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Aufsatz : Location Based Advertising – Eine Analyse aus datenschutz- und wettbewerbsrechtlicher Sicht : aus der RDV 4/2018, Seite 193 bis 198

Lesezeit 17 Min.

Der Anteil ortsbezogener (Location Based) Services ist in den letzten Jahren rasant angestiegen und wird vor allem vom stationären Handel als wichtiges Marketinginstrument angesehen, um Kunden direkt am Point of Sale anzusprechen. Jeder dritte Smartphone Nutzer teilt seinen Standort mit, um ortsbezogene Dienste zu nutzen. Wo finde ich ein bestimmtes Geschäft, Restaurant oder den nächsten Friseur? Location Based Services ermöglichen eine unmittelbare Antwort auf all diese täglichen Fragen und Bedürfnisse der Nutzer. Genau diese Möglichkeit, den Nutzer über sein persönlichstes Gerät (das Smartphone) jederzeit an seinem Standort anzusprechen und mit relevanten Informationen, Services und Angeboten zu bespielen, macht die Nutzung von Standortdaten für das Marketing von Unternehmen so attraktiv. Seit dem 25. Mai 2018 gilt die EU-Datenschutzgrundverordnung. Mit ihr finden viele Fragen im Zusammenhang mit Online- und Mobile-Werbung und damit auch dem Location Based Advertising eine neue Beantwortung. Das Location Based Advertising, also Werbung unter Nutzung von Angaben über den Standort des Users, stellt dabei eine besonders sensible Art der Werbung dar. Die Standortdaten können – insbesondere in Verbindung mit anderen personenbezogenen Daten – besonders viel zur Bestimmbarkeit, Individualisierung oder Profilbildung des Einzelnen beitragen. Die Verarbeitung von Standortdaten unterliegt daher besonders hohen Hürden und Risiken. Auch das Wettbewerbsrecht kann unter den Aspekten der unzumutbaren Belästigung und der Behinderung von Wettbewerbern zur Hürde für das Location Based Marketing werden. Dieser Beitrag soll einen Überblick über die wichtigsten Anforderungen der DS-GVO und des Wettbewerbsrechts in Bezug auf das Location Based Advertising geben.

I. Location Based Advertising

Location Based Marketing ist ein Advertising-Konzept, welches auf ortsbezogene Werbung setzt. Hierbei wird der aktuelle Aufenthaltsort eines Smartphone-Nutzers ermittelt, um ihm dann Angebote und Aktionen in der Nähe anzuzeigen. Meist erfolgt dies durch eine entsprechende App, die der Nutzer auf seinem Smartphone installiert hat. Wenn sich der Nutzer dann in einem bestimmten Bereich befindet, können ihm über die App gezielt Angebote in seiner Nähe unterbreitet werden. Zusammenfassend kann somit Location Based Advertising als eine Marketingmethode beschrieben werden, die die Standortinformationen des Users nutzt, um diesen am Point of Sale und Point of Interest mit relevanten Informationen zu versorgen.

Aus technischer Sicht gibt es dabei unterschiedliche Möglichkeiten, wie die Standorte der Nutzer erfasst und in welcher Form Nutzer beispielsweise am Point of Sale mit ortsbezogener Werbung angesprochen werden. Bei der direkten Ansprache liegen sicherlich die Push-Nachrichten vorn, bei der Bestimmung des Standortes kommen GPS, Wifi, RFID, NFC, Bluetooth (Beacons) sowie Informationen wie mobile Funkzelle, IP-Adresse und Netzwerkdaten zum Einsatz, je nachdem, wie genau der Standort des Nutzers erfasst werden soll.

Beispiele für den Einsatz von Location Based Marketing sind etwa Geo-Fencing und Tracking. Beim Geo-Fencing werden virtuelle Grenzen („Zäune“) innerhalb eines bestimmten Gebietes gezogen. Überschreitet ein Smartphone Nutzer diese Grenzen, so registriert das System den Einund Austritt in den registrierten Bereich und lässt bspw. regionale Angebote in Form von Nachrichten zukommen. Verfügt der Kunde über entsprechende Apps, so kann durch die Kombination mit den Standortdaten ein ganzes Gerüst an Informationen über das Kaufverhalten erstellt werden.

Aber es ist auch eine noch gezieltere Kundenansprache möglich. Beim Tracking der Standortdaten wird von der Zustimmung zur „Nutzung des Standortes“ Gebrauch gemacht, die viele Apps vom Kunden vor der Nutzung einholen. Wird dabei ein ungefähr umrissener Weg zur Arbeit deutlich, so kann das gezielte Versenden von Angeboten über Kaffeespezialitäten in der unmittelbaren Nähe vom Kunden als Mehrwert empfunden werden. Bei all diesen Vorteilen für Werbetreibende sind aber die Grenzen des Datenschutzrechts und Wettbewerbsrechts zu beachten.

II. Das Datenschutzrecht

Voraussetzung für die Anwendbarkeit der DS-GVO ist zunächst die Verarbeitung personenbezogener Daten (vgl. Art. 2 Abs. 1 DS-GVO).

1. Personenbezogene Daten

Liegen „personenbezogene Daten“ vor, ist der sachliche Schutzbereich der Datenschutzgrundverordnung eröffnet. Daten sind „personenbezogen“, wenn sie mindestens eine Information über eine identifizierte Person enthalten, ohne dass die Information selbst die Identifikation herbeiführen muss.[1] Ist die betroffene Person nicht benannt, so genügt eine Identifizierbarkeit der Person. Eine Möglichkeit der Identifizierbarkeit besteht gemäß Art. 4 Nr.1 DS-GVO in der Zuordnung zu Standortdaten. Da Identifizierbarkeit genügt, muss durch die Zusammenführung nicht etwa der Name der betroffenen Person bekannt werden.[2] Liegen beispielsweise genügend Standortdaten vor, so kann dies auch allein für die Identifizierbarkeit einer Person genügen.

Die DS-GVO nimmt dabei keinen ausdrücklichen Bezug auf das Location Based Advertising. Allerding ist dieses – zumindest bei einer umfassenden Nutzung – eng verbunden mit dem Konzept des Profilings, sodass sich die rechtlichen Anforderungen an das Location Based Advertising auch aus den Anforderungen an das Profiling ergeben. Das Profiling setzt die Bildung von Nutzerprofilen voraus, die viele Informationen enthalten, die zur Identifizierbarkeit einer Person beitragen können. Mittels Standorten können dabei sehr aufschlussreiche Informationen über Wohnort, Arbeitsplatz, regelmäßig zurückgelegte Strecken und Vorlieben erhoben werden, die die Profilbildung erleichtern. Die Anforderungen an das Location Based Advertising sind daher zunächst an den Anforderungen des Profilings zu messen.

2. Profiling

Mittels Profiling werden personenbezogene Daten für eine automatisierte Bewertung persönlicher Aspekte einer natürlichen Person genutzt. Bewertet werden kann dabei auch der Aufenthaltsort einer natürlichen Person und ein Ortswechsel.[3] Damit fällt die Nutzung standortbasierter Werbung zunächst unter den Begriff des Profiling und eröffnet dabei die besonderen Anforderungen der DS-GVO hieran. Dabei kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass gemäß Art. 22 der DS-GVO personalisierte, auch standortbezogene, Werbung den Betroffenen „erheblich beeinträchtigt“ und daher verboten ist. Eine solche Folge kann nur dann angenommen werden, wenn die Entscheidung rechtliche oder erhebliche Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen, etwa auf wirtschaftlicher oder persönlicher Ebene, hat.[4] Dies ist in der Regel bei Location Based Advertising nicht der Fall. Art. 22 Abs. 2 DS-GVO bestimmt zudem, dass personalisierte Werbung unter den dort genannten Voraussetzungen (Erforderlichkeit für die Erfüllung eines Vertrages, gesetzliche Erlaubnis, Einwilligung) zulässig ist. Die Zulässigkeit für standortbasierte Werbung richtet sich damit nach den allgemeinen Rechtmäßigkeitsanforderungen für Datenverarbeitungen nach der DS-GVO.

3. Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung nach der DS-GVO

Die Eröffnung des Anwendungsbereiches der DS-GVO führt grundsätzlich dazu, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten verboten ist, jedoch durch bestimmte Erlaubnistatbestände rechtmäßig werden kann (sog. Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Die wichtigsten Erlaubnistatbestände enthält dabei Art. 6 Abs. 1 DS-GVO. Hervorzuheben sind dabei vor allem die Einwilligung gemäß Art. 6 Abs.1 S. 1 lit. (a) DS-GVO und die Interessenabwägung gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. (f) DS-GVO. Neben Einwilligung und Interessenabwägung kommen gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. (c) DS-GVO auch gesetzliche Regelungen als Erlaubnistatbestände für Datenverarbeitungen in Betracht, sowie die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung für die Durchführung eines Vertrages gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. (b) DS-GVO.

Die Einwilligung erfordert eine „eindeutig bestätigende Handlung“ als vorherige Zustimmung in die Datenverarbeitung durch den Betroffenen.[5] Gemäß der Transparenz- und Informationsvorschriften der DS-GVO muss es sich dabei um eine „informierte Einwilligung“ handeln (vgl. Art. 4 Nr. 11 DS-GVO). Das heißt, dass der Betroffene in einer „leicht verständlichen Sprache“ belehrt werden muss, in was er einwilligt. Darüber hinaus muss über den Verantwortlichen, den Zweck und die Dauer der Datenverarbeitung sowie über seine Betroffenenrechte, vor allem sein Widerrufsrecht, aufgeklärt werden (vgl. Art. 12 und 13 DS-GVO).[6]Die Einholung der Einwilligung darf dabei nicht unfreiwillig erfolgen (vgl. Art. 7 Abs. 4 DS-GVO). Bezüglich der Form der Einwilligung genügt eine unmissverständliche Handlung. Diese kann mündlich, schriftlich oder elektronisch erfolgen. Auch ein Mausklick kann damit ausreichend sein.[7] Willigt der Betroffene in standortbasierte Werbung ein, so ist die Datenverarbeitung nur dann zulässig, wenn die Einwilligungserklärung diese Anforderungen erfüllt. Zahlreiche Apps (wie WetterApps oder Karten-Apps) verlangen vor Beginn der Nutzung der App die Einwilligung in die Nutzung von Standortdaten. Werden solche Daten für Werbezwecke genutzt, ist insbesondere auf die transparente Kommunikation dieses Zusammenhangs zu achten.

Die Interessenabwägung gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. (f) DS-GVO verlangt, dass die Rechte und Interessen der betroffenen Personen mit den Interessen des Unternehmens abgewogen werden müssen. Die DS-GVO erkennt dabei die Direktwerbung ausdrücklich als berechtigtes Unternehmensinteresse an (vgl. Erwägungsgrund 47 der DSGVO). Dabei verlangt Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. (f) DS-GVO, dass die Verarbeitung für die Wahrung der Interessen des werbenden Unternehmens erforderlich ist. An die Erforderlichkeit sind jedoch keine strengen Maßstäbe im Sinne echter Verhältnismäßigkeit zu stellen. Es genügt, wenn das Erforderlichkeitskriterium als Ausgangspunkt für die Abwägung der Rechte und Interessen der Beteiligten herangezogen werden kann.[8] Dabei ist für standortbasierte Werbung einerseits deren hohe Effizienz, andererseits aber der besonders sensible Charakter von Standortdaten zu berücksichtigen. Um die Abwägung im Sinne der Unternehmen zu gestalten, müssen diese bestimmte Maßnahmen ergreifen, um die Rechte und Interessen der betroffenen Personen zu schützen. Die wichtigste Voraussetzung ist dabei die Pseudonymisierung der Daten.

Werden Standortdaten zu Werbezwecken verwendet, ist nach der Art ihrer Verwendung zu differenzieren. Danach richtet sich welcher Erlaubnistatbestand der DS-GVO greift. Sind Standortdaten zur Durchführung eines Vertrages erforderlich (bspw. Navigations-App oder Lauftracker), so genügt gemäß Art. 6 Abs. 1 S.1 lit. (b) DS-GVO, dass die betroffene Person Vertragspartei dieses Vertrages ist. Dagegen ist eine Einwilligung erforderlich, wenn der Vertragszweck auch ohne den aktuellen Standort des Betroffenen erfüllt werden kann (z.B. bei einer Wetter-App, da auch davon ausgegangen werden kann, dass der Betroffene selbst den Ort aus einer Liste auswählt, an dem er sich befindet, ohne dass die App diesen Ort automatisch finden muss). Liegt weder eine Einwilligung gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. (a) DS-GVO noch die Erforderlichkeit für eine Vertragsdurchführung gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. (b) DS-GVO vor, ist eine Interessenabwägung gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. (f) DSGVO, wie oben beschrieben, notwendig.

4. Pseudonymisierung

Besteht die Erforderlichkeit einer solchen Interessenabwägung, sollten Verantwortliche unbedingt auf die Einhaltung der Grundsätze der Pseudonymisierung achten, um die Interessenabwägung zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Gemäß Art. 4 Nr. 5 DS-GVO handelt es sich bei der Pseudonymisierung von Daten um die Verarbeitung von personenbezogenen Daten in einer Weise, die die Zuordnung zu einer identifizierbaren Person ohne Hinzuziehung zusätzlicher Informationen nicht mehr ermöglicht. Damit es nicht zu einer Zuordnung zur Identität der betroffenen Person kommt, müssen die (weiteren) Daten, die eine solche Zuordnung ermöglichen, gesondert aufbewahrt werden. Besondere technische und organisatorische Maßnahmen müssen die Zusammenführung mit anderen Daten verhindern, um die Zuweisung zu einer Person zu vermeiden.[9] Kann unter Berücksichtigung aller dem Verantwortlichen oder einer anderen Person zur Verfügung stehenden Mittel davon ausgegangen werden, dass eine Identifikation der Person wahrscheinlich erfolgen kann, handelt es sich um den Tatbestand der Pseudonymisierung, der Personenbezug bleibt erhalten und die DS-GVO bleibt anwendbar.[10] Wird der Personenbezug etwa durch Löschung der Identifikationsmerkmale dagegen aufgehoben, liegt der Tatbestand der Anonymisierung vor und die DS-GVO ist nicht mehr anwendbar.[11]

Im Falle der Verarbeitung von Standortdaten für Zwecke des Location Based Advertising ist die Pseudonymisierung deshalb von großer Bedeutung, weil im Falle einer Interessenabwägung die berechtigten Unternehmensinteressen dem Interesse des Einzelnen am Schutz besonders wichtiger Daten gegenüberstehen. Ohne Pseudonymisierung könnte ein Überwiegen der Unternehmensinteressen gegenüber dem Schutz vor Bekanntwerden der eigenen Standortdaten kaum gerechtfertigt werden. Neben der Pseudonymisierung ist durch weitere Vorsichtsmaßnahmen, gegebenenfalls auch in den technischen Voreinstellungen (Privacy by Design), darauf zu achten, dass die mittels Standortdaten erhobenen Daten eine gewisse Unschärfe aufweisen und keine Zusammenführung mit besonders sensiblen Informationen ermöglichen. So dürfen etwa keine Bewegungsprofile erstellt werden oder Daten erhoben werden, die Rückschlüsse auf bestimmte Krankheiten (Arztpraxen) oder Glaubenszugehörigkeiten (Kirchen) ermöglichen.

Werden Signale demnach um ein Haus gestreut und wird auf diese Weise der Standort einer Person eingegrenzt und für interessenbasierte Werbung genutzt, so kann wegen der gewahrten Unschärfe grundsätzlich von einem Überwiegen der Unternehmensinteressen gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. (f) DS-GVO ausgegangen werden. Kommt es dagegen umgekehrt zu einer Zusammenführung dieser Standortdaten mit anderen Daten, die eine Individualisierung des Einzelnen ermöglichen, so überwiegen die Interessen des Betroffenen und die Interessenabwägung fällt zu seinen Gunsten aus. Standortbasierte Werbung auf dieser Grundlage wäre dann ein Verstoß gegen die DS-GVO. Erforderlich wäre eine Einwilligung gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. (a) DS-GVO.

5. Neueste Entwicklungen

Allerdings ist aktuell fraglich, ob standortbasierte Werbung in Deutschland überhaupt auf eine Interessenabwägung gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. (f) DS-GVO gestützt werden kann oder ob immer eine Einwilligung gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. (a) DS-GVO notwendig ist.

Die unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder veröffentlichten am 25.04.2018 eine Stellungnahme, in der im Zusammenhang mit der Nutzung von Cookies erklärt wurde, dass beim Einsatz von Tracking-Mechanismen im Internet in jedem Fall eine informierte Einwilligung des Nutzers eingeholt werden muss.[12] Dies kann generell auch auf den Einsatz von Technologien zur Standortbestimmung übertragen werden.

Gegen die Auslegung des DSK spricht, dass die DS-GVO in Erwägungsgrund 47 und in Art. 21 die Direktwerbung als berechtigtes Interesse ausdrücklich anerkennt und damit nahelegt, dass sie zum Gegenstand einer Interessenabwägung gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. (f) DS-GVO gemacht werden kann. Die unbedingte Erforderlichkeit einer Einwilligung für Tracking- und Profiling-Maßnahmen würde dieser gesetzgeberischen Wertung widersprechen. Für eine sachgerechte Differenzierung sind wohl auf die Art der Trackingmaßnahme und die berechtigten Erwartungen der betroffenen Personen abzustellen.

Kann dieser vernünftigerweise mit dem Tracking rechnen, so genügt eine Interessenabwägung. Geht die Art und Weise des Trackings jedoch über die berechtigten Erwartungen hinaus, so ist eine Einwilligung erforderlich. Ähnlich argumentiert die Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit e.V.[13] Letzteres dürfte insbesondere bei Zusammenführung der Standortdaten mit anderen Daten der Fall sein, die eine Individualisierung ermöglichen, da ein solch erheblicher Eingriff in die Privatsphäre des Einzelnen nicht mehr erwartet werden kann und von seiner Einwilligung abgedeckt sein muss. Für das Jahr 2019 wird mit dem Inkrafttreten der ePrivacy-Verordnung gerechnet. Diese soll als lex specialis den Datenschutz für Fälle der elektronischen Kommunikation regeln.[14] Da auch diese Verordnung die Verarbeitung von Standortdaten regelt, kann es in Zukunft zu Rechtsunsicherheit kommen. Standortdaten könnten dann jeweils einer unterschiedlichen Behandlung unterliegen, abhängig davon, ob sie im Rahmen elektronischer Kommunikation oder anderweitig verarbeitet werden.

III. Location Based Advertising und Wettbewerbsrecht

1. Unzumutbare Belästigung

Bei standortbasierter Werbung sind nicht nur die Anforderungen des Datenschutzrechts, sondern auch diejenigen des Wettbewerbsrechts zu beachten.

Werden Push-Mitteilungen versendet, wie es bei Benutzung vieler Apps üblich ist, die auf Standortdaten zurückgreifen, sind die Push-Mitteilungen wie elektronische Post (E-Mails) gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG zu behandeln. Gemäß Art. 2 Satz 2 lit. (h) der ePrivacy-Richtlinie (Richtlinie für elektronische Kommunikation 2002/58/EG) ist elektronische Post jede über ein öffentliches Kommunikationsnetz verschickte Text–, Sprach–, Ton – oder Bildnachricht, die im Endgerät des Empfängers gespeichert werden kann, bis sie von diesem abgerufen wird. Im Unterschied zu E-Mails und SMS lassen sich Push-Nachrichten grundsätzlich nicht ohne weiteres zurückstellen, um später gelesen zu werden. Vielmehr ist primärer Erscheinungsort der Home-Screen des Nutzers, der Schwerpunkt liegt auf einem Moment der Überraschung. Trotz dieser teleologischen Bedenken spricht aber eine funktionale Betrachtung für die Gleichbehandlung von Push-Nachrichten mit E-Mails und SMS. Denn Push-Nachrichten werden über das Internet versandt und auf einem Empfangsgerät oder Server derart gespeichert, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt eingesehen und gelesen werden können.[15] Demgemäß sind werbliche Push-Nachrichten gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG nur dann zulässig, wenn der Nutzer vorher eingewilligt hat. Die Einwilligung muss dabei ausdrücklich erfolgen, freiwillig sein und auf der Grundlage ausreichender Informationen über den Werbenden und den Zweck der Werbung erfolgen. Sie muss sich auf den konkreten Fall beziehen und in vollständiger Kenntnis der Sachlage erfolgen. Ein Durchschnittsverbraucher muss erkennen, dass er sein Einverständnis in den Empfang (standortbasierter) Push-Mitteilungen gibt.[16] Viele Apps erfüllen diese Anforderungen nicht. Vielmehr liegen standardisierte Texte vor, die nicht klar erkennen lassen, dass eine Einwilligung für den Versand von standortbasierten werblichen PushMitteilungen eingeholt wird. Hier ist eine Anpassung, v.a. in App-Stores und Betriebssystemen von Smartphones, erforderlich. Für Unternehmen heißt es aufgrund der technischen Gegebenheiten derzeit noch häufig, einen WorkAround, bspw. durch Info-Screens, zu nutzen, um überhaupt die Möglichkeit zu haben, die rechtlichen Anforderungen zu erfüllen.

2. Behinderung von Mitbewerbern

Zudem kann bei standortbasierter Werbung das Verbot des § 4 Nr. 4 UWG betroffen sein, wenn die Werbung direkten Bezug zu Mitbewerbern aufweist. § 4 Nr. 4 UWG verbietet eine Behinderung von Mitbewerbern. Im Falle von Werbung ist dies vor allem dann der Fall, wenn sie nur den Zweck hat, den Mitbewerber in seiner wettbewerblichen Entfaltung zu hindern.[17] Im Internet ist eine solche unlautere Behinderung dann anzunehmen, wenn durch Störmaßnahmen der Zugang zu einer Website des Mitbewerbers vereitelt, erschwert oder verzögert wird.[18] Vergleicht man dies mit standortbasierter Werbung, so darf jedenfalls durch PushMitteilungen nicht die Speicherkapazität des Nutzers derart beansprucht werden, dass Mitbewerber keine Möglichkeit auf Versenden eigener Push-Nachrichten erhalten (z.B. durch Spamming). Zugleich darf Werbung nicht von einer Intensität sein, dass die Verbreitung oder Rezeption von Werbung des Mitbewerbers verhindert wird. Dies ist bspw. der Fall, wenn der Kunde vor dem Eingang des Konkurrenten durch direkte Ansprache derart abgefangen wird, dass er die Werbung und Angebote des Kontrahenten nicht mehr wahrnehmen kann.[19] Grenzwertig sind daher die Fälle, bei denen ein Kunde im Ladengeschäft eines Konkurrenten per standortbasierter Push-Mitteilung angesprochen wird, um ihn mit Angeboten in das eigene Geschäft zu locken. Dagegen muss ein Wettbewerber es hinnehmen, dass die Werbung eines Mitbewerbers die eigene Werbung beeinträchtigt, etwa weil sie im selben räumlichen Umfeld stattfindet (Geo-Fencing).20 Demgemäß darf auch standortbasierte Werbung dazu dienen, mittels Push-Mitteilungen die Aufmerksamkeit von Angeboten von Mitbewerbern im lokalen Umfeld abzulenken, solange darin keine gezielte Behinderung von Mitbewerbern liegt.

IV. Fazit

Wollen Unternehmen sich absichern, so sollten sie sowohl aus datenschutzrechtlicher als auch aus wettbewerbsrechtlicher Sicht die Einwilligung des Kunden für den Fall standortbasierter Werbung einholen. Diese muss in jedem Fall auf der Grundlage transparenter Information über den Zeck der Einwilligung und freiwillig erfol gen. In Zukunft gilt es für die Rechtsprechung, die ge nauen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit von Location Based Marketing zu klären. Insbesondere das Verhältnis von Location Based Marketing und Profiling sollte von der Rechtsprechung festgelegt werden. Zudem ist eine klare Entscheidungslinie bezüglich der Erforderlichkeit von Einwilligungen im Zusammenhang mit Location Based Advertising und auch übrigen Tracking-Technologien erforderlich. Die Stellungnahme der Datenschutzkonferenz ist in der Praxis nicht zu Unrecht auf Unverständnis gestoßen. Auch das Verhältnis von (geplanter) ePrivacy-Verordnung und DS-GVO bezüglich der Verarbeitung von Standortdaten muss geklärt werden. Die ungleiche Behandlung derselben Daten stellt eine nicht tragbare Rechtsunsicherheit dar.

Insgesamt sollte bei der Nutzung von Location Based Marketing ein gesundes Mittelmaß gewahrt werden. Aus Sicht der Nutzer kann der Mehrwert durch standortspezifische Angebote schnell verloren gehen, wenn der Kunde sich „verfolgt“ fühlt. Die Grenzen des Wettbewerbsrechts über unzumutbare Belästigung sollten daher als Richtschnur für den verhältnismäßigen Einsatz von Location Based Marketing dienen.

Kathrin Schürmann ist Rechtsanwältin und Gründungspartnerin bei Schürmann Rosenthal Dreyer. Schwerpunkte ihrer Beratung sind das Datenschutz- und Wettbewerbsrecht, sowie die angrenzenden Rechtsgebiete, vor allem im Marketing-Bereich. Hierbei betreut die Rechtsanwältin unter anderem Kundenbindungssysteme und digitale Geschäftsmodelle. Weitere Schwerpunkte sind die gesamten Bereiche des Online Marketings, Mobile/Apps, personalisierte Kundenansprache/Datenanalyse und die crossmediale Kommunikation. Kathrin Schürmann ist außerdem Co-Founder von lawpilots, einem E-Learning-Anbieter für die rechtlichen Herausforderungen der Digitalisierung (Schwerpunkt Datenschutz und IT-Sicherheit).

[1] Gola, in: Gola, DS-GVO Kommentar, 1. Aufl. 2017, Art. 4 Rn. 3.

[2] Gola, in: Gola, DS-GVO Kommentar, 1. Aufl. 2017, Art. 4 Rn. 34; Ernst, in: Paal/Pauly, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 4 Rn. 40-47.

[3] Gola, in: Gola, DS-GVO Kommentar, 1. Aufl. 2017, Art. 4 Rn. 34.

[4] Martini, in: Paal/Pauly, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 22, Rn. 26.

[5] Frenzel, in: Paal/Pauly, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 6 Rn. 11.

[6] Paal/Hennemann, in: Paal/Pauly, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 33-35; Paal/Hennemann, in: Paal/Pauly, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 13 Rn. 1.

[7] Albers/Veit, in: BeckOK DatenschutzR, 24. Edition 01.05.2018, DSGVO Art. 6 Rn. 24.

[8] Albers/Veit, in: BeckOK DatenschutzR, 24. Edition 01.05.2018, DSGVO Art. 6 Rn. 24.

[9] Gola, in: Gola, DS-GVO Kommentar, 1. Aufl. 2017, Art. 4 Rn. 36.

[10] Gola, in: Gola, DS-GVO Kommentar, 1. Aufl. 2017, Art. 4 Rn. 39

[11] Gola, in: Gola, DS-GVO Kommentar, 1. Aufl. 2017, Art. 4 Rn. 39f.

[12] Positionsbestimmung der Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder – Düsseldorf, 26. April 2018, abrufbar unter: https://www.ldi.nrw.de/mainmenu_Datenschutz/submenu_Technik/Inhalt/TechnikundOrganisation/Inhalt/Zur-Anwendbarkeit-des-TMG-fuer-nicht-oeffentliche-Stellen-ab-dem-25_-Mai2018/Positionsbestimmung-TMG.pdf.

[13] Zulässigkeit des Trackings nach der DS-GVO – Die GDD bezieht Stellung zur Position der Datenschutzkonferenz, abrufbar unter: https://www.gdd.de/aktuelles/startseite/zulaessigkeit-des-tracking-nachder-ds-gvo.

[14] Selmayr/Ehmann, in: Ehmann/Selmayr, Datenschutzgrundverordnung Kommentar, 1. Aufl. 2017, Einführung Rn. 109.

[15] Schürmann/Günther, Werbung über mobile Push-Dienste als unzumutbare Belästigung? Wettbewerbsrechtliche Einordnung von PushNachrichten, MMR 2015, 419ff.

[16] Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl. 2018, § 7 Rn. 149h.

[17] Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 36. Aufl. 2018, § 4 Rn. 4.71.

[18] Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 36. Aufl. 2018, § 4 Rn. 4.73.

[19] Omsels, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Aufl. 2016, § 4 Rn. 76.