtet wird, und diese ein Geheimnis unbefugt offenbart. Gleiches gilt für die mitwirkende Person, wenn sie sich weiterer Personen bedient. Bestraft wird ferner, wer nach dem Tod einer zur Geheimhaltung verpflichteten ein Geheimnis unbefugt offenbart, das er von der verstorbenen Person oder aus deren Nachlass erfahren hat. Zu beachten ist, dass der Berufsgeheimnisträger bereits durch Berufsrecht zur Verschwiegenheit verpflichtet sein kann.
2. Zum Verhältnis von § 203 StGB und Datenschutzrecht
§ 203 StGB dient zumindest auch dem Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Tatobjekt des § 203 Abs. 1 und Abs. 2 StGB ist das fremde Geheimnis. Dabei kann es sich um eine beliebige Tatsache handeln. Voraussetzung ist nach einer Auffassung lediglich, dass der Geheimnisträger an der Geheimhaltung der Tatsache ein sachlich begründetes Interesse hat oder haben würde. Dies wird angenommen für gesundheitliche Verhältnisse, kann aber auch schon anzunehmen sein für die bloße Tatsache, dass sich jemand überhaupt in psychologischer oder ärztlicher Behandlung befindet, was ebenso für die Begleitumstände einer Krankenhausaufnahme gelten kann. Nach anderer Ansicht liegt ein Geheimnis vor, wenn die Tatsache nur einem beschränkten Personenkreis bekannt ist und der Betroffene einen Geheimhaltungswillen hat. Dies wird aber mit dem Erfordernis eines schutzwürdigen Geheimhaltungsinteresses kombiniert.
Personenbezogene Daten sind nach Art. 4 Nr. 1 DS-GVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Dies bedeutet, dass nicht jedes personenbezogene Datum ein Geheimnis ist, jedoch handelt es sich bei jedem Geheimnis um ein personenbezogenes Datum. Wird dieses personenbezogene Datum nach Art. 2 Abs. 1 DS-GVO ganz oder teilweise automatisiert verarbeitet oder zwar nicht-automatisiert verarbeitet, aber in einem Dateisystem gespeichert oder wird diese Speicherung angestrebt, so ist grundsätzlich die Datenschutz-Grundverordnung anwendbar. Eine Verarbeitung ist dann nur unter den Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 1 und eventuell Art. 9 Abs. 2 DS-GVO rechtmäßig. Gesundheitsdaten, in Art. 4 Nr. 15 DS-GVO definiert als personenbezogene Daten, die sich auf die körperliche oder geistige Gesundheit einer natürlichen Person, einschließlich der Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen, beziehen und aus denen Informationen über deren Gesundheitszustand hervorgehen, sind dabei nach Art. 9 DS-GVO als besondere Kategorie personenbezogener Daten besonders geschützt.
Eine § 1 Abs. 3 Satz 2 BDSG a.F. wortgleiche Entsprechung findet sich in § 1 Abs. 2 Satz 3 BDSG. Danach bleibt die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungsvorschriften durch das Bundesdatenschutzgesetz unberührt. Datenschutzrecht und Strafrecht gelten nebeneinander. Sie haben unterschiedliche Adressaten (Verantwortlicher und Arzt) sowie unterschiedliche Schutzgüter (Patientengeheimnis und informationelle Selbstbestimmung) und Schutzzwecke (Schutz vor Offenbarung und Schutz vor unzulässiger Verarbeitung). Daher besteht keine Kollision zwischen § 203 StGB und datenschutzrechtlichen Vorschriften.
Ist die Verarbeitung nach geltendem Datenschutzrecht rechtmäßig, so folgt daraus deshalb nicht, dass die Offenbarung nicht mehr unbefugt im Sinn von § 203 Abs. 1 und 2 StGB ist, auch wenn die Übermittlung an den Empfänger aus datenschutzrechtlicher Sicht rechtmäßig ist. Es ist vielmehr eine gesonderte Offenbarungsbefugnis erforderlich. „Allgemeine datenschutzrechtliche Übermittlungsbefugnisse genügen grundsätzlich nicht“. Anderes gilt aber im Falle von Übermittlungs- und Offenbarungspflichten, die sich auch aus dem Datenschutzrecht ergeben können. Liegt eine solche Pflicht vor, entfällt das Tatbestandsmerkmal des unbefugten Offenbarens. Zudem sollen auch bereichsspezifische Datenschutzvorschriften für den Bereich der medizinischen Forschung anders als allgemeines Datenschutzrecht eine Befugnis zur Übermittlung im Sinne von § 203 StGB darstellen.
Eine Verschränkung zwischen § 203 StGB und dem Datenschutzrecht ergibt sich aus der Tatsache, dass auch ein Unterlassen geeigneter technisch-organisatorischer Sicherungsmaßnahmen ein Offenbaren darstellen kann. Hier kann auf die Vorgaben des Art. 32 DS-GVO zur Datensicherheit abgestellt werden, um Anhaltspunkte dafür zu finden, wo die Schwelle für ein strafbares Unterlassen liegt. Eine Parallele besteht zudem zwischen dem Erfordernis der Erforderlichkeit in § 203 Abs. 3 Satz 2 und dem Grundsatz der Datenminimierung aus Art. 5 Abs. 1 lit. c DS-GVO.
Die Befugnisse der Aufsichtsbehörden können nach Art. 90 Abs. 1 DS-GVO gegenüber Berufsgeheimnisträgern eingeschränkt werden. Der Gesetzgeber hat diese Möglichkeit durch § 29 Abs. 3 BDSG genutzt. Hier spielt § 203 StGB eine konstituierende Rolle. Den dort genannten Personen gegenüber sind die Befugnisse der Aufsichtsbehörde eingeschränkt, „soweit die Inanspruchnahme der Befugnisse zu einem Verstoß gegen die Geheimhaltungspflichten dieser Personen führen würde“. § 203 StGB ist damit letztlich auch Grundlage einer signifikanten datenschutzrechtlichen Bevorzugung.
II. „Berufliche Tätigkeit“ des Berufsgeheimnisträgers und „mitwirkende Personen“
Das fremde Geheimnis muss dem Geheimnisträger in seiner beruflichen Tätigkeit anvertraut oder sonst bekannt geworden sein. Zudem ist fraglich, was unter dem Begriff der „mitwirkenden Personen“ zu verstehen ist, den der § 203 StGB neu eingeführt hat.
1. „Berufliche Tätigkeit“
Das Tatobjekt des fremden Geheimnisses muss in beruflicher Eigenschaft erlangt worden sein – „sei es als Zweck oder Nebenfolge seiner Aufgabenerfüllung“. Hier differenziert § 203 StGB zwischen dem anvertrauten und dem sonst bekannt gewordenen fremden Geheimnis. Unter Anvertrauen wird „das Einweihen in ein Geheimnis unter ausdrücklicher Auflage des Geheimhaltens oder unter solchen Umständen, aus denen sich eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit ergibt“ verstanden. Es ist mithin ein Vertrauensakt erforderlich. Erforderlich ist zudem ein innerer Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs. Dies lässt sich aus den Anforderungen an das Wort „als“ in § 203 Abs. 1 und 2 StGB ableiten. Ein Vertrag oder eine zivilrechtliche Sonderbeziehung ist nicht erforderlich; das Anvertrauen muss aber „in der Erwartung erfolgen, dass das Mitgeteilte im Sinne der funktionsgerechten Aufgabenstellung des Empfängers genutzt wird“.
Auch beim sonst bekannt gewordenen fremden Geheimnis wird ein innerer Zusammenhang zwischen der Aufgabenwahrnehmung des Geheimnisträgers und dem Bekanntwerden verlangt. Es ist jedoch streitig, ob hier ebenso wie beim anvertrauten Geheimnis ein Vertrauensverhältnis erforderlich ist. Nicht zur beruflichen Tätigkeit des Berufsgeheimnisträgers gehören andersartige Nebentätigkeiten. Was konkret zur beruflichen Tätigkeit gehört, soll sich „aus dem beruflichen Rollenbild des Täters ergeben“. Berufsfremd sind damit Tätigkeiten, „die überwiegend von anderen Personen professionell wahrgenommen werden.“ Nicht erfasst ist beispielsweise die Tätigkeit eines Arztes, der als Pharmareferent tätig wird.
2. „Mitwirkende Personen“
Der Begriff der „mitwirkenden Person“ wurde mit der Novelle des § 203 StGB 2017 neu in das Strafgesetzbuch eingeführt. Er ist ein Überbegriff und umfasst einerseits den berufsmäßig tätigen Gehilfen und die beim Berufsgeheimnisträger zur Vorbereitung auf den Beruf tätigen Personen und andererseits die sonstigen mitwirkenden Personen.
a) Berufsmäßig tätige Gehilfen
Mit der Novelle des § 203 StGB ist der Streit um die Auslegung des Gehilfenbegriffs bezogen auf externe Personen, die nicht in die Organisation des Berufsgeheimnisträgers eingebunden sind, entschieden: Diese unterfallen nicht dem Gehilfenbegriff. So heißt es in der Gesetzesbegründung: Berufsmäßig tätiger Gehilfe ist, „wer innerhalb des beruflichen Wirkungsbereichs des Berufsgeheimnisträgers eine auf dessen berufliche Tätigkeit bezogene unterstützende Tätigkeit ausübt, welche die Kenntnis bzw. die Möglichkeit der Kenntnisnahme fremder Geheimnisse mit sich bringt“. Die Auslegung des Gehilfenbegriffs bezogen auf interne Personen war aber ebenfalls umstritten. Nach enger Auslegung sollte beispielsweise auch internes EDV-Personal nicht zu den berufsmäßigen Gehilfen zählen, da anders als etwa bei der Krankenschwester hier kein innerer Zusammenhang zur Tätigkeit des Berufsgeheimnisträgers bestünde. Nach anderer Auffassung ist dies aber der Fall. Der Streit ist auch heute noch höchst relevant, da er bestimmt, wann die Bevorzugung des § 203 Abs. 3 Satz 1 StGB greift und wann auf § 203 Abs. 3 Satz 2 StGB abzustellen ist. Konsens besteht bei der Notwendigkeit eines inneren Zusammenhangs zwischen der Arbeit des Gehilfen und der „eigentlichen Berufsausübung“ des Geheimnisträgers. Reinigungskräfte, Fahrer und ähnliche Mitarbeiter werden deshalb übereinstimmend nicht als berufsmäßig tätige Gehilfen gewertet. Hier werden lediglich die „äußeren Bedingungen für die fragliche Berufstätigkeit“ geschaffen; „ihre eigentliche Aufgabe ist inhaltlich nicht hinreichend durch das Arbeitsgebiet der betreffenden Einrichtung geprägt“. Ob die Tätigkeit ehrenamtlich oder tatsächlich berufsmäßig ausgeübt wird, soll trotz des Wortlauts keine Rolle spielen. Gefordert wird aber eine organisatorische Anbindung. Dies stellt auch die Gesetzesbegründung klar, wonach „der Gehilfe nicht selbst seinen Beruf ausüben muss“.
Die Gesetzesbegründung enthält einen Beispielkatalog von „mitwirkenden Tätigkeiten“. Darunter fallen neben Schreibarbeiten und Rechnungswesen auch IT-bezogene Tätigkeiten wie „Einrichtung, Betrieb, Wartung – einschließlich Fernwartung – und Anpassung informationstechnischer Anlagen, Anwendungen und Systeme aller Art“ sowie die „Bereitstellung von informationstechnischen Anlagen und Systemen zur externen Speicherung von Daten“. Damit dürfte der Streit um die Reichweite des Gehilfenbegriffs bei Personen innerhalb der Sphäre des Berufsgeheimnisträgers in dem Sinn entschieden sein, dass auch interne EDV-Mitarbeiter als Gehilfen zu qualifizieren sind. Dies folgt aus der Tatsache, dass die mitwirkende Person Oberbegriff für den Gehilfen ist. Plausibler ist für die Zukunft also ein (intern) weiter Gehilfenbegriff, dem auch (internes) technisches Personal, Verwaltungsmitarbeiter und Schreibkräfte unterfallen. Ausreichend ist eine Einbindung „in irgendeiner Weise“. Reinigungskräfte und Fahrer bleiben aber wohl weiter ausgeschlossen; sie sind nicht „in die Organisation der fraglichen Berufspraxis selbst“ eingebunden.
b) Sonstige mitwirkende Personen
Die sonstige mitwirkende Person muss an der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit des Berufsgeheimnisträgers mitwirken. Die Gesetzesbegründung definiert die sonstigen mitwirkenden Personen als solche, „die zwar an der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit der schweigepflichtigen Person mitwirken, also in diese Tätigkeit in irgendeiner Weise eingebunden werden und Beiträge dazu leisten, allerdings ohne in die Sphäre des Berufsgeheimnisträgers eingegliedert zu sein“. Der wesentliche Unterschied zum Gehilfen ist also die fehlende Teilhabe an der Sphäre des Berufsgeheimnisträgers. Dafür, wann eine Mitwirkung an der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit des Berufsgeheimnisträgers vorliegt, gibt auch hier der Beispielkatalog in der Gesetzesbegründung Anhaltspunkte. Ein externes Schreibbüro kann somit ebenso mitwirkende Person sein wie ein Cloud-Anbieter.
Bezüglich der Grundlage der Mitwirkung heißt es in der Gesetzesbegründung, man wolle „keinen möglichen Rechtsgrund, auf dem eine sonstige Mitwirkung beruhen kann, ausschließen“. Notwendig sind lediglich die Einbindung in die berufliche Tätigkeit und das Einvernehmen mit der schweigepflichtigen Person.
III. Forschungstätigkeit eines Arztes als „berufliche Tätigkeit“
Fraglich ist nun einerseits, ob die Forschungstätigkeit des Arztes als berufliche Tätigkeit zu werten ist, und andererseits, ob die Mitwirkung an der Forschungstätigkeit eines Arztes als Mitwirkungshandlung im Sinn des § 203 StGB verstanden werden kann.
Nach § 1 MBO dienen Ärzte der Gesundheit des einzelnen Menschen und der Bevölkerung. Ihre Aufgabe ist es, „das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen, Leiden zu lindern, Sterbenden Beistand zu leisten und an der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gesundheit der Menschen mitzuwirken“. § 15 Abs. 1 Satz 1 MBO enthält Vorgaben unter anderem für Ärzte, die Forschung mit personenbezogenen Daten durchführen. Dass die Musterberufsordnung in § 15 überhaupt Regelungen für die ärztliche Forschung enthält, darf bereits als starkes Indiz dafür gelten, dass die Forschungstätigkeit des Arztes als berufliche Tätigkeit zu werten ist.
1. Der Arzt im Universitätskrankenhaus
Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die Krankenversorgung eine der Universität vom Staat zusätzlich übertragene Aufgabe darstellt: „Ihre Übertragung auf die Universität ist zwar durch die medizinische Forschung und Lehre begründet und bedingt; sie stellt jedoch eine Zusatzaufgabe dar, die in beträchtlichem Maße über den rein wissenschaftlichen Bereich hinausgeht.“ Das bedeutet, dass bei Hochschullehrern, die Kranke an Universitätskliniken behandeln, diese Aufgabe neben diejenige tritt, Forschung und Lehre zu betreiben. Die Verpflichtung zu Forschung und Lehre ergibt sich aus dem Landeshochschulrecht, z.B. aus § 22 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes für die hessischen Universitätskliniken. Die wissenschaftliche Forschung gehört damit unzweifelhaft zur beruflichen Tätigkeit des Arztes im Universitätskrankenhaus.
2. Der Arzt im sonstigen Krankenhaus
Der Arzt im sonstigen Krankenhaus ist zur Forschung nicht verpflichtet. Die Nutzung der im Krankenhaus anfallenden Patientendaten für Forschungszwecke wird durch die Landeskrankenhausgesetze aber ausdrücklich gestattet. Auch die Übermittlung an externe Stellen ist in den Landeskrankenhausgesetzen geregelt und in der Regel an eine Einwilligung des Patienten geknüpft. Bezogen auf psychisch kranke Personen enthält das Landesrecht entsprechende Regelungen.
Die Forschung des Arztes im sonstigen Krankenhaus ist Teil seiner beruflichen Tätigkeit. Dabei ist es unerheblich, ob die Forschungstätigkeit vom Arbeitgeber angeordnet wurde oder fakultativ erfolgt. Entscheidend ist nur, dass der Arzt „als Arzt“ forscht. Dabei ist zu beachten, dass der Arzt Arzt bleibt, „auch wenn er seinen Beruf nicht als selbstständig praktizierender Arzt oder in einem herkömmlichen Dienstverhältnis, sondern in spezieller Funktion und Rechtsposition ausübt“. Nicht als Teil der beruflichen Tätigkeit kann lediglich Forschung gelten, die eine andersartige Nebentätigkeit darstellt. Davon dürfte bezogen auf wissenschaftliche Forschung nur auszugehen sein, wenn der Arzt nicht im medizinischen Kontext, also letztlich fachfremd forscht. Ob der Arzt parallel zur Forschungstätigkeit auch im Sinn von § 1 MBO tätig wird, ist unerheblich. Keine fachfremde Forschung liegt vor, wenn der Arzt als Teil eines Forschungsverbundes seine medizinische Expertise in ein Forschungsvorhaben einbringt, dieses Forschungsvorhaben aber seinen fachlichen Schwerpunkt außerhalb der Medizin hat.
3. Der Arzt in der Arztpraxis
Auch niedergelassene Ärzte sind wie der Arzt im sonstigen Krankenhaus nicht zur Forschung verpflichtet. Dass die Forschungstätigkeit auch des Arztes in der Arztpraxis zu seiner beruflichen Tätigkeit gehört, ergibt sich implizit einerseits aus der Tatsache, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten in der Forschung dem Gebot der ärztlichen Schweigepflicht unterliegt, andererseits aus § 15 MBO. Auch hier ist entscheidend, dass der Arzt „als Arzt“ forscht.
Voraussetzung ist dabei, dass die Forschungstätigkeit fachlich dem Arztberuf zugeordnet werden kann. Ein Indiz, dass dies nicht so ist, ist etwa, dass die fragliche Tätigkeit klassisch einer anderen Berufsgruppe zugeordnet wird. Aufgrund möglicher Überschneidungen ist jedoch stets eine Betrachtung des konkreten Einzelfalls erforderlich. In jedem Fall ist ein Konnex zum Themenkreis „Medizin“ erforderlich. Sofern die Forschungstätigkeit einen Bezug zu den in § 1 MBO genannten Aufgaben des Arztes hat, darf dieser als gegeben gelten.
4. Forschung als ärztliche Tätigkeit
Für die Anerkennung von Forschung als ärztlicher Tätigkeit gibt es im Ergebnis keine Unterschiede zwischen der der Arbeit eines Arztes in einem Universitätskrankenhaus, in einem sonstigen Krankenhaus und in einer Arztpraxis. In allen Fällen ist die Forschungstätigkeit des Arztes seiner beruflichen Tätigkeit zuzurechnen und deshalb tatbestandlich im Sinn von § 203 StGB. Entscheidend ist in allen Fällen, dass der forschende Arzt „als Arzt“ tätig wird. Für diese Beurteilung kann als Richtschnur § 1 MBO dienen. In allen Fällen erfährt der Arzt ebenso wie bei der Heilbehandlung geheimhaltungsbedürftige Informationen über den Patienten und muss diese Geheimnisse bewahren. Wäre dem nicht so, entstünde zudem eine Schutzlücke bezogen auf den Schutz von Patientendaten, die so nicht gewollt sein kann.
IV. Mitwirkung an der Forschungstätigkeit
Die Mitwirkung an der Forschungstätigkeit eines Arztes ist mithin eine Mitwirkungshandlung im Sinn von § 203 StGB. Die Mitwirkung an der Forschungstätigkeit des Arztes ist breit zu verstehen und beinhaltet beispielsweise auch die Auswertung von Datenmassen in externen Rechenzentren. Notwendig ist stets der innere Bezug der Tätigkeit der mitwirkenden Person und der Forschungstätigkeit des Arztes. Zudem muss es für die Tätigkeit der mitwirkenden Person erforderlich sein, dass diese das Geheimnis zur Kenntnis nimmt oder zumindest die Möglichkeit zur Kenntnisnahme erhält. Liegen diese Voraussetzungen vor, so unterliegt die mitwirkende Person selbst der Strafbarkeit nach § 203 StGB. Besteht bereits auf Grund eines Gesetzes eine förmliche Verpflichtung einer Person auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Geheimhaltungspflicht bei der Durchführung wissenschaftlicher Forschungsvorhaben, so ist die Person zudem direkt über § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 StGB strafbar. Derartige gesetzliche Verpflichtungen finden sich beispielsweise in § 476 und 487 Abs. 4 StPO, aber auch in § 16 Abs. 7 BStatG.
V. Fazit
Strafbar macht sich nach § 203 StGB, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbart, das ihm als Berufsgeheimnisträger im Sinne von Abs. 1 und 2 anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist. Hinsichtlich der Strafbarkeit der Offenbarung von Geheimnissen gegenüber externen Fachkräften, die Ärzte in ihrer medizinischen Tätigkeit unterstützten, bestand aufgrund zahlreicher Meinungsverschiedenheiten in der strafrechtlichen Fachliteratur und fehlender obergerichtlicher Rechtsprechung eine große Rechtsunsicherheit. Die Änderung des § 203 StGB 2017 sollte hierzu Rechtsklarheit bringen.
Mit der Novelle des § 203 StGB wurde der Begriff der „mitwirkenden Person“ neu in das Strafgesetzbuch eingeführt. Er ist ein Überbegriff und umfasst einerseits den berufsmäßig tätigen Gehilfen und andererseits die sonstigen mitwirkenden Personen. Wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen dem Gehilfen und der sonstigen mitwirkenden Person ist dabei die fehlende Einbindung in die Sphäre des Berufsgeheimnisträgers. Eine Offenbarung gegenüber mitwirkenden Personen ist nicht strafbar, wenn die Mitwirkung im Rahmen der Berufstätigkeit des Arztes erfolgt.
Die Forschungstätigkeit des Arztes ist als berufliche Tätigkeit im Sinn von § 203 StGB zu werten. Entscheidend ist dabei, dass der Arzt „als Arzt“ forscht. Unterschiede zwischen der ärztlichen Tätigkeit in einem Universitätskrankenhaus, einem sonstigen Krankenhaus und einer Arztpraxis bestehen im Ergebnis nicht. In allen Fällen ist die Forschungstätigkeit des Arztes seiner beruflichen Tätigkeit zuzurechnen und deshalb tatbestandlich im Sinn von § 203 StGB. Nicht als Teil der beruflichen Tätigkeit kann lediglich Forschung gelten, die eine andersartige Nebentätigkeit darstellt. Davon dürfte nur auszugehen sein, wenn der Arzt nicht im medizinischen Kontext forscht. Damit ist die Mitwirkung an der Forschungstätigkeit eines Arztes eine Mitwirkungshandlung im Sinn von § 203 Abs. 3 StGB. Eine Offenbarung von Geheimnissen gegenüber der mitwirkenden Person ist nicht strafbar. Die mitwirkende Person unterliegt allerdings selbst dem Straftatbestand des § 203 StGB.