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Zum Abwägungsverzicht bei sogenannter Schmähkritik

(Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19. Februar 2019 – 1 BvR 1954/17 –)

Hält ein Gericht eine Äußerung fälschlich für eine Formalbeleidigung oder Schmähung mit der Folge, dass eine konkrete Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände nicht vorgenommen wird, so liegt darin ein verfassungsrechtlich erheblicher Fehler, der zur Aufhebung der Entscheidung führt, wenn diese darauf beruht (vgl. BVerfGE 82, 272 <281>; 93, 266 <294>).

Sachverhalt:

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine zivilgerichtliche Verurteilung zur Unterlassung ehrenrühriger Äußerungen.

  1. Der Kläger des Ausgangsverfahrens und der Beschwerdeführer als Beklagter jenes Verfahrens sind beide Vorsitzende unterschiedlicher Fraktionen eines Gemeinderats. Aus Anlass der Eröffnung eines Bauprojekts im Gemeindegebiet sprach sich der Kläger öffentlich für die Verwirklichung auch eines weiteren, umstrittenen Bauprojekts desselben Bauträgers aus. Ein Mitbewerber dieses Bauträgers fragte daraufhin beim Beschwerdeführer an, unter welchen Bedingungen er mit einer vergleichbaren Unterstützung für von ihm geplante Bauvorhaben rechnen könne.
    Auf diese Anfrage antwortete der Beschwerdeführer mit einer an den anfragenden Bauträger adressierten und in Kopie („CC“) auch an den Oberbürgermeister der Gemeinde sowie die Vorsitzenden sämtlicher Gemeinderatsfraktionen verschickten E-Mail. Diese lautete auszugsweise wie folgt:
    „Für Ihr Projekt habe ich einen wichtigen und vermutlich zielführenden Ratschlag für Sie: Wenden Sie sich direkt an den Vorsitzenden der CDU-Fraktion in Oberkirch, Herrn B. Dieser wird sich nach Erfüllung bestimmter Voraussetzungen bestimmt auch ohne jegliche Einschränkungen für Ihr Bauvorhaben einsetzen und sich über alle Bedenken von Fachleuten und Gremien hinwegsetzen, Ihnen alle denkbaren Befreiungen zugestehen und damit zwar nicht unbedingt städtebauliche Belange berücksichtigen, aber mit seiner Unterstützung können Sie sicher sein, dass Sie bald bauen können. Sollten die Bauverwaltung noch Änderungen und Anpassungen von Ihnen verlangen: Gehen sie zurück auf Ihre Wunschplanung und beantragen Sie die brutalstmögliche Ausdehnung Ihres Projekts was Grenzabstände, GFZ und GRZ angeht und verweisen Sie auf das Bauvorhaben F. in der A. Strasse. Wenn man von Ihnen den Verzicht auf ein Attikageschoss verlangt: Bestehen Sie darauf, dieses genehmigt zu bekommen und verweisen Sie auf die Bauvorhaben der Firma f. in der S./N. und in der A. Strasse. Sollten Sie aufgrund der Flächenberechnung nicht ganz hinkommen: Verlangen Sie von der Stadt und der CDU-Fraktion ggf. den Verkauf der benötigten Zusatzflächen evtl. im Straßenraum und verweisen Sie auf das Bauvorhaben F. in der S.
    Für all diese Forderungen werden Sie zwar im Gemeinderat oder Bau- und Umweltausschuss zwar nicht meine Zustimmung bekommen, jedoch bei der CDU-Fraktion unter der Führung von Herrn B. können Sie sicher sein, dass dessen Fraktion geschlossen und vorbehaltlos zustimmen wird.
    Unter welchen Bedingungen diese Zustimmung zu erhalten ist müssen Sie natürlich mit ihm selbst ausloten.“
  2. Die auf Widerruf und zukünftiges Unterlassen der in der obigen Wiedergabe unterstrichenen Äußerungen gerichtete Klage gegen den Beschwerdeführer wies das Landgericht ab. Die Äußerungen stellten wegen des Bezugs zur politischen Auseinandersetzung keine Schmähkritik dar und in der Abwägung von allgemeinem Persönlichkeitsrecht des Klägers und der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers überwiege letztere.
  3. Das Oberlandesgericht gab der Berufung des Klägers teilweise statt und verurteilte den Beschwerdeführer zur Unterlassung der vom Klageantrag umfassten Äußerungen. Hinsichtlich der ebenfalls beantragten Verurteilung zum Widerruf der Äußerungen wies es die Berufung zurück. Die Äußerungen seien als Werturteile zu qualifizieren, da sie schwerpunktmäßig die rechtliche Beurteilung eines prognostizierten Verhaltens des Klägers sowie davon abgeleitete Beurteilungen seiner Persönlichkeit enthielten. Aus diesem Grund bestehe kein Anspruch auf Widerruf der Äußerungen.
  4. Gegen dieses Urteil des Oberlandesgerichts wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde und rügt eine Verletzung seiner Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

Aus den Gründen:

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen Fragen bereits entschieden (vgl. nur BVerfGE 61, 1 <7 ff.>; 90, 241 <246 ff.>; 93, 266 <292 ff.>). Dies gilt insbesondere für die Voraussetzungen eines Abwägungsverzichts bei sogenannter Schmähkritik (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>; 93, 266 <294>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juni 2016 – 1 BvR 2646/15 –, www.bverfg.de, Rn. 13, 17).

  1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet.
    Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

a) Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, das grundsätzlich sowohl Werturteile als auch Tatsachenbehauptungen schützt, ist nicht vorbehaltlos gewährt. Es findet seine Schranke gemäß Art. 5 Abs. 2 GG in den allgemeinen Gesetzen, zu denen die hier von den Gerichten angewendeten Vorschriften der § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG gehören. Die gerichtliche Untersagung einer durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Meinungsäußerung erfordert grundsätzlich eine Abwägung mit dem durch die Meinungsäußerung betroffenen allgemeinen Persönlichkeitsrecht (vgl. BVerfGE 99, 185 <196 f.>; 114, 339 <348>).
Zu beachten ist hierbei insbesondere, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt, sondern gerade Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen darf; insoweit liegt die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist (vgl. BVerfGE 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>).

Einer Abwägung bedarf es allerdings dann nicht, wenn es sich bei der Meinungsäußerung um eine Formalbeleidigung oder sogenannte Schmähkritik handelt. In diesen Fällen tritt die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zurück (vgl. BVerfGE 82, 43 <51>; 90, 241 <248>; 93, 266 <294>). Da die jeweiligen Meinungsäußerungen damit faktisch aus dem Gewährleistungsbereich der Meinungsfreiheit ausgeschlossen werden, sind an die Annahme des Vorliegens einer Formalbeleidigung oder einer Schmähkritik jedoch strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfGE 93, 266 <294>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juni 2016 – 1 BvR 2646/15 -, www.bverfg.de, Rn. 13). Von einer Schmähung kann nicht ausgegangen werden, wenn die Äußerung in dem Kontext einer Sachauseinandersetzung steht. Die Qualifikation einer ehrenrührigen Aussage als Schmähkritik und der damit begründete Verzicht auf eine Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht erfordern damit regelmäßig die Berücksichtigung von Anlass und Kontext der Äußerung (vgl. BVerfGE 93, 266 <303>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 23. August 2005 – 1 BvR 1917/04 -, juris, Rn. 22). Hiervon kann allenfalls ausnahmsweise abgesehen werden, wenn es sich um eine Äußerung handelt, deren diffamierender Gehalt so erheblich ist, dass sie in jedem denkbaren Sachzusammenhang als bloße Herabsetzung des Betroffenen erscheint und daher unabhängig von ihrem konkreten Kontext stets als persönlich diffamierende Schmähung aufgefasst werden muss, wie dies möglicherweise bei der Verwendung besonders schwerwiegender Schimpfwörter – etwa aus der Fäkalsprache – der Fall sein kann (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. Dezember 2008 – 1 BvR 1318/07 -, juris, Rn. 16). Bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage liegt Schmähkritik nur ausnahmsweise vor; sie bleibt grundsätzlich auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BVerfGE 7, 198 <212>; 93, 266 <294>).

Hält ein Gericht eine Äußerung fälschlich für eine Formalbeleidigung oder Schmähung mit der Folge, dass eine konkrete Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände nicht vorgenommen wird, so liegt darin ein verfassungsrechtlich erheblicher Fehler, der zur Aufhebung der Entscheidung führt, wenn diese darauf beruht (vgl. BVerfGE 82, 272 <281>; 93, 266 <294>).

b) Diesen Maßstäben genügt die angegriffene Entscheidung nicht. Indem das Oberlandesgericht die gegenständlichen Äußerungen als Schmähkritik qualifiziert und folgerichtig auf eine Abwägung verzichtet, verkennt es die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Zulässigkeit eines solchen Abwägungsverzichts. Das Oberlandesgericht hat nicht hinreichend berücksichtigt, dass bei der Einordnung einer Äußerung als Schmähkritik Anlass und Kontext zu berücksichtigen und bei Äußerungen im öffentlichen Kontext nochmals strengere Anforderungen zu stellen sind. Das Gericht hat einen Sachbezug allein deshalb verneint, weil die Vorwürfe gegenüber dem Kläger mit den Genehmigungsvoraussetzungen von Bauvorhaben in der Sache nichts zu tun hätten. Dabei verkennt es, dass sich der Kläger öffentlich für die Genehmigung eines bestimmten umstrittenen Bauvorhabens ausgesprochen hatte und als Mitglied des Gemeinderats aktiv an der Baupolitik mitwirkt. Das Oberlandesgericht hat in seinen Tatsachenfeststellungen selbst angenommen, dass Hintergrund der Äußerungen die Behandlung von Bauvorhaben im Gemeinderat gewesen sei. Die E-Mail, die die gegenständlichen Äußerungen des Beschwerdeführers enthielt, erfolgte in Antwort auf eine auf diese Äußerungen des Klägers bezogene Anfrage eines konkurrierenden Bauträgers. Sie stand damit nicht im Kontext einer persönlichen, sondern einer politischen Auseinandersetzung zwischen dem Beschwerdeführer und dem Kläger.
Indem das Oberlandesgericht den sachlichen Bezug zu rechtlichen Fragen der Genehmigungsvoraussetzungen gleichwohl verneint, verkennt es, dass der sachliche Bezug einer Äußerung nicht mit deren Anlass zusammenfallen muss. Es dürfte vielmehr zur Eigenart politischer, insbesondere parteipolitischer Auseinandersetzungen gehören, dass konkrete Vorgänge zum Anlass einer allgemeineren politischen Auseinandersetzung genommen werden, wie es vorliegend geschehen ist (vgl. zu politischen Auseinandersetzungen auch BVerfGE 61, 1 <13>).
Bei seiner Beurteilung der Äußerungen hat das Oberlandesgericht zudem den weiteren Inhalt der E-Mail nicht berücksichtigt. Schon die Wortwahl der weiteren Äußerungen („brutalstmögliche Ausdehnung“) verleiht den Ausführungen spöttisch-satirischen Charakter und verdeutlicht, dass die Äußerungen auf eine – wenn auch polemische – Kritik am politischen Gegner und dessen Baupolitik zielen. Die Berücksichtigung des Gesamtcharakters der Äußerungen verstärkt so den Bezug zur allgemeinen baupolitischen Auseinandersetzung und spricht dagegen, in den Äußerungen eine nur bei Gelegenheit gegen den Kläger als solchen gerichtete Diffamierung als „bestechliche Person“ zu erblicken.

c) Die angegriffene Entscheidung beruht auf diesem Fehler. Es ist nicht auszuschließen, dass das Oberlandesgericht bei erneuter Befassung im Rahmen einer Abwägung zu einer anderen Entscheidung kommen wird.

2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Unterrichtung des Betriebsrats über Arbeitsunfälle von Fremdpersonal

(Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 12. März 2019 – 1 ABR 48/17 –)

  1. Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber verlangen, über Arbeitsunfälle unterrichtet zu werden, die Beschäftigte eines anderen Unternehmens im Zusammenhang mit der Nutzung der betrieblichen Infrastruktur des Arbeitgebers erleiden.
  2. Nach § 89 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz muss der Betriebsrat vom Arbeitgeber bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz und der Unfallverhütung stehenden Fragen hinzugezogen werden. Hiermit korrespondiert ein entsprechender Auskunftsanspruch des Betriebsrats. Dieser umfasst im Streitfall auch Unfälle, die Arbeitnehmer erleiden, die weder bei der Arbeitgeberin angestellt noch deren Leiharbeitnehmer sind. Aus den Arbeitsunfällen des Fremdpersonals können arbeitsschutzrelevante Erkenntnisse für die betriebszugehörigen Arbeitnehmer, für die der Betriebsrat zuständig ist, gewonnen werden.

Demgemäß ist der Betriebsrat unverzüglich über jeden Arbeitsunfall eines Arbeitnehmers einer Servicepartnerfirma im Betriebsgebäude unter Angabe des Datums, der Uhrzeit des Unfalls, der Unfallstelle, des Unfallhergangs sowie über erlittene Verletzungen zu unterrichten.

Mitbestimmung des Konzernbetriebsrats im Zusammenhang mit einer konzernweit elektronisch durchgeführten Mitarbeiterbefragung

(Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 11. Dezember 2018 – 1 ABR 13/17 –)

  1. Führt eine Konzernobergesellschaft eine konzernweite Mitarbeiterbefragung in elektronischer Form durch, ist hinsichtlich eventuell bestehender Mitbestimmungsrechte der Konzernbetriebsrat zuständig.
  2. Ist die technische Plattform der Befragung mitbestimmt eingeführt, so führt die Modifikation einzelner Fragen zu den subjektiven Wertungen der befragten Mitarbeitenden über ihre Vorgesetzten für sich gesehen nicht zu einer Änderung der nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG vereinbarten technischen Einrichtung.
    (Nicht amtliche Leitsätze)

Sachverhalt:

A. Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des Konzernbetriebsrats im Zusammenhang mit einer konzernweiten Mitarbeiterbefragung. Die Arbeitgeberin – ein Logistik- und Postunternehmen – ist eine Konzernobergesellschaft; bei ihr ist der antragstellende Konzernbetriebsrat errichtet. Sie befragt seit 2007 einmal jährlich konzernweit alle Mitarbeitenden der konzernangehörigen Unternehmen zu mehreren Themen. Mit der Durchführung dieser Mitarbeiterbefragung ist ein Drittunternehmen beauftragt. Das hierfür verwendete IT-System „Employee Opinion Survey“ (EOS) wurde auf der Grundlage der mit dem Konzernbetriebsrat geschlossenen Konzernbetriebsvereinbarung „Informationstechnologie des Konzerns D AG“ (KBV IT) eingeführt.
Dem Katalog der den Mitarbeitenden zu stellenden Fragen stimmte der Konzernbetriebsrat nach Maßgabe der KBV IT zu.

Der Konzernbetriebsrat hat die Auffassung vertreten, aus einer Änderung der Fragestellungen zu Vorgesetzten bei der Mitarbeiterbefragung 2015 („EOS 2015“) folge ein Mitbestimmungsrecht. Damit sei ein anderes als das von ihm mitbestimmte IT-System eingeführt. Auch unterfielen die erfragten Stellungnahmen dem Arbeits- und Gesundheitsschutz und stellten Personalfragebögen bzw. Beurteilungsgrundsätze dar.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, das IT-System EOS sei bereits mitbestimmt eingeführt. Bei der Ausgestaltung der einzelnen Fragen stehe dem Konzernbetriebsrat kein Mitbestimmungsrecht zu.

Das Arbeitsgericht hat unter „Zurückweisung der Anträge im Übrigen“ festgestellt, dass dem Konzernbetriebsrat bei der Erstellung und Durchführung der Mitarbeiterbefragung EOS 2015 ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zusteht. Das Landesarbeitsgericht hat den Beschluss des Arbeitsgerichts abgeändert und den – nach seiner Ansicht allein auf die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gerichteten – Antrag abgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Konzernbetriebsrat die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde des Konzernbetriebsrats ist unbegründet.
I. Die Anträge sind – in ihrer gebotenen Auslegung – zulässig.

  1. Die Feststellungsbegehren bedürfen der Auslegung.
    a) Der Konzernbetriebsrat verfolgt nach der eindeutigen sprachlichen Fassung seiner Anträge keine Leistungsbegehren. Soweit er in seinen Ausführungen in dem das Verfahren einleitenden Schriftsatz – ebenso wie auch noch in seiner Rechtsbeschwerdebegründung – eine „Unterlassung“ als streitbefangen ansieht, handelt es sich ersichtlich um eine Falschbezeichnung.
    b) Mit den Anträgen zu 1. und zu 2. erstrebt der Konzernbetriebsrat – bei zutreffendem Verständnis – ein einheitliches Rechtsschutzziel.
    aa) Der Konzernbetriebsrat beschreibt im Feststellungsantrag zu 1. den Gegenstand der begehrten Mitbestimmung mit „Erstellung und Durchführung der Mitarbeiterbefragung ‚EOS 2015‘“. Unter Hinzuziehung seiner Antragsbegründung wird deutlich, dass er nicht die Durchführungsgestaltung der Mitarbeiterbefragung mittels des IT-Systems EOS Version 8 und mittels Einspeisens der in Papierform ermittelten Daten in diese technische Plattform beanstandet. Er reklamiert vielmehr eine Beteiligung an der Änderung des Fragenkatalogs, was die Rubrik „Aktive Führung“ angeht. Insoweit vertritt er die Auffassung, eine Differenzierung von IT-System „an sich“ und Fragenkatalog könne nicht „sinnvoll“ vorgenommen werden; die technische Plattform und der Fragebogen seien vielmehr derart untrennbar miteinander verbunden, dass jegliche veränderten Fragestellungen eine der Mitbestimmung unterliegende „Veränderung eines bestehenden IT-Systems“ darstellten. Damit richtet sich sein Begehren, abweichend vom Wortlaut des Antrags zu 1., nicht nur auf die Mitarbeiterbefragung 2015, sondern auf die gegenwarts- und zukunftsbezogene Feststellung eines Mitbestimmungsrechts bei einer Änderung des durch EOS – zuletzt in seiner Version 8 – verarbeiteten Fragenkatalogs. Die Modifikation der Fragen zur „Aktiven Führung“ anlässlich der im Jahr 2015 durchgeführten Mitarbeiterbefragung ist der Anlassfall, auf den sich der Antrag in zeitlicher Hinsicht nicht beschränkt. Auch die Arbeitgeberin stellt insoweit nicht in Abrede, dass sie die kalenderjährlichen Mitarbeiterbefragungen weiterhin ggf. auf der Basis neu formulierter Fragen zur „Aktiven Führung“ durchzuführen gedenkt.
    bb) Mit seinem Antrag zu 2. begehrt der Konzernbetriebsrat – im buchstäblichen Sinn – die Feststellung der Unzulässigkeit des Vorgangs „Erhebung und Erfassung von Daten mittels Personalfragebogen in Form der Mitarbeiterbefragung ‚EOS 2015‘“. Der hierzu gegebenen Begründung lässt sich entnehmen, dass er mit diesem Antrag dasselbe Rechtsschutzziel wie mit dem Antrag zu 1. verfolgt. Es geht ihm um die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts bei einer näher beschriebenen Angelegenheit. Diese bezieht sich – ebenso wie beim Antrag zu 1. – auf den im Zusammenhang mit „EOS 2015“ gegebenen Anlassfall der Modifikation von Fragestellungen im Bereich „Aktive Führung“ bei den jährlichen konzernweiten Mitarbeiterbefragungen.
    cc) Damit hat der Konzernbetriebsrat der Sache nach nur einen Feststellungsantrag angebracht. So hat im Übrigen bereits das Arbeitsgericht die Anträge verstanden und als einheitliche Feststellung eines Mitbestimmungsrechts „bei der Durchführung einer Mitarbeiterbefragung mittels der technischen Einrichtung ‚EOS‘“ ausgelegt. Gegen seine – dem Begehren teilweise stattgebende – Entscheidung hat (nur) die Arbeitgeberin Beschwerde eingelegt; der Konzernbetriebsrat hat Zurückweisung der Beschwerde beantragt. Damit hat er sich das Antragsverständnis des Arbeitsgerichts zu Eigen gemacht.
  2. Mit diesem Inhalt ist der Antrag zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es ist nicht zweifelhaft, bei welcher Maßnahme – der Modifikation von Fragen zur „Aktiven Führung“ im Rahmen der jährlich unter Hinzuziehung der technischen Plattform EOS durchgeführten Mitarbeiterbefragungen – die Beteiligung des Konzernbetriebsrats ausgelöst sein soll. Auch die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt. Der Streit darüber, ob ein Mitbestimmungsrecht bei der vom Antrag umfassten Angelegenheit besteht, betrifft ein betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis der Betriebsparteien. Der Konzernbetriebsrat hat an der begehrten Feststellung ein berechtigtes Interesse, da die Arbeitgeberin eine Mitbestimmung bei der verfahrensgegenständlichen Angelegenheit in Abrede stellt.
    II. Der Antrag ist unbegründet. Die beanspruchte Mitbestimmung des Konzernbetriebsrats folgt aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt.

Mitbestimmung bei der Erfassung von Anwesenheitszeiten mit Excel

(Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 23. Oktober 2018 – 1 ABN 36/18 –)

Die Nutzung und der Einsatz eines Datenverarbeitungssystems zur Personalverwaltung unterliegt der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (BAG 25. September 2012 – 1 ABR 45/11 –). Dies gilt auch für „alltägliche Standardsoftware” (hier das Tabellenkalkulationsprogramm Microsoft Excel als Bestandteil des Office-Pakets). Für die „Bestimmung zur Überwachung“ iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG kommt es nicht auf eine – wie auch immer im Einzelnen verfasste – „Geringfügigkeitsschwelle“ an.
(Nicht amtlicher Leitsatz)

Aus den Gründen:

I. Die Beteiligten haben über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts bei der Verwendung von Microsoft Excel zur Erfassung von Anwesenheitszeiten der Mitarbeitenden, welche zuvor händisch erfasst worden ist, gestritten. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats, die Arbeitgeberin zu verpflichten, es zu unterlassen, ohne Zustimmung des Betriebsrats oder diese ersetzenden Spruch der Einigungsstelle in einer näher bezeichneten Excel-Tabelle näher bezeichnete Einträge mit näher bezeichneten Kürzeln vorzunehmen, (im Wesentlichen) stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht (im Wesentlichen) zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Arbeitgeberin mit ihrer auf die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage und auf Divergenz gestützten Nichtzulassungsbeschwerde.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
a) Nach § 92a Satz 1 iVm. § 92 Abs. 1 Satz 2, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt werden, dass eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat. Dazu muss der Beschwerdeführer nach § 92a Satz 2, § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG dartun, dass die anzufechtende Entscheidung von einer klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und deren Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt (vgl. BAG 14. April 2005 – 1 AZN 840/04 – zu 2 c aa der Gründe mwN, BAGE 114, 200). Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage, wenn sie in der Rechtsbeschwerdeinstanz nach Maßgabe des Verfahrensrechts beantwortet werden kann. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich noch nicht entschieden und ihre Beantwortung nicht offenkundig ist (BAG 14. April 2005 – 1 AZN 840/04 – aaO.).
b) Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Bei der von der Arbeitgeberin formulierten Fragestellung „Ist § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG dahingehend auszulegen, dass selbst bei der Verwendung alltäglicher Standardsoftware, wie etwa dem Programm Microsoft Excel, bereits die bloße Erleichterung schlichter Additionsvorgänge oder die bloße Möglichkeit der Verwendung von Funktionen, die allenfalls eine ebenso händisch mögliche Auswertung erleichtern, für die Annahme ausreicht, dass diese Standardsoftware zur Überwachung bestimmt ist, ohne dass hier zumindest eine gewisse Geringfügigkeitsschwelle überschritten werden muss?“ kann zwar trotz ihrer Interpretationsbedürftigkeit hinsichtlich einzelner Begrifflichkeiten („alltägliche Standardsoftware“; „gewisse Geringfügigkeitsschwelle“) von einer hinreichend konkret verfassten Rechtsfrage im nichtzulassungsbeschwerderechtlichen Sinn ausgegangen werden. Diese ist aber nicht klärungsbedürftig.

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat u.a. mitzubestimmen bei der Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Ein datenverarbeitendes System ist zur Überwachung von Verhalten oder Leistung der Arbeitnehmenden bestimmt, wenn es individualisierte oder individualisierbare Verhaltens- oder Leistungsdaten selbst erhebt und aufzeichnet, unabhängig davon, ob der Arbeitgeber die erfassten und festgehaltenen Verhaltens- oder Leistungsdaten auch auswerten oder zu Reaktionen auf festgestellte Verhaltens- oder Leistungsweisen verwenden will. Überwachung in diesem Sinn ist sowohl das Sammeln von Informationen als auch das Auswerten bereits vorliegender Informationen (BAG 25. September 2012 – 1 ABR 45/11 – Rn. 21).

In diesem Zusammenhang ist geklärt, dass etwa die Nutzung und der Einsatz des Datenverarbeitungssystems SAP ERP zur Personalverwaltung der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unterliegt (BAG 25. September 2012 – 1 ABR 45/11 –). Es ist offenkundig, dass für andere softwarebasierte Personalverwaltungssysteme nichts Abweichendes gilt, mag diesen auch „alltägliche Standardsoftware“ (hier das Tabellenkalkulationsprogramm Microsoft Excel als Bestandteil des Office-Pakets) zugrunde liegen (zumal es sich bei einem SAP-Programm ebenso um ein Standardsoftwareprodukt handelt).

Desgleichen liegt auf der Hand, dass es für die „Bestimmung zur Überwachung“ iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht auf eine – wie auch immer im Einzelnen verfasste – „Geringfügigkeitsschwelle“ ankommt. Das Mitbestimmungsrecht ist darauf gerichtet, Arbeitnehmende vor Beeinträchtigungen ihres Persönlichkeitsrechts durch den Einsatz technischer Überwachungseinrichtungen zu bewahren, die nicht durch schutzwerte Belange des Arbeitgebers gerechtfertigt und unverhältnismäßig sind.

Die auf technischem Wege erfolgende Ermittlung und Aufzeichnung von Informationen über Arbeitnehmende bei der Erbringung ihrer Arbeitsleistung bergen die Gefahr in sich, dass sie zum Objekt einer Überwachungstechnik gemacht werden, die anonym personen- oder leistungsbezogene Informationen erhebt, speichert, verknüpft und sichtbar macht. Den davon ausgehenden Gefährdungen des Persönlichkeitsrechts von Arbeitnehmenden soll das Mitbestimmungsrecht entgegenwirken (BAG 13. Dezember 2016 – 1 ABR 7/15 – Rn. 21, BAGE 157, 220).

Nach diesem höchstrichterlich geklärten Zweck des Mitbestimmungsrechts scheidet die Annahme des Überschreitens einer „Erheblichkeits- oder Üblichkeitsschwelle“ als Voraussetzung für die Mitbestimmung des Betriebsrats bei § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG von vornherein aus, zumal offenkundig ist, dass im Zusammenhang mit digitaler Personalverwaltung erfasste Daten – unabhängig von der konkret genutzten Software – für Verarbeitungsvorgänge zur Verfügung stehen, die für eine Überwachung genutzt werden können.

Anspruch des Betriebsrats auf Einsichtnahme in nicht anonymisierte Bruttolohn- und Gehaltslisten

(Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18. Dezember 2018 – 4 TaBV 19/17 –)

  1. Die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter müssen dem Betriebsausschuss nicht anonymisiert zur Einsichtnahme bereitgestellt werden.
  2. § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG n.F. erlaubt ausdrücklich die Datenverarbeitung zum Zwecke der Ausübung von Rechten der Interessenvertretung der Beschäftigten und stellt damit das Einsichtnahmerecht des Betriebsausschusses nach § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG auf eine rechtssichere Grundlage.
  3. Durch das Entgelttransparenzgesetz wird das Einsichtnahmerecht des Betriebsrates nach § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG erweitert, der Arbeitgeber hat nicht nur vorhandene Listen zur Verfügung zu stellen, sondern diese noch nach Geschlecht aufzuschlüsseln und so aufzubereiten, dass der Betriebsausschuss im Rahmen seines Einblicksrecht seine Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen kann.
    (Vgl. nachstehend LAG Niedersachsen sowie schon LAG Hamm, RDV 2018, S. 102)

Sachverhalt:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Betriebsrates auf Einsichtnahme in die Bruttolohn- und Gehaltslisten in nicht anonymisierter Form. Hierzu führt die Arbeitgeberin Rechtsstreitigkeiten, wobei bereits zwei Landesarbeitsgerichte zu ihren Nachteil entschieden und das von dem Betriebsrat verfolgte uneingeschränkte Einsichtsrecht bestätigten.
Mit der am 07.09.2016 beim Arbeitsgericht Magdeburg eingereichten Antragsschrift hat der Betriebsrat das Einsichtsrecht seines Betriebsausschusses in die Bruttoentgeltlisten gerichtlich geltend gemacht.

Der Betriebsrat hat vorgetragen, das Einsichtsrecht des Betriebsausschusses erstrecke sich auch auf die Nachnamen und Vornamen der Arbeitnehmenden, deren Geburtsdaten sowie deren Personalnummern. Er sei der Auffassung, er habe einen Anspruch auf diese erweiterte Einsichtnahme, weil er nur so seinen gesetzlichen Überwachungs- und Kontrollaufgaben gerecht werden könne. Dies betreffe zunächst die zugunsten der Arbeitnehmenden geltenden Gesetze und Tarifverträge. Eine Überwachung, insbesondere bezüglich der Einhaltung des ETV, sei in anonymisierter Form nicht möglich.

Die Arbeitgeberin hat vorgetragen, ein Anspruch des Betriebsrates auf Einsichtnahme in die Bruttolohn- und Gehaltslisten in nicht anonymisierter Form bestehe nicht, weil vom Betriebsrat ein Aufgabenbezug bezüglich der geforderten Informationen nicht dargelegt worden sei. Die dem Betriebsausschuss zur Verfügung gestellten Datensätze seien auf die Einhaltung von Tarifverträgen und des Gleichbehandlungsgrundsatzes überprüfbar gewesen. Konkrete Namen würden für die Prüfung keine Rolle spielen.

Darüber hinaus sei die Tatsache, dass sie die Datensätze (lediglich) in anonymisierter Form zur Verfügung gestellt habe, aus datenschutzrechtlichen Gründen gerechtfertigt. § 3a BDSG enthalte das Gebot der Datensparsamkeit und Datenvermeidung. Dahinter stehe das datenschutzrechtliche Konzept, nicht mehr Daten als unbedingt notwendig zu erheben. Eine weitere Schranke im Rahmen der begehrten Einsichtnahme folge aus dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des einzelnen Mitarbeiters und damit letztlich dessen allgemeinem Persönlichkeitsrecht. Dieses Persönlichkeitsrecht habe auch der Betriebsrat nach § 75 Abs. 2 BetrVG zu schützen.

Es würden zu viele Informationen über die Beschäftigten preisgegeben, wenn zu den Datensätzen die Klarnamen angegeben würden. Letztlich gehe sie zweistufig vor: In einem ersten Schritt würde sie Einsicht in – wenn auch anonymisierte – Bruttolohn- und Gehaltslisten gewähren, in einem zweiten Schritt sei sie bereit, die Anonymisierung im Einzelfall aufzuheben. Sie würde dabei nach der Relevanz der Offenlegung des Klarnamens fragen und diesen preisgeben, wenn diesbezüglich die Kenntnis erforderlich sei, um betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben wahrnehmen zu können, die ohne Kenntnis des Klarnamens nicht sachgerecht ausgeübt werden könnten.

Darüber hinaus ergebe sich aus dem neuen Entgelttransparenzgesetz, dass der Betriebsrat nur einen Anspruch darauf habe, dass die Bruttolohn- und Gehaltsliste hinsichtlich der Gehaltsbestandteile vollständig sei. Diese müssten jedoch nur nach dem jeweiligen Geschlecht aufgeschlüsselt werden.

Das Arbeitsgericht Magdeburg hat mit Beschluss vom 05.07.2017 (5 BV 68/16) dem Antrag zu 1. stattgegeben. Es hat dabei im Wesentlichen festgestellt, dass die seitens des Betriebsrates begehrten Unterlagen zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlich seien.

Aus den Gründen:

Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist nicht begründet. Die erkennende Kammer schließt sich in ihrer Entscheidung im Wesentlichen der angegriffenen Entscheidung des Arbeitsgerichts Magdeburg und der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 19.09.2017 (7 TaBV 43/17) an.

Das Einsichtsrecht des Betriebsrats besteht, soweit dies zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlich ist. Der Betriebsrat muss dabei ein besonderes Überwachungsbedürfnis nicht darlegen. Der nötige Aufgabenbezug ist regelmäßig schon deshalb gegeben, weil er nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darüber zu wachen hat, dass die zugunsten der Arbeitnehmenden geltenden Gesetze und Tarifverträge durchgeführt werden. Hierzu gehört auch die sich aus § 75 Abs. 1 BetrVG ergebende Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Beachtung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes (BAG 14.01.2014 – 1 ABR 54/12, Rn. 23).

Zwar ist in § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. BetrVG eine ausdrückliche Regelung zur Aufführung von Namen, Vornamen, Geburtsdaten und Personalnummern in den Bruttoentgeltlisten nicht enthalten. Diese Verpflichtung der Arbeitgeberin ergibt sich indessen aus dem Sinn und dem Zweck der Vorschrift. Zu Recht hat der Betriebsrat darauf hingewiesen, dass zur Prüfung der Frage, ob die Arbeitgeberin den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet, er Angaben zum Alter der Arbeitnehmenden benötigt, ebenso wie er die Personalnummern wegen der Namensgleichheiten in dem rund 370 Arbeitnehmende umfassenden Betrieb kennen muss.

Vor diesem Hintergrund des Sinns und Zwecks des § 80 Abs. 2 Nr. 2 2. Halbs. BetrVG zeigt sich deutlich, dass die Funktion der Bruttoentgeltliste nicht erfüllt werden kann, wenn eine Zuordnung der dort enthaltenen Angaben zu einem konkreten Beschäftigten mangels Angabe von Namen und Vornamen nicht möglich ist. Erst mit Hilfe des Namens und bei Namensgleichheit der Personalnummer kann der Betriebsrat konkret feststellen, welcher Mitarbeitende welche Vergütungsbestandteile erhält, ob Mitarbeitende betroffen sind, die ggf. von der Arbeitgeberin in einer Gruppe zusammengefasst sind, und welche Vergütungsbestandteile einzelne oder in Gruppen zusammengefasste Mitarbeitende beziehen.

Im Übrigen würde eine solche „Puzzle-Aufgabe“ für den Betriebsausschuss überhaupt nicht zum Schutz der Arbeitnehmendendaten führen, wenn die weitere Behauptung der Arbeitgeberin zutrifft, anhand der Dienstarten und Unterdienstarten könne der Betriebsausschuss die Gehaltsdaten in Wahrheit doch zuordnen.

Das von der Arbeitgeberin in der Beschwerdebegründungsschrift angegebene zweistufige Verfahren, wonach sie die Namen dann mitteilen würde, wenn der Betriebsausschuss im Einzelfall einen konkreten Anlass mitteilen würde, entspricht nicht der Intention des Betriebsverfassungsgesetzes. Die Kammer kann im Betriebsverfassungsgesetz keine Norm finden, nach der ein Betriebsrat oder Betriebsausschuss verpflichtet wäre, seine konkreten Prüfungen jeweils der Arbeitgeberin mitzuteilen.

Eine solche Mitteilungspflicht und eine damit einhergehende Überwachung des Betriebsrates durch die Arbeitgeberin wäre jedoch Folge des von ihr vorgeschlagenen zweistufigen Verfahrens.

Zum Anspruch des Betriebsrats auf Auskunft über Bedingungen bei Leistung von Sonderzahlungen

(Landesarbeitsgericht Hessen, Beschluss vom 10. Dezember 2018 – 16 TaBV 130/18 –)

Es bestehen keine datenschutzrechtlichen Bedenken, den Arbeitgeber für verpflichtet zu halten, dem Betriebsrat Auskunft darüber zu erteilen, an welche Arbeitnehmer mit Ausnahme leitender Angestellter Sonderzahlungen geleistet wurden.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Auskunftserteilung gegenüber dem Betriebsrat, an welche Arbeitnehmer, in welcher Höhe, auf welcher Grundlage und nach welchen Kriterien Zulagen, Prämien, Gratifikationen, Provisionen oder sonstige Sonderzahlungen ab dem 1. September 2016 gezahlt wurden. Der Betriebsrat verlangt die Auskunft auf der Grundlage von § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben und sich der Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 4. Mai 2015 – 16 TaBV 175/14 – angeschlossen.

Aus den Gründen:

  1. Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag zu Recht stattgegeben. Die Beschwerdekammer schließt sich der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts an und nimmt hierauf Bezug. Die Ausführungen der Arbeitgeber in der Beschwerdebegründung und im Schriftsatz vom 23. November 2018 führen zu keiner abweichenden Beurteilung.

Wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, wird der allgemeine Unterrichtungsanspruch des § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG nicht durch den Anspruch auf Einsicht in die Bruttoentgeltlisten nach § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG verdrängt. Soweit die Arbeitgeberseite unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30. September 2008 – 1 ABR 54/07 – eine andere Auffassung vertritt, trifft diese nicht zu. Vielmehr führt das Bundesarbeitsgericht dort unter Rn. 30 ausdrücklich aus, dass der Auskunftsanspruch des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG im Bereich der Löhne und Gehälter nicht durch die Regelung des S. 2 des 2. Halbsatzes der Vorschrift verdrängt wird.

Der Auskunftsanspruch gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG und das Einblicksrecht nach § 80 Abs. 2 S. 2 HS 2 BetrVG unterscheiden sich sowohl nach ihrem Inhalt als auch nach ihren Voraussetzungen und kommen nebeneinander in Betracht. Allerdings kann nach § 80 Abs. 2 S. 2 HS 2 BetrVG in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter nur Einblick genommen werden. Das Einsichtsrecht steht überdies nur dem Betriebsausschuss, einem nach § 28 BetrVG gebildeten Ausschuss oder – in kleineren Betrieben – den Betriebsratsvorsitzenden zu, nicht dem gesamten Betriebsratsgremium. Diese Beschränkungen dürfen durch einen auf die Erteilung schriftlicher Informationen über Löhne und Gehälter gerichteten Auskunftsanspruch nicht umgangen und aufgehoben werden.

Eine derartige Umgehung liegt hier nicht vor. Die vom Betriebsrat begehrte Auskunft kommt einer Bruttolohn- und Gehaltsliste nicht gleich, da sie sich nur auf einen abgrenzbaren Teil der Vergütung in Form einzelner Gehaltsbestandteile der Arbeitnehmer, nämlich Zulagen, Prämien, Gratifikationen, Provisionen oder sonstige Sonderzahlungen, die ab dem 1. September 2016 gezahlt wurden, bezieht. Der Betriebsrat begehrt gerade nicht die schriftliche Auskunft über die gesamten Bruttoentgelte sämtlicher Arbeitnehmer des Betriebs mit Ausnahme leitender Angestellter. Aus diesem Grund steht der Auskunftsanspruch auch dem Betriebsrat und nicht lediglich dem in § 80 Abs. 2 S. 2 HS 2 BetrVG genannten Adressatenkreis zu.

Aus demselben Grund besteht Anspruch auf eine schriftliche Auskunft. Zwar verhält sich § 80 Abs. 2 S. 1 HS 1 BetrVG nicht darüber, in welcher Form der Arbeitgeber die benötigte Auskunft zu erteilen hat, jedoch ist er bei – wie hier – umfangreichen und komplexen Angaben nach § 2 Abs. 1 BetrVG regelmäßig gehalten, die Auskunft schriftlich zu erteilen (Bundesarbeitsgericht 7. Februar 2012 – 1 ABR 46/10 – Rn. 14f; 30. September 2008 – 1 ABR 54/07 – Rn. 29ff).

Weil sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Auskunftsanspruch gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG und das Einblicksrecht nach § 80 Abs. 2 S. 2 HS 2 BetrVG sowohl nach ihrem Inhalt als auch nach ihren Voraussetzungen unterscheiden und nebeneinander in Betracht kommen, gelten die einschränkenden Voraussetzungen, unter denen der Arbeitgeber einem vom Betriebsrat gebildeten Ausschuss Einblick in die Listen über die Bruttoentgelte gewähren muss, für die Vorlage von Unterlagen nach § 80 Abs. 2 S. 2 HS 1 BetrVG nicht (Bundesarbeitsgericht 7. Februar 2012 – 1 ABR 46/10 – Rn. 15).

Im Übrigen betrifft die streitgegenständliche Auskunft nur einen abgrenzbaren Teil der Vergütung der Beschäftigten und kommt daher – wie ausgeführt – einem Einblick in die Bruttoentgeltlisten nicht gleich.

Nach § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und nach Satz 2 Halbs. 1 auf Verlangen die zur Durchführung der Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Mit dieser Verpflichtung geht ein entsprechender Anspruch des Betriebsrats einher, soweit die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist (BAG 15. März 2011 – 1 ABR 112/09 – Rn. 23).

Zu den Aufgaben des Betriebsrats iSv. § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG gehört es auch, nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmenden geltenden Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden. Diese Überwachungsaufgabe ist weder von einer zu besorgenden Rechtsverletzung des Arbeitgebers beim Normvollzug noch vom Vorliegen besonderer Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte abhängig (BAG 24. Januar 2006 – 1 ABR 60/04 – Rn. 23). Hieraus folgt eine zweistufige Prüfung darauf hin, ob überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben und ob im Einzelfall die begehrte Information zu ihrer Wahrnehmung erforderlich ist (BAG 7. Februar 2012 – 1 ABR 46/10 – Rn. 7; 30. September 2008 – 1 ABR 54/07 – Rn. 28, BAGE 128, 92).

Der nach § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG erforderliche Aufgabenbezug liegt vor. Dieser ergibt sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Für die Ausübung seines sich hieraus ergebenden Mitbestimmungsrechts benötigt der Betriebsrat die mit dem Antrag begehrten Informationen.

Der Betriebsrat benötigt für die Ausübung seines Mitbestimmungsrechts die Kenntnis über den derzeitigen Adressatenkreis der betreffenden Leistung, weil sein Mitbestimmungsrecht die Grundsätze für die Verteilung freiwilliger Leistungen einschließt (Fitting, BetrVG, 29. Aufl., § 87 Rn. 430, 443ff). Das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG sieht eine Beteiligung des Betriebsrats dabei vor, wie im Rahmen der mitbestimmungsfreien Vorgaben die einzelnen Leistungen zu berechnen sind und ihre Höhe im Verhältnis zueinander berechnet werden soll. Die damit verbundenen Festlegungen betreffen nicht die absolute, sondern die relative Höhe der Leistung im Verhältnis der Arbeitnehmer untereinander und schaffen auf diese Weise Entlohnungsgrundsätze (Fitting, BetrVG, § 87 Rn. 447). Hierfür benötigt er die Kenntnis, wer in der Vergangenheit welche Leistungen erhalten hat.

Wie das Arbeitsgericht weiter zutreffend erkannt hat, kann sich der Betriebsrat für sein Begehren auch auf § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG berufen, weil er darüber zu wachen hat, dass die zugunsten der Arbeitnehmenden geltenden Gesetze und Tarifverträge durchgeführt werden. Hierzu gehört auch die sich aus § 75 Abs. 1 BetrVG ergebende Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beachtung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes (BAG 26. September 2017 – 1 ABR 27/16 – Rn. 16; 14. Januar 2014 – 1 ABR 54/12 – Rn. 23).

Für die Wahrnehmung seiner Aufgabe, auf die Herstellung innerbetrieblicher Lohngerechtigkeit hinzuwirken, benötigt er die Kenntnis effektiv gezahlter Vergütungen, um sich ein Urteil darüber bilden zu können, ob insoweit ein Zustand innerbetrieblicher Lohngerechtigkeit existiert oder nur durch eine andere betriebliche Lohngestaltung erreicht werden kann.

Daher ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Einsichtsrecht des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 S. 2 HS 2 BetrVG in die Brutttoentgeltlisten auch dann besteht, wenn der Betriebsrat gerade feststellen will, welche Arbeitnehmer welche Entgeltbestandteile erhalten und wie hoch diese sind.

Entsprechendes gilt auch für den Auskunftsanspruch aus § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG über Zulagen, Prämien, Gratifikationen, Provisionen und sonstige Sonderzahlungen. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberseite bestehen hinsichtlich der Weitergabe der im Antrag genannten Daten an den Betriebsrat keine datenschutzrechtlichen Bedenken.

Hinsichtlich der Rechtslage vor dem 25. Mai 2018 wird insoweit zunächst auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Januar 2014 – 1 ABR 54/12 – Rn. 27ff Bezug genommen.

Für die Zeit ab 25. Mai 2018 ergibt sich nichts anderes. Im Rahmen des mit den Beschäftigten bestehenden Arbeitsverhältnisses erhebt der Arbeitgeber in zulässiger Weise Daten, unter anderem über die Person der Arbeitnehmenden und die an diese zu leistende Vergütung. Die Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten durch den Arbeitgeber ist datenschutzrechtlich unbedenklich. Dies folgt aus § 26 Abs. 1 BDSG. Wie § 26 Abs. 6 BDSG ausdrücklich klarstellt, bleiben die Beteiligungsrechte der Interessenvertretungen der Beschäftigten unberührt.

Recht des Betriebsrats auf die Einsichtnahme in nicht anonymisierte Bruttoentgeltlisten

(Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Beschluss vom 22. Oktober 2018 – 12 TABV 23/18 –)

Die Erfüllung des nach § 80 Abs. 2 2. Halbs. BetrVG dem Betriebsrat zustehenden Rechts auf Einsichtnahme in die Bruttolohn- und Gehaltslisten gestattet Art. 6 Abs. 1 lit. c DS-GVO, da sie einer wirksam durch nationales Recht begründeten rechtlichen Verpflichtung entspricht. Die notwendige Erforderlichkeit des Personenbezugs der Angaben ergibt sich aus dem Umfang des Kontrollrechts der Mitarbeitervertretung.

Das Anbringen einer Kameraattrappe durch einen Vermieter in einem Mehrfamilienhaus ist ohne Zustimmung der Mitbewohner eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

(Landgericht Essen, Urteil vom 30. Januar 2019 – 12 O 62/18 –)

Für einen rechtswidrigen „Überwachungsdruck“ reicht es aus, dass der Mieter eine Überwachung ernsthaft befürchten muss, was bei einer täuschend echt aussehenden und mit einem rot leuchtenden Lämpchen versehenen Attrappe der Fall ist, da dem Mieter nicht zuzumuten und auch nicht möglich ist, ständig zu überprüfen, ob die Attrappe nicht vielleicht doch durch eine echte Kamera ersetzt worden ist.

Störung des öffentlichen Friedens durch Fake News in Blogeintrag

(Amtsgericht Mannheim, Urteil vom 7. Januar 2019 – 806 Js 10181/18 –)

Ein Redakteur macht sich der Störung des öffentlichen Friedens schuldig, wenn er vortäuscht, die Verwirklichung eines Mordes, Totschlags oder einer schweren Körperverletzung stehe konkret bevor, indem er in seinem Nachrichten-Blog aus objektiver Perspektive bewusst wider besseren Wissens über einen Terroranschlag berichtet.

Datenschutzrechtlich unzulässiges GPS-Ortungssystem des eigenen Fuhrparks

(Verwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 19. März 2019 – Az. 4 A 12/19 –)

Nach dem gegebenen Sachstand fehlt für das System sowohl ein Erlaubnistatbestand nach § 26 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 BDSG (Erforderlichkeit für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses) als auch eine solche nach § 26 Abs. 2 S. 1 BDSG (Einwilligung).

Zulässigkeit von abschnittsbezogenen automatisierten Geschwindigkeitskontrollen (Section Control)

(Verwaltungsgericht Hannover, Urteil vom 12. März 2019 – 7 A 849/19 –)

  1. Die Durchführung einer abschnittsbezogenen Geschwindigkeitskontrolle (Section Control) greift in das Grundrecht der betroffenen Kraftfahrzeugführer auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein. Dies gilt auch für die (Nichttreffer-)Fälle, in denen ein Geschwindigkeitsverstoß durch die Anlage nicht festgestellt wird.
  2. Die abschnittsbezogene Geschwindigkeitskontrolle bedarf daher einer bereichsspezifischen, präzisen und normenklaren Rechtsgrundlage.
  3. Eine solche Rechtsgrundlage lässt sich zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung weder im Bundes- noch im niedersächsischen Landesrecht finden.
  4. Das Fehlen einer (hinreichend bestimmten) Rechtsgrundlage für die abschnittsbezogene Geschwindigkeitskontrolle ist auch nicht während eines sog. Pilotbetriebes der Anlage im überwiegenden öffentlichen Interesse hinzunehmen.

Auskunft an die Presse über Verbleiben eines wegen Volksverhetzung verurteilten Polizisten im Dienst

(Verwaltungsgericht Dresden, Beschluss vom 23. Januar 2019 – 2 L 827/18 –)

  1. Der Freistaat Sachsen darf vor der Presse nicht geheimhalten, ob ein wegen entsprechender Äußerungen in den sozialen Medien wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilter Polizist weiter im Dienst ist und ob er mit hoheitlichen Aufgaben betraut ist.
  2. Der Anspruch des Betroffenen auf Wahrung seines Persönlichkeitsrechts tritt zurück, da sich der Polizist durch sein Verhalten selbst in die Öffentlichkeit begeben und sich identifizierbar gemacht hat. Deshalb überwiegt das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegenüber seinen Persönlichkeitsrechten (§ 4 Abs. 1 SächsPressegesetz).