Urteil : Europarechtmäßigkeit des Kündigungsschutzes eines Datenschutzbeauftragten : aus der RDV 4/2020, Seite 208 bis 212
(Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 19. Februar 2020 – 2 Sa 274/19 –)
Die nationalen Regelungen, wonach ein interner Datenschutzbeauftragter nur aus wichtigem Grund gekündigt und nur aus wichtigem Grund von seinem Amt abberufen werden kann (§ 38 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 4 BDSG), sind mit Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO vereinbar.
Sachverhalt:
Die Klägerin begehrt gegenüber der Beklagten zu 1) die Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung des zwischen beiden bestehenden Arbeitsverhältnisses, die Feststellung des Bestehens einer Rechtsstellung der Klägerin als interne Beauftragte für den Datenschutz sowie Weiterbeschäftigung und gegenüber den Beklagten zu 2) bis 5) die Feststellung des Bestehens einer Rechtsstellung der Klägerin als externe Beauftragte für den Datenschutz.
Die am …1977 geborene Klägerin ist auf Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 12.12.2017/18.12.2017 seit 15.01.2018 bei der Beklagten zu 1) als „Teamleiter Recht“ beschäftigt gewesen. Zudem existiert eine im Arbeitsvertrag in Bezug genommene Aufgabenbeschreibung Nr. 9155. Die Parteien sind im Detail unterschiedlicher Auffassung über den Inhalt der arbeitsvertraglichen Tätigkeitspflichten der Klägerin, deren Berichtspflichten sowie deren Vergütungshöhe. Auch ist die Konzernstruktur der Beklagten zwischen den Parteien nicht unstreitig.
Die Beklagte zu 1) beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Vollzeitarbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden. Ein Betriebsrat wurde bei der Beklagten zu 1) gebildet. Mit Schreiben vom 15.01.2018 wurde die Klägerin von der Beklagten zu 1) mit Wirkung vom 01.02.2018 zur betrieblichen Datenschutzbeauftragten bestellt.
Mit Schreiben vom 17.01.2018, 18.01.2018 und 29.01.2018 wurde die Klägerin zur betrieblichen Datenschutzbeauftragten der Beklagten zu 2) bis 5) bestellt. Die Beklagte zu 1) war zur Bestellung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BDSG verpflichtet.
Mit Schreiben vom 13.07.2018 wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die Beklagte zu 1) mit Wirkung zum 15.08.2018 gekündigt. Im Kündigungsschreiben wurde der Klägerin mitgeteilt, dass ihre bisherige Stellung als Datenschutzbeauftragte – vorsorglich auch im Auftrag der Tochterunternehmen – spätestens zum 15.08.2018 enden und hilfsweise aus wichtigem Grund widerrufen wird. Außerdem wurde sie aufgefordert, sich am 18.07.2018 um 09.30 Uhr am Hauptempfang einzufinden, um die gescheiterte Übergabe an Frau R… im Hinblick auf die Funktion Datenschutzbeauftragte nachzuholen und zu diesem Termin mit einem externen Anwalt/Dienstleister zusammenzuarbeiten.
Die Klägerin hat durch Schreiben vom 16.07.2018 die mit Schreiben vom 13.07.2018 erfolgten Widerrufe der Bestellung zur Datenschutzbeauftragten mangels Vorlage einer Vollmacht und hinreichender Vertretungsmacht gegenüber den Beklagten zu 2) bis 5) zurückgewiesen.
Mit Klageschriftsatz vom 02.08.2018, bei Gericht am selben Tag eingegangen, begehrt die Klägerin mit den Klageanträgen zu 1. und 2. gegenüber der Beklagten zu 1) die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung des zwischen beiden bestehenden Arbeitsverhältnisses sowie die Feststellung des Bestehens einer Rechtsstellung der Klägerin als interne Beauftragte für den Datenschutz und mit dem Klageantrag zu 3. gegenüber den Beklagten zu 2) bis 5) die Feststellung des Bestehens einer Rechtsstellung der Klägerin als externe Beauftragte für den Datenschutz. Mit Widerklageschriftsatz vom 14.12.2018 begehrt die Beklagte zu 1) gegenüber der Klägerin und Widerbeklagten die Zahlung eines Schadensersatzes. Mit Klageerweiterungsschriftsatz vom 29.03.2019 begehrt die Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1) ihre Weiterbeschäftigung.
Die Kündigung der Beklagten zu 1) vom 13.07.2018 sei unwirksam. Eine ordentliche Kündigung scheide gemäß § 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG von vornherein aus. Eine außerordentliche Kündigung liege nicht vor. Auch seien deren Voraussetzungen nicht erfüllt. Die behauptete unternehmerische Entscheidung und deren Hintergründe würden bestritten.
Auch seien die Widerrufe der Bestellungen zur Datenschutzbeauftragten unwirksam.
Die Beklagten trugen erstinstanzlich vor, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte zu 1) während der Probezeit der Klägerin wirksam gewesen sei. Es sei unter anderem arbeitsvertragliche Aufgabe der Klägerin gewesen, juristische Beratung des Vorstandes der Beklagten zu 1) und der Geschäftsführer sowie sämtlicher Fachbereiche aller im Sinn der §§ 15 ff. AktG mit der Beklagten zu 1) verbundenen Unternehmen („L… Gesellschaften“) zu leisten. Zu diesem Zweck seien jedenfalls zwischen der Beklagten zu 1) und den Beklagten zu 2), 4) und 5) Dienstleistungsverträge geschlossen worden. Die Beklagte zu 1) habe infolge des Ausscheidens des Vorstandsvorsitzenden und kaufmännischen Vorstandes sowie im Zuge über die Entscheidungen über die Nachbesetzung der Leitung des Zentralbereichs Personal und Recht am 25.06.2018 unter Berücksichtigung an veränderte wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen die unternehmerische Entscheidung getroffen, die Funktion des Zentralbereichsleiters im Teilbereich Recht zu streichen, die Stelle der Teamleitung ZR mit sofortiger Wirkung entfallen zu lassen, den Bereich Datenschutz extern zu vergeben und die interne Rechtsberatung durch eine Stelle im Stile eines Brückenkopfs hin zu externen Anwälten auszugestalten und im Übrigen auf eine externe Kanzlei zu übertragen. Dies habe zu einem Wegfall des Beschäftigungsbedarfs der Klägerin geführt. Die unternehmerische Entscheidung sei auch umgesetzt worden. Beispielsweise sei der Bereich Datenschutz ab dem 15.07.2018 auf die Firma D… GmbH durch Bestellung eines externen Datenschutzbeauftragten übertragen und Compliance-Themen seit dem 01.08.2018 an eine externe Rechtsanwaltskanzlei weitergereicht worden. Die Klägerin könne sich auf keinen Sonderkündigungsschutz als Datenschutzbeauftragte berufen. Die Regelung in § 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG verstoße gegen Art. 38 DS-GVO und sei daher unwirksam. Der Betriebsrat sei ebenfalls ordnungsgemäß angehört worden. Die Benennung eines Sonderkündigungsschutzes sei gerade nicht erforderlich gewesen.
Auch sei die Klägerin als Datenschutzbeauftrage der Beklagten zu 1) bis 5) ordnungsgemäß abberufen worden. Die Klägerin sei am 04.07.2018 mündlich durch ihren Vorgesetzten Herrn A… G… – auch im Auftrag der Beklagten zu 2) bis 5) – darüber informiert worden, dass alle Bestellungen zur Datenschutzbeauftragten mit sofortiger Wirkung enden würden. Zudem sei sie zur Übergabe des Datenschutzes aufgefordert und ein Übergabetermin am 05.07.2018 vereinbart worden. Die Klägerin habe sich hiermit einverstanden erklärt. Daran änderte es auch nichts, dass die Klägerin sich am 05.07.2018 geweigert habe, die Aufgaben als Datenschutzbeauftragte ordnungsgemäß zu übergeben. Lediglich zu einer einvernehmlichen Verständigung über einen Aufhebungsvertrag sei es nicht gekommen. Ohne Bedeutung seien folglich die gegenüber den Beklagten zu 2) bis 5) erfolgten Zurückweisungen mit Schreiben vom 16.07.2018. Ohne Bedeutung sei auch § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG. Die Beauftragungen als Datenschutzbeauftragte seien einvernehmlich beendet worden. Ohnehin verstoße die innerstaatliche Regelung gegen Art. 38 DS-GVO. Ein Verstoß gegen die Vorgaben aus Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO liege jedenfalls nicht vor.
Die Widerklage sei begründet. Die Klägerin habe sich am 05.07.2018 fortlaufend geweigert, ihre Aufgabe als Datenschutzbeauftragte ordnungsgemäß zu übergeben. Diese Weigerung habe sie auch aufrechterhalten, nachdem Frau R… kurzfristig interimsmäßig zur Datenschutzbeauftragten ernannt worden sei. Nachdem die Klägerin trotz des Schreibens vom 09.07.2018 den festgelegten Übergabetermin am 10.07.2018 nicht wahrgenommen hatte, sei mit dem Kündigungsschreiben der Beklagten zu 1) vom 13.07.2018 ein Übergabetermin am 18.07.2018, 9.30 Uhr, bestimmt worden. Zu diesem Übergabetermin sei die Klägerin nicht erschienen und habe ihr Fehlen nicht rechtzeitig mitgeteilt. Die Mitteilung der fortdauernden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin vom 17.07.2018 sei intern nicht weitergeleitet worden, was der Prozessvertretung der Klägerin durch einen Abwesenheitsassistenten mitgeteilt worden sei. Die Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit am 18.07.2018, Eingang gegen 9.44 Uhr, sei zu spät erfolgt. Hätte die Klägerin ihre gesetzlichen und arbeitsvertraglichen Mitteilungspflichten ordnungsgemäß erfüllt, hätte der Übergabetermin mit der Firma D… GmbH abgesagt werden können. Auch den Termin am 23.07.2018 hätte die Klägerin wahrnehmen oder jedenfalls rechtzeitig absagen müssen. Eine Reaktion der Klägerin sei, trotz dessen, dass sie mit einem Widerruf des Urlaubs habe rechnen müssen, verspätet erfolgt. Durch den – abgebrochenen – Termin am 18.07.2018 und den erfolglosen Termin am 23.07.2018 sowie den weiteren dadurch bedingten Aufarbeitungsaufwand seien Kosten in Höhe von € 7.600,– entstanden und durch die Beklagte zu 1) getragen worden.
Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 22.07.2019 den Klageanträgen zu 1. – 3. stattgegeben und die Beklagte zu 1) zur Weiterbeschäftigung als Teamleiterin Recht verurteilt. Hinsichtlich der Weiterbeschäftigung als betriebliche Datenschutzbeauftragte hat es die Klage abgewiesen. Ebenso hat es die Widerklage abgewiesen.
Aus den Gründen:
A. Die Berufungen der Beklagten sind zulässig. Sie sind statthaft, § 64 Abs. 1, 2 b ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.
B. Die Berufungen sind jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat mit ausführlicher und zutreffender Begründung festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin zur Beklagten zu 1) nicht durch die Kündigung vom 13.07.2018 mit Ablauf des 15.08.2018 beendet wurde, und dass die Rechtsstellung der Klägerin als Beauftragte für den Datenschutz der Beklagten zu 1) nicht durch den Widerruf der Beklagten zu 1) vom 13.07.2018 beendet wurde. Ebenso ausführlich und zutreffend hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Rechtsstellung der Klägerin als Beauftragte für den Datenschutz der Beklagten zu 2) bis 5) nicht durch den Widerruf der Beklagten zu 1) vom 13.07.2018 beendet wurde. Das Arbeitsgericht hat daher die Beklagte zu 1) zu Recht zur Weiterbeschäftigung der Klägerin als Teamleiterin Recht verurteilt. Nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die erstinstanzliche Abweisung der Klage bezüglich der Weiterbeschäftigung der Klägerin als Datenschutzbeauftragte. Darüber hinaus hat das Arbeitsgericht die Widerklage mit zutreffender und ausführlicher Begründung abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht nimmt daher auf die Entscheidungsgründe im Urteil des Arbeitsgerichts vollumfänglich Bezug und macht sie sich zu eigen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen sind lediglich noch folgende ergänzenden Ausführungen veranlasst:
I. Die Klägerin genoss zum Zeitpunkt der Kündigung den besonderen Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte nach §§ 38 Abs. 2, 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG. Danach ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Datenschutzbeauftragten unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Nach einer wirksamen Abberufung als Datenschutzbeauftragter gilt dies noch für ein Jahr weiter (§§ 38 Abs. 2, 6 Abs. 4 Satz 3 BDSG).
1. Die Klägerin war wirksam schriftlich zur Datenschutzbeauftragten nach § 4f Abs. 1 BDSG in der bis 24.05.2018 geltenden Fassung (BDSG aF) bestellt worden. Zum Zeitpunkt der Kündigung war die Beklagte zu 1) unstreitig verpflichtet, einen Datenschutzbeauftragten zu bestellen (§ 38 Abs. 1 und 2, 2. HS BDSG in der vom 25.05.2018 – 25.11.2019 geltenden Fassung). Dieser Sonderkündigungsschutz gilt auch bereits in der Probezeit (KR-Treber, 12. Aufl., 2019, § 13 KSchG Rn. 84; ErfK-Franzen, 20. Aufl., 2020, § 38 BDSG, Rn. 10; Schaub ArbR-Hdb/Linck § 145 Rn. 5).
2. Dieser besondere Kündigungsschutz auf nationaler Ebene verstößt nicht gegen Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO. Nach dieser Vorschrift darf der Datenschutzbeauftragte wegen der Erfüllung seiner Aufgaben nicht abberufen oder benachteiligt werden. Zwar ist davon auszugehen, dass die DS-GVO als EU-Verordnung unmittelbar und zwingend im Sinne einer Vollharmonisierung (EuArbRK/Franzen, 3. Aufl., 2020, DS-GVO Art. 88, Rn. 10 m.w.N.) gilt und nicht lediglich Mindeststandards setzt („Mindestharmonisierung“). Die Mitgliedstaaten dürfen somit von ausdrücklichen Vorgaben der DS-GVO nur insoweit abweichen, wie dies die DS-GVO ausdrücklich oder durch Auslegung ermittelbar zulässt, und im Übrigen die Vorgaben der DS-GVO lediglich konkretisieren (EuArbRK/Franzen a.a.O m.w.N.).
Eine ausdrückliche Öffnungsklausel für den nationalen Gesetzgeber, einen besonderen Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte zu regeln, findet sich in der DS-GVO nicht. Allerdings ergibt die Auslegung, dass die DS-GVO spezifisch arbeitsrechtliche Regelungen für den Datenschutzbeauftragten zulässt, soweit der Schutz nicht hinter des DS-GVO zurückbleibt. Die DS-GVO regelt den Datenschutz als Querschnittsmaterie mit Art. 16 Abs. 2 AEUV als Kompetenzgrundlage. Die Kompetenznorm für spezifisch arbeitsrechtliche Regelungen findet sich hingegen in Art. 153 AEUV und hier insbesondere für Arbeitsbedingungen in Abs. 1 lit. b und für den Schutz der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsvertrags in Abs. 1 lit. d. Nach Abs. 2 der Vorschrift handelt die EU in diesem Bereich durch Richtlinien, nicht durch Verordnung. Dies spricht dafür, dass die DS-GVO keine genuinen abschließenden arbeitsrechtlichen Regelungen trifft (EuArbRK/Franzen, 3. Aufl. 2020, AEUV Art. 153, Rn. 76), jedenfalls nicht für das Arbeitsverhältnis, das der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragtem zu Grunde liegt. So regelt Art. 38 DS-GVO die Stellung sowohl des intern als auch des extern bestellten Datenschutzbeauftragten allgemein. Im Bereich des Arbeitsrechts sind die Mitgliedstaaten nicht gehindert, strengere Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu treffen, die mit den EU-Verträgen vereinbar sind (Art. 153 Abs. 4, 2. Spiegelstrich AEUV). Dem nationalen Gesetzgeber ist es daher nicht verwehrt, spezifisch arbeitsrechtliche Regelungen für den Datenschutzbeauftragten, der auf Grund eines Arbeitsvertrages als solcher tätig ist („interner Datenschutzbeauftragter“) zu erlassen, soweit sie den in Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO gewährleisteten Abberufungs- und Benachteiligungsschutz nicht beeinträchtigen.
Hierfür spricht auch der Wortlaut des Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO. Der Datenschutzbeauftragte darf wegen der Erfüllung seiner Aufgaben nicht abberufen oder benachteiligt werden. Er darf deshalb also nicht gekündigt werden. Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO enthält aber keine spezifischen Regeln des Kündigungsschutzes für Datenschutzbeauftragte und verbietet somit auch vom Wortlaut her keinen darüber hinaus gehenden Kündigungsschutz, um die Unabhängigkeit des im Übrigen abhängig beschäftigten Arbeitnehmers von der Einflussnahme seines Arbeitgebers auf die Arbeit als Datenschutzbeauftragten zu gewährleisten. Dies dient dem in Erwägungsgrund 97 der DSGVO niedergelegten Ziel, dass der Datenschutzbeauftragte unabhängig davon, ob es sich bei ihnen um Beschäftigte des Verantwortlichen handelt oder nicht, ihre Pflichten und Aufgaben in vollständiger Unabhängigkeit ausüben können.
Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Datenschutzbeauftragten während seiner Bestellung und ein Jahr danach steht daher mit der DS-GVO in Einklang (so auch Jaspers/Reif RDV 2016, 61 (64); in Ehmann/ Seelmayr/Heberlein DS-GVO 2. Aufl., 2018, Art. 38, Rn. 28; Paal, in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 2. Aufl., 2018, Art. 38 DSGVO Rn. 10; BeckOK DatenschutzR/Moos DS-GVO Art. 38 Rn. 23; EuArbRK/Franzen 3. Aufl., 2020, DS-GVO Art. 38, Rn. 1; Kühling/Buchner/Bergt, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 38 Rn. 33; Gola DS-GVO/Klug, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 38 Rn. 15).
3. Da die Beklagte zu 1) keine außerordentliche, sondern eine ordentliche Kündigung ausgesprochen hat, ist die Kündigung schon deshalb gem. § 38 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz 2 bzw. Satz 3 BDSG unwirksam. Eine Umdeutung gem. § 140 BGB in eine außerordentliche Kündigung ggf. mit Auslauffrist ist nicht möglich (KR-Rachor, 10. Aufl., 2019, § 1 KSchG Rn. 175 m.w.N.). Auch wurde der Betriebsrat nicht zu einer außerordentlichen Kündigung angehört.
4. Darüber hinaus hat das Arbeitsgericht zu Recht und überzeugend unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BAG vom 23.03.2011 – 10 AZR 562/09 – begründet, dass ein wichtiger Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht vorlag. Dem schließt sich das erkennende Gericht unter Bezugnahme auf das Urteil des Arbeitsgerichts an. Weiterer Ausführungen hierzu waren nicht veranlasst.
II. Die Beklagte zu 1) bedurfte auch für die Abberufung der Klägerin als ihre interne Datenschutzbeauftragte eines wichtigen Grundes. Diese nunmehr in §§ 38 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG enthaltene nationale Regelung verstößt nicht gegen Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO.
1. Auch die Abberufung des Datenschutzbeauftragten ist in der DS-GVO nicht abschließend geregelt. Nach Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO darf der Datenschutzbeauftragte zwar nicht wegen der Erfüllung seiner Aufgaben abberufen oder benachteiligt werden. Damit ist aber nicht geregelt, unter welchen weitergehenden Voraussetzungen eine Abberufung des Datenschutzbeauftragten tatsächlich erfolgen kann. Mit der Bestellung zum Datenschutzbeauftragten überträgt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die entsprechenden Aufgaben als Teil seiner arbeitsvertraglichen Pflichten. Der Arbeitsvertragsinhalt ändert sich (BAG 23.03.2011 – 10 AZR 652/09 – Rn. 30; 13.03.2007 – 9 AZR 612/05 – Rn. 23). Die Abberufung als interner Datenschutzbeauftragter zielt damit im Umkehrschluss ebenfalls auf eine Änderung der arbeitsvertraglichen Pflichten. Damit handelt es sich auch beim besonderen nationalen Abberufungsschutz nach § 38 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG im Kern um eine arbeitsrechtliche Regelung. Es bedurfte daher auch bezüglich der arbeitsrechtlichen Regeln über die Abberufung keiner ausdrücklichen Öffnungsklausel (a.A. Kühling/Buchner/Kühling/Sackmann, 2. Aufl., 2018, BDSG § 38 Rn. 20; Ehmann/Sehmayr/Heberlein, 2. Aufl., 2018, DS-GVO Art. 38 Rn. 28), da die europarechtliche Kompetenznorm sich insoweit in Art. 153 Abs. 1 lit. b AEUV („Arbeitsbedingungen“) findet. In diesem Bereich wird die EU jedoch nicht durch Verordnung, sondern durch Richtlinien tätig und hindert strengere Schutzmaßnahmen der Mitgliedstaaten nicht (Art. 153 Abs. 4, 2. Spiegelstrich). Ebenso wie der Kündigungsschutz dient auch verstärkte nationale Abberufungsschutz gerade dem Ziel, dass der als Arbeitnehmer abhängig beschäftigte interne Datenschutzbeauftragte seine Pflichten und Aufgaben in vollständiger Unabhängigkeit ausüben kann (s. Erwägungsgrund 97 der DS-GVO). Der externe Datenschutzbeauftrage steht hingegen nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Verantwortlichen und ist somit gerade nicht abhängig beschäftigt. Dies alles spricht dafür, dass die DS-GVO bezogen auf interne Datenschutzbeauftragte einen national verstärkten Abberufungsschutz nicht ausschließen wollte.
Mit dem Bundesgesetzgeber (BT-Drs. 18/11326, 82) vertritt die Berufungskammer daher die Auffassung, dass es sich auch bei dem besonderen Abberufungsschutz eines internen Datenschutzbeauftragten um eine arbeitsrechtliche Regelung handelt, die ergänzend zu den Vorgaben der DS-GVO auch im BDSG n. F. beibehalten werden kann (LAG Sachsen 19.08.2019 – 9 Sa 268/18 Rn. 49; ErfK/Franzen, 20. Aufl., 2020, BDSG § 38 Rn. 7; BeckOK DatenschutzR/Moos BDSG § 38 Rn. 18; Pauly, in: Paal/ Pauly, DS-GVO BDSG, 2. Aufl. 2018, § 38 BDSG Rn. 17; Körffer, in: Paal/Pauly, a.a.O § 6 BDSG, Rn. 3).
2. Ein wichtiger Grund für die Abberufung der Klägerin als Datenschutzbeauftragte lag nicht vor. Dies hat das Arbeitsgericht überzeugend unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BAG vom 23.03.2011 – 10 AZR 562/09 herausgearbeitet. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere nicht darin, einen internen Datenschutzbeauftragten durch einen externen Datenschutzbeauftragten aus organisatorischen, finanziellen oder personalpolitischen Gründen zu ersetzen. Weitere Ausführungen seitens des Berufungsgerichts sind hierzu nicht veranlasst.
3. Unabhängig davon folgt nach Überzeugung des erkennenden Gerichts auch aus dem Vortrag der Beklagten zu 1), dass die Abberufung jedenfalls auch wegen der Erfüllung der Aufgaben der Klägerin als Datenschutzbeauftragte erfolgte und damit nicht in Einklang mit Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO stand. Die Beklagte zu 1) beruft sich darauf, dass die Abberufung der Klägerin als Datenschutzbeauftragte wegen des relativ hohen Risiko- und Haftungspotenzials für Anwendungs- und Ausführungsfehler im Bereich Datenschutz und der daraus resultierenden Notwendigkeit der dringend notwendigen Professionalisierung für den Aufgabenbereich des Datenschutzbeauftragten erfolgt sei.
Diese Risiken und Notwendigkeiten lagen jedoch bereits bei der Einstellung der Klägerin zum 15.01.2018 vor. Die DS-GVO stammt vom 27.04.2016. Das diese ergänzende BDSG wurde am 30.06.2017 verkündet. In beiden Regelungswerken ist als Datum des Inkrafttretens von Anfang an der 25.05.2018 bestimmt gewesen. Die Klägerin wurde praktisch unmittelbar nach Beginn des Arbeitsverhältnisses mit Datum vom 15.01./31.01.2018 zur Datenschutzbeauftragten gem. § 4f BDSG aF bestellt. Die Bestellung zur Datenschutzbeauftragten war Teil der Aufgabenbeschreibung 9155, aus der sich gem. § 3 Abs. 1 des Arbeitsvertrages die Arbeitsaufgaben der Klägerin ergaben. Wenn die Beklagte zu 1) nunmehr anführt, die Verlagerung der Aufgaben auf einen externen Datenschutzbeauftragten sei aus Gründen der Professionalisierung notwendig, die Klägerin andererseits aber von Anfang an mit der Aufgabe der Datenschutzbeauftragten betraut wurde, so heißt das, dass die Klägerin ihre Aufgaben insoweit nicht ausreichend professionell wahrgenommen hat, um die von Anfang an absehbaren Risiken zu beherrschen.
Dies steht im Widerspruch zu der Behauptung, die Abberufung der Klägerin als Datenschutzbeauftragte sei nicht im Zusammenhang damit erfolgt, wie die Klägerin ihre Aufgaben als Datenschutzbeauftragte erfüllt habe. Die Beklagte zu 1) hat keinerlei Gründe vorgetragen, warum eine ausreichende Professionalisierung nicht durch Einräumung von mehr Zeit für die Klägerin für den Datenschutz hätte erreicht werden können. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund des behaupteten Wegfalls anderer Arbeitsaufgaben auf Grund der unternehmerischen Entscheidung. Werden jedoch nach Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO nicht explizit verbotene Gründe für die Abberufung nur vorgeschoben, ist die Abberufung unwirksam (Kühling/Buchner/Bergt, 2. Aufl., 2018, DS-GVO Art. 38 Rn. 30).
Im Übrigen wird der europarechtlich gewährte Abberufungsschutz weit auszulegen sein, um zu gewährleisten, dass der Datenschutzbeauftragte seine Pflichten und Aufgaben in vollständiger Unabhängigkeit ausüben kann, wie in Erwägungsgrund 97 des DS-GVO festgehalten ist (vgl. hierzu EuArbRK/Franzen 3. Aufl., 2020, DS-GVO Art. 38, Rn. 4).
III. Die Abberufungen der Klägerin als externe Datenschutzbeauftragte für die Beklagten zu 2) – 5) vom 13.07.2018 sind gem. § 174 BGB unwirksam. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend und ausführlich herausgearbeitet. Es ist nicht ersichtlich, auf Grund welcher der Klägerin bekannt gegebener Vertretungsregelung die Vorstände der Beklagten zu 1) rechtsgeschäftlich die nicht personenidentischen Geschäftsführer der Beklagten zu 2) – 5) vertreten durften. Ebenso wenig folgt eine solche Vertretungsbefugnis für Herrn G… bezogen auf das behauptete Gespräch vom 04.07.2018. Zwar ist Herr G… Prokurist aller fünf Beklagten. Ihm war jedoch nur Gesamtprokura mit einem anderen Prokuristen oder Vorstand bzw. Geschäftsführer eingeräumt. Die Beklagten sind dieser Behauptung der Klägerin, die sie aus dem Handelsregister abgeleitet hat, nicht entgegengetreten.
IV. Die Klägerin hat sich weder mit der Beklagten zu 1) noch mit den Beklagten zu 2) – 5) auf die Abberufung als Datenschutzbeauftragte geeinigt. Auch dies hat das Arbeitsgericht überzeugend herausgearbeitet. Die behauptete Einigung am 04.07.2018 auf die Übergabe des Datenschutzes am 05.07.2018 bedeutet nicht die Einigung auf die Abberufung und den damit verbundenen arbeitsrechtlichen Schutz. Weitergehende Ausführungen seitens des Berufungsgerichts sind nicht veranlasst.
V. Die Revision war für die Beklagte zu 1) hinsichtlich der Kündigungsschutzklage und der Klage bezüglich des Abberufungsschutzes der Klägerin als Datenschutzbeauftragte nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen. Soweit ersichtlich ist insbesondere die Frage, ob § 6 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 38 Abs. 2 BDSG nF mit Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO vereinbar ist, höchstrichterlich noch ungeklärt. Im Übrigen liegt ein Grund für die Zulassung der Revision nicht vor.
Die Revision ist beim BAG unter Az 2 AZR 225/20 anhängig.