Urteil : Zur Frage nach den sich aus einer mitgeteilten Behinderung ergebenden konkreten Einschränkungen : aus der RDV 5/2015, Seite 263 bis 264
(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. Juni 2014 – 8 AZR 547/13 –)
In der Bewerbungssituation nachzufragen, welche Einschränkungen sich aus einer in den Bewerbungsunterlagen angegebenen Behinderung ergeben, ist unter Diskriminierungsaspekten dann unbedenklich, wenn damit der Verpflichtung zu „angemessenen Vorkehrungen“ für die Beschäftigung bei einer Behinderung Rechnung getragen werden soll.
(Nicht amtlicher Leitsatz)
Aus den Gründen:
In der Bewerbungssituation nachzufragen, welche Einschränkungen sich aus einer in den Bewerbungsunterlagen angegebenen Behinderung ergeben, ist unter Diskriminierungsaspekten dann unbedenklich, wenn damit der Verpflichtung zu „angemessenen Vorkehrungen“ (Art. 5 der Richtlinie 2000/78/ EG i.V.m. Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i, Art. 2 Unterabs. 4 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen [UN-Behindertenrechtskonvention – UN-BRK]; zur mangelnden ausdrücklichen Umsetzung im AGG, zur Einbeziehung in § 8 Abs. 1 AGG und in der unionsrechtskonformen Auslegung von § 241 Abs. 2 BGB vgl. BAG 22. Mai 2014 – 8 AZR 662/13 – Rn. 42; 19. Dezember 2013 – 6 AZR 190/12 – Rn. 53) Rechnung getragen werden soll.
Eine solche, besonderen Umständen geschuldete Nachfrage im Bewerbungsgespräch bezogen auf eine vom Bewerber selbst angeführte Schwerbehinderung ist nicht zu verwechseln mit der „Frage nach der (Schwer)behinderung“ (dazu BAG 16. Februar 2012 – 6 AZR 553/10 – Rn. 11 ff., BAGE 141, 1) oder der Anerkennung als Schwerbehinderte(r) (dazu BAG 7. Juli 2011 – 2 AZR 396/10 – Rn. 17).
Bei der Beurteilung einer solchen Nachfrage im Zusammenhang mit einer Behinderung ist sicherzustellen, dass die Verwirklichung des mit der Richtlinie 2000/78/EG verfolgten Ziels nicht beeinträchtigt wird (insoweit übertragbar u.a. EuGH 19. April 2012 – C-415/10 – (Meister) Rn. 40). Die Frage muss deshalb einen objektiven – und wünschenswerterweise zu Beginn der Nachfrage darzulegenden – Anlass haben. Beispielsweise kann es um die Klärung gehen, ob ergänzende Maßnahmen der Herstellung von Barrierefreiheit dienen können, um die tatsächliche Arbeitsaufnahme zu ermöglichen, etwa der Einbau von weiteren Handläufen im Treppenhaus oder die Bereitstellung eines ebenerdigen Arbeitsraums außerhalb der Abteilung. Dabei ist es von der Würdigung der Umstände im Einzelfall abhängig, ob eine Frage im Hinblick auf einen Bedarf an Hilfsmitteln oder baulichen Maßnahmen ein Indiz für eine Benachteiligung wegen der Behinderung darstellt (vgl. zu einer vergleichbaren Frage im Zusammenhang von § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 SGB IX ebenso BAG 21. Februar 2013 – 8 AZR 180/12 – Rn. 54, BAGE 144, 275).