Urteil : Zum Auskunftsanspruch des Versicherungsnehmers in der privaten Krankenversicherung : aus der RDV 3/2024, Seite 182-182
(BGH, Urteil vom 6. Februar 2024 – VI ZR 15/23 –)
Aus Art. 15 Abs. 1 und 3 DS‑GVO folgt grundsätzlich kein Anspruch auf Abschriften der Begründungsschreiben samt Anlagen zu Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung (Anschluss an BGH, Urt. v. 27.09.2023 – IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 45 ff.).
Aus den Gründen:
b) Art. 15 Abs. 1 DS‑GVO gibt der betroffenen Person gegenüber dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen (Art. 4 Nr. 7 DS‑GVO) ein Auskunftsrecht über die Verarbeitung personenbezogener Daten. Gem. Art. 4 Nr. 1 DS‑GVO sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person („betroffene Person“) beziehen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der Begriff weit zu verstehen. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist (vgl. EuGH, Urt. v. 04.05.2023 – C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 23 f.; vgl. auch Senat, Urt. v. 15.06.2021 – VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 22 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen sind Schreiben der betroffenen Person an den Verantwortlichen ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten einzustufen, da die personenbezogene Information bereits darin besteht, dass die betroffene Person sich dem Schreiben gem. geäußert hat, umgekehrt aber – wie hier maßgeblich – Schreiben des Verantwortlichen an die betroffene Person nur insoweit, als sie Informationen über die betroffene Person nach den oben genannten Kriterien enthalten. Dementsprechend sind auch nur die personenbezogenen Daten eines Versicherungsscheins nicht kategorisch vom Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 1 DS‑GVO ausgeschlossen (BGH, Urt. v. 27.09.2023 – IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 48; vgl. auch Senat, Urt. v. 15.06.2021 – VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 25).
c) Der klägerische Antrag zielt auf die Übermittlung einer Abschrift der gesamten Begründungsschreiben des Beklagten zur im Jahr 2016 erfolgten Beitragserhöhung samt Anlagen ab. Einzelne Teile dieser Schreiben und Anlagen enthalten zwar einzelne personenbezogene Daten des Klägers als Versicherungsnehmer des Beklagten, es handelt sich aber weder bei den Anschreiben des Beklagten selbst noch bei den beigefügten Anlagen (Beiblätter, Nachtrag zum Versicherungsschein) in ihrer Gesamtheit um personenbezogene Daten des Klägers. Eine Beschränkung des geltend gemachten Anspruchs und seines Antrags auf die in den Schreiben enthaltenen personenbezogenen Daten hat der Kläger jedoch nicht vorgenommen (vgl. BGH, Urt. v. 27.09.2023 – IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 46 ff.).
d) Auch aus Art. 15 Abs. 3 DS‑GVO kann der Kläger keinen Anspruch auf Ausfolgung einer Kopie der Begründungsschreiben samt Anlagen herleiten. Art. 15 Abs. 3 DS‑GVO legt die praktischen Modalitäten für die Erfüllung des Anspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DS‑GVO fest, gewährt aber keinen weitergehenden eigenen Anspruch. Der Begriff „Kopie“ in Art. 15 Abs. 3 DS‑GVO bezieht sich nicht auf ein Dokument als solches, sondern auf die personenbezogenen Daten, die es enthält. Die Kopie muss daher alle personenbezogenen Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind. Die Reproduktion von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken kann sich aber dann als unerlässlich erweisen, wenn die Kontextualisierung der verarbeiteten Daten erforderlich ist, um ihre Verständlichkeit zu gewährleisten und der betroffenen Person die wirksame Ausübung ihrer Rechte zu gewährleisten (vgl. EuGH, Urt. v. 04.05.2023 – C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 31 f., 41, 45; v. 22.06.2023 – C-579/21, NJW 2023, 2555 Rn. 66; v. 26.10.2023 – C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 74 f.; BGH, Urt. v. 27.09.2023 – IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 51 ff.).
Diese Ausnahme greift vorliegend nicht. Denn der Kläger hat weder dazu vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass die Kontextualisierung der verarbeiteten Daten erforderlich wäre, um ihre Verständlichkeit zu gewährleisten, sodass ausnahmsweise die Übermittlung einer Kopie des jeweiligen vollständigen Begründungsschreibens samt Anlagen nötig wäre (vgl. BGH, Urt. v. 27.09.2023 – IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 55).