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Kurzbeitrag : Sperrt Art. 79 Abs. 1 DS-GVO Unterlassungsklagen gegen Verantwortliche? : aus der RDV 6/2020, Seite 317 bis 321

Zugleich Besprechung von VG Regensburg, Gerichtsbescheid v. 06.08.2020 – RN 9 K 19.1061

Lesezeit 15 Min.

Das Zusammenspiel zwischen gerichtlichen Rechtsbehelfen und der DS-GVO beschäftigt, zunehmend die Praxis. Ob und unter welchen Voraussetzungen Verbraucherschutzvereinen eine Klagebefugnis aus Art. 80 DS-GVO zusteht[1] und welche Rechte gegenüber den Aufsichtsbehörden nach den Art. 77 und 78 DS-GVO durchgesetzt werden können,[2] wird bereits intensiv diskutiert. Art. 79 DS-GVO, der gerichtliche Rechtsbehelfe gegen Verantwortliche zum Gegenstand hat, stand bislang hingegen nicht im Fokus des Interesses. Das dürfte sich mit der Entscheidung des VG Regensburg vom 06.08.2020 ändern. Dieses hat entschieden, dass Art. 79 Abs. 1 DS-GVO bestimmte gerichtliche Rechtsbehelfe gegen Verantwortliche und Auftragsverarbeiter sperre und daher eine allgemeine Leistungsklage in Form der Unterlassungsklage nach §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB im Anwendungsbereich der DS-GVO nicht statthaft sei.

I. Sachverhalt der Entscheidung des VG Regensburg vom 06.08.2020

Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten, einer Kleinstadt in Niederbayern („Stadt P.“), dazu, den Betrieb eine Videoüberwachungsanlage und die Aufzeichnung der dadurch entstehenden Bilder zu unterlassen. Die Anlage überwacht mittels mehrerer Kameras einen Platz („K.-Garten“) im Zentrum der Stadt P., an welchen der zentrale Omnibusbahnhof, ein Einkaufszentrum und die Universität angrenzen. Auf dem Platz finden Wochenmärkte und Veranstaltungen statt. Die Polizei der Stadt P. hat den Platz als „Brennpunkt“ ausgemacht, da es dort zu Straftaten, insbesondere zu Drogendelikten komme, weshalb die Videoüberwachung notwendig sei. Der Platz ist kleiner als ein Fußballfeld und wird von den Kameras nahezu vollständig erfasst. Der Kläger durchquert den Platz regelmäßig und wird wiederholt von den Kameras erfasst. Der Kläger sieht sich hierdurch in seinen Rechten verletzt, insbesondere da die polizeiliche Kriminalitätsstatistik keinen Anlass zu einer Videoüberwachung des K.-Gartens gebe.

II. Problemaufriss

Die DS-GVO räumt einer von einer Datenverarbeitung betroffenen Person sowohl ein Beschwerderecht bei der Aufsichtsbehörde (Art. 77 DS-GVO) als auch das Recht, ihre Rechte gerichtlich durchzusetzen (Art. 78 und 79 DS-GVO) ein. Die Entscheidung des VG Regensburg vom 06.08.2020 beleuchtet einen bisher weniger beachteten Aspekt der DS-GVO: Die Befugnis betroffener Personen, gegen Verantwortliche oder Auftragsverarbeiter auf Unterlassung rechtswidriger Verarbeitungen ihrer personenbezogenen Daten zu klagen und das damit zusammenhängende Verhältnis zwischen aufsichtsbehördlichem Verfahren und den gerichtlichen Rechtsbehelfen gegen den Verantwortlichen oder den Auftragsverarbeiter. Die Entscheidung des VG Regensburg trifft diesbezüglich drei Aussagen mit grundsätzlicher Bedeutung: Erstens, Art. 79 Abs. 1 DS-GVO begrenze die Klagebefugnis auf Verletzungen der Betroffenenrechte.[3] Zweitens, Art. 79 Abs. 1 DS-GVO setze eine Rechtsverletzung voraus, die über die bloße rechtswidrige Verarbeitung personenbezogener Daten hinausgehe.[4] Drittens, Art. 79 Abs. 1 DS-GVO sperre Klagen, die auf andere Rechtsverletzungen gestützt seien; Rechtsschutz sei nur über eine Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde zu erlangen.[5]

Würde sich diese Auffassung durchsetzen, hätte dies erhebliche praktische Konsequenzen: Betroffene Personen könnten keine allgemeinen Leistungsklagen nach den §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB – weder zivilrechtlich noch öffentlich-rechtlich – erheben, soweit der Anwendungsbereich des Art. 79 DS-GVO eröffnet ist. Das VG Regensburg stellt sich damit gegen die bisherige Rechtsprechung zu Art. 79 DS-GVO.[6] Wissenschaft und Praxis gingen bisher außerdem weitestgehend einheitlich davon aus, dass Art. 77 und 79 DS-GVO das Konzept der DatenschutzRichtlinie fortführen und der betroffenen Person das uneingeschränkte Wahlrecht lassen, sich an die Aufsichtsbehörde zu wenden oder ihre Rechte auf dem Klageweg zu verfolgen,[7] ohne dass eine Sperrwirkung zulasten einer Variante vorliegt.[8] Ist sie in eigenen Rechten betroffen, kann die betroffene Person ihre Rechte also selbst durchsetzen oder sich an die zuständige Aufsichtsbehörde wenden, die dann nach objektiven Maßstäben prüft. Unter bestimmten Voraussetzungen kann sie auch gerichtlich gegen die Aufsichtsbehörde vorgehen und hat einen Anspruch darauf, dass diese tätig wird. Die Entscheidung des VG Regensburg stellt auch dieses Verständnis nun in Frage, indem sie bei Ansprüchen, die auf die Unterlassung von Verarbeitungen gerichtet sind, gerichtlichen Rechtsschutz direkt gegen den Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter ausschließt und somit den Weg über die Aufsichtsbehörden forciert.

Die Argumentation des Gerichts fußt dabei zu großen Teilen auf einer eng am Wortlaut des Art. 79 Abs. 1 DS-GVO orientierten Auslegung. Dabei fokussiert sich das Gericht darauf, dass nach dem Wortlaut des Art. 79 Abs. 1 DS-GVO eine Verletzung der betroffenen Personen in ihren „aufgrund dieser Verordnung zustehenden Rechte[n]“ vorliegen muss. Das Gericht leitet daraus ab, dass nur Verletzungen von Rechten, die betroffenen Personen durch die DS-GVO ausdrücklich eingeräumt werden, gerichtlich gerügt werden könnten. Andere Ansprüche, die sich auf Normen stützen, die nicht ausdrücklich als Betroffenenrechte formuliert sind, würden durch Art. 79 Abs. 1 DS-GVO gesperrt; also auch Klagen, die auf Unterlassung einer rechtswidrigen Verarbeitung gerichtet seien, da es kein entsprechendes Betroffenenrecht gebe. Solche Rechtsverletzungen könnten nur über eine Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde gem. Art. 77 Abs. 1 DS-GVO unterbunden werden.

Damit diese Argumentation durchgreift, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen muss Art. 79 Abs. 1 DS-GVO so zu verstehen sein, dass nur ausdrücklich als Betroffenenrechte formulierte Normen der DS-GVO subjektive Rechte vermitteln (dazu unter III.) und zum anderen, dass Art. 79 Abs. 1 DS-GVO abschließend ist, also weitergehenden Rechtsbehelfen entgegensteht (dazu unter IV.). Keine der Voraussetzungen kann bei genauerer Betrachtung als gegeben angesehen werden. Wortlaut, Gesetzessystematik und die Intention des Verordnungsgebers sprechen – entgegen der Annahme des Gerichts – gegen ein solches Verständnis des Art. 79 Abs. 1 DS-GVO. Die Entscheidung vermag daher in ihren Ausführungen zu Art. 79 Abs. 1 DS-GVO im Ergebnis nicht zu überzeugen.

III. Verletzung subjektiver Rechtspositionen der DS-GVO

Die Betrachtungsweise, die das Gericht seiner Entscheidung zugrunde legt, weicht erheblich von derjenigen ab, die Verwaltungsgerichte in ständiger Praxis zugrunde legen, wenn es um die Frage geht, ob ein Kläger seine Klage auf eine bestimmte Norm stützen kann: Eine Untersuchung der konkreten Norm im Wege der Auslegung daraufhin, ob diese dem Kläger subjektive Rechte vermittelt.[9] Nach der üblicherweise im Verwaltungsrecht herangezogenen Schutznormtheorie ist zu fragen, ob die entsprechende Norm zumindest auch den Schutz der Interessen des Klägers bezweckt oder ob es sich um einen reinen Rechtsreflex handelt.[10] Nach dieser Sichtweise vermitteln nicht nur Normen subjektive Rechte, die ein Recht ausdrücklich als ein solches subjektives Recht benennen, sondern auch Normen, bei denen eine Auslegung ergibt, dass sie gerade auch dem Interessenschutz des Einzelnen dienen.[11]

Für die Frage, ob eine rechtswidrige Datenverarbeitung Gegenstand einer Unterlassungsklage sein kann, ist also durch Auslegung zu ermitteln, ob die Art. 5 ff. DS-GVO, die die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung maßgeblich regeln, zumindest auch dem Interessenschutz des Einzelnen dienen. Dass die Art. 5 ff. DS-GVO subjektive Rechte vermitteln, dürfte nicht ohne erheblichen Argumentationsaufwand in Frage zu stellen sein.[12] Immerhin benennt Art. 5 Abs. 1 lit a DS-GVO explizit die Interessen der betroffenen Person an einer rechtmäßigen, für sie transparenten, nach Treu und Glauben erfolgenden Verarbeitung als Schutzzweck der Art. 5 ff. DS-GVO. Die betroffene Person wird in den Art. 5 ff. DS-GVO, insbesondere in Art. 6 Abs. 1 DS-GVO auch mehrfach explizit genannt, so knüpft Art. 6 Abs. 1 lit a DS-GVO an das Einverständnis der betroffenen Person an und Art. 6 Abs. 1 lit f DS-GVO an die berechtigten Interessen dieser. Die Charakteristika einer Norm, die nach der Lehre der Schutznorm subjektive Rechte vermittelt, liegen in Bezug auf die Art. 6 Abs. 1 DS-GVO somit vor.

Soweit Art. 79 Abs. 1 DS-GVO also von den Rechten der betroffenen Person spricht, die dieser „aufgrund dieser Verordnung“ zustehen, dürften nicht nur die Betroffenenrechte der Art. 12 ff DS-GVO erfasst sein, sondern auch alle weiteren Normen, die subjektive Rechte vermitteln, insbesondere die Art. 5 ff. DS-GVO.[13] Damit unterfallen auch rechtswidrige Verarbeitungen personenbezogener Daten dem Wortlaut des Art. 79 Abs. 1 DS-GVO, selbst wenn diese nicht die Betroffenenrechte der Art. 12ff. DS-GVO betreffen.

Art. 79 Abs. 1 DS-GVO setzt weiter voraus, dass eine subjektive Rechtsposition verletzt wurde, wobei das Gericht die Frage aufwirft, welche Voraussetzungen für eine Verletzung i.S.d. Art. 79 Abs. 1 DS-GVO vorliegen müssen. Das Gericht unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen der „bloßen Rechtswidrigkeit der Datenverarbeitung, worauf sich ein Widerspruchsrecht nach Art. 21 DS-GVO und ein Beschwerderecht nach Art. 77 DS-GVO stützen lässt und der zusätzlichen, nach Ansicht der betroffenen Person gegebenen Rechtsverletzung.“[14] Das Gericht verweist darauf, dass der Wortlaut des Art. 77 Abs. 1 und des Art. 79 Abs. 1 DS-GVO dafür spreche, dass der Verordnungsgeber bewusst zwischen einem Verstoß gegen die DS-GVO (Art. 77 Abs. 1 DS-GVO) und einer Verletzung der eigenen Rechte (Art. 79 Abs. 1 DS-GVO) unterschieden habe. Nach Ansicht des Gerichts verletzt daher eine bloße rechtswidrige Verarbeitung personenbezogener Daten alleine noch nicht die Rechte der betroffenen Person und erfordere eine zusätzliche, darüberhinausgehende subjektive Rechtsverletzung durch die rechtswidrige Verarbeitung.

Dieser Ansatz ist weder mit dem gesetzgeberischen Konzept, das der DS-GVO zugrunde liegt noch mit Art. 8 Abs. 2 GRCh zu vereinbaren, vor deren Hintergrund auch der Wortlaut der Art. 77 Abs. 1 und 79 Abs. 1 DS-GVO auszulegen ist. Nach Art. 1 Abs. 2 DS-GVO soll die Verordnung „die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen und insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten“ schützen. Die DS-GVO versteht sich also als einfachgesetzliche Umsetzung der Grundrechte, insbesondere des Art. 8 GRCh.[15] Nach Art. 8 Abs. 2 GRCh dürfen personenbezogene Daten „nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden.“ Es handelt sich um die grundrechtlichen Vorgaben, die wiederum durch die Art. 5 ff. DS-GVO konkretisiert werden. Art. 8 Abs. 2 GRCh ist dabei ausweislich seines Wortlauts schon verletzt, wenn eine Verarbeitung ohne Rechtsgrundlage vorliegt, sprich durch eine bloße rechtswidrige Verarbeitung. Art. 8 GRCh sieht dabei gerade keine „Bagatellgrenze“ vor.[16] Daher betrachtet der EuGH beispielweise auch schon die Veröffentlichung von Namen von Empfängern von Agrarsubventionen im Internet als einen Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz und fordert nicht, dass weitere Rechtsverletzungen durch die Veröffentlichung entstanden sein müssen.[17] Das VG Regensburg verwischt somit die bereits auf Grundrechtsebene bestehende Grenze zwischen Verletzung des Rechts auf Schutz personenbezogener Daten und einem dadurch entstandenen Schaden. Lediglich ersteres wird von Art. 79 Abs. 1 DS-GVO vorausgesetzt. Eines Schadens bedarf es vielmehr erst für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen, weshalb deren Voraussetzungen auch separat von den Art. 77 und 79 DS-GVO in Art. 82 DSGVO geregelt sind.[18]

Ein Kläger ist durch eine rechtswidrige Verarbeitung in eigenen Rechten verletzt, wenn seine eigenen personenbezogenen Daten betroffen sind, da dadurch (bei einem nichtöffentlichen Verantwortlichen zumindest mittelbar) in den persönlichen Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GRCh eingegriffen wird.[19] Dieser Schutzbereich liegt ausweislich des Art. 1 Abs. 2 DS-GVO auch der DS-GVO zugrunde. Die Entscheidung über die Klagebefugnis hat – entgegen der Auffassung des Gerichts – anhand dieses Kriteriums zu erfolgen und bedarf keiner darüber hinausgehenden Verletzung der Rechte des Klägers.

IV. Sperrwirkung des Art. 79 Abs. 1 DS-GVO für Klagen gegen den Verantwortlichen

Auch die zweite Voraussetzung dafür, dass die Auslegung des Gerichts zu Art. 79 DS-GVO zutrifft, liegt nicht vor: Art. 79 Abs. 1 DS-GVO ist nicht abschließend und entfaltet keine Sperrwirkung. Aus der Norm ergibt sich nicht, dass der Verordnungsgeber die Intention hatte, das Recht der betroffenen Person auf weitere gerichtliche Rechtsbehelfe einzuschränken. Die Formulierung „jede betroffene Person hat unbeschadet eines verfügbaren verwaltungsrechtlichen oder außergerichtlichen Rechtsbehelfs einschließlich des Rechts auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde gemäß Art. 77 das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf“ dürfte vielmehr von der Intention getragen gewesen sein, eine europaweit geltende Garantie für betroffene Personen zu schaffen, ihre Rechte gerichtlich durchsetzen können.[20] Art. 77 Abs. 1 und Art. 79 Abs. 1 DS-GVO garantieren der betroffenen Person auf diese Weise auch ein Wahlrecht zwischen einer Beschwerde bei bzw. einer Klage gegen die Aufsichtsbehörde und einer Klage gegen den Verantwortlichen.[21] Dass der Verordnungsgeber darüber hinaus bezweckte, bei bestimmten Rechtsverstößen den Weg ausschließlich über die Aufsichtsbehörden zu forcieren, ist nicht ersichtlich und hätte einer ausdrücklicheren Regelung bedurft. Dies spiegelt sich auch systematisch wieder: Die Existenz des Art. 82 Abs. 6 DS-GVO, der einen über Art. 79 Abs. 1 DS-GVO hinausgehenden gerichtlichen Rechtsbehelf enthält, zeigt bereits, dass Art. 79 Abs. 1 DS-GVO die Frage, welche Rechtsbehelfe für betroffene Personen statthaft sind, gerade nicht abschließend regelt und diese nicht auf die Betroffenenrechte beschränkt. Nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO können betroffene Personen Schadenersatz „wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung“ verlangen. In Art. 82 Abs. 6 DS-GVO wird ausdrücklich normiert, dass Schadenersatzansprüche gerichtlich, ohne Umweg über die Aufsichtsbehörde durchgesetzt werden können und zwar bei den Gerichten, die „nach den in Art. 79 Abs. 2 genannten Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats zuständig sind“. Demnach können betroffene Personen also Schadenersatzansprüche, die auf rechtswidrige Verarbeitungen zurückgehen, direkt vor den Gerichten einklagen. Es erscheint wenig überzeugend anzunehmen, dass der Verordnungsgeber nur für Schadenersatzklagen den Weg zu den Gerichten ermöglich wollte, nicht aber für allgemeine Leistungsklagen, die auf Unterlassung gerade dieser rechtswidrigen Verarbeitungen gerichtet sind. Die Konsequenz, dass betroffene Personen rechtswidrige Verarbeitungen ihrer Daten nicht auf dem Klageweg unterbinden könnten, sondern nachfolgend nur Schadenersatz für diese fordern könnten (i.S.e. „dulde und liquidiere“), wäre wohl nur zu akzeptieren, wenn der Verordnungsgeber sich bewusst für diese entschieden hätte. Für eine solche Zielsetzung des Verordnungsgebers fehlt allerdings jeglicher Anhaltspunkt. Es erscheint demgegenüber überzeugender anzunehmen, dass der Verordnungsgeber Unklarheit darüber ausräumen wollte, ob die DS-GVO die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen einer betroffenen Person ermöglicht und dies daher ausdrücklich normierte, ebenso wie er mit den Art. 77 Abs. 1 und 79 Abs. 1 DS-GVO Zweifel darüber ausräumen wollte, dass betroffene Personen gegen Verletzungen ihrer Rechte gerichtlich und aufsichtsbehördlich vorgehen können.

Gegen die Annahme, Art. 79 Abs. 1 DS-GVO stehe der gerichtlichen Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen gegen rechtswidrige Verarbeitung entgegen, spricht weiterhin, dass sich ansonsten Rechtsschutzlücken auftun, die der Verordnungsgeber nicht beabsichtigt haben kann. Bliebe betroffenen Personen lediglich der Weg über die Aufsichtsbehörden, um rechtswidrige Datenverarbeitungen unterbinden zu lassen, so würde dies bedeuten, dass Betroffene nur einen Anspruch auf eine angemessene Untersuchung ihrer Beschwerde (Art. 57 Abs. 1 lit f DS-GVO) durch die Aufsichtsbehörde hätten. Was genau dies umfasst, ist umstritten, teilweise wird Art. 57 Abs. 1 lit f DS-GVO im Sinne von Ermessen ausgelegt,[22] teilweise im Sinne eines reinen Petitionsrechts.[23] Nach allen Ansichten hat die betroffene Person aber jedenfalls kein Recht darauf, dass die Aufsichtsbehörde eine bestimmte Maßnahme gegenüber dem Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter ergreift.[24] Entsprechend hat auch noch kein Verwaltungsgericht eine Aufsichtsbehörde zum Ergreifen bestimmter Maßnahmen gegenüber dem Verantwortlichen verpflichtet, obwohl entsprechende Anträge die Verwaltungsgerichte bereits seit längerem beschäftigen.[25] Die betroffene Person kann also nicht darauf klagen, dass die Aufsichtsbehörde den Verantwortlichen dazu verpflichtet, eine bestimmte Verarbeitung zu unterlassen. Der betroffenen Person stünde daher, folgte man der Auffassung des Gerichts, kein wirksamer gerichtlicher Rechtsbehelf zur Verfügung, um einen Verantwortlichen zur Unterlassung einer rechtswidrigen Verarbeitung ihrer Daten zu verpflichten. Dieses Ergebnis stünde im Widerspruch zum Wortlaut des Art. 79 Abs. 1 DS-GVO[26] sowie zur erklärten Zielsetzung der DS-GVO, die (Grund-)Rechte der Betroffenen zu stärken,[27] indem sie diesen die entsprechenden Rechtsbehelfe zur Durchsetzung ihrer Rechte an die Hand gibt.

V. Fazit

Die eingangs dargestellten Kernaussaugen des VG Regensburg erweisen sich als unzutreffend: Art. 79 Abs. 1 DS-GVO begrenzt die Klagebefugnis nicht auf Verletzungen der Betroffenenrechte, da auch andere Normen der DS-GVO subjektive Rechte vermitteln. Eine Verletzung der eigenen Rechte i.S.d. Art. 79 Abs. 1 DS-GVO liegt bereits vor, wenn die eigenen personenbezogenen Daten entgegen der Art. 5 ff. DSGVO verarbeitet werden, und setzt keine darüber hinausgehende Verletzung durch die rechtswidrige Verarbeitung voraus.[28] Eine „bloße“ rechtswidrige Verarbeitung der eigenen personenbezogenen Daten befugt somit zu einer Klage gegen den Verantwortlichen nach Art. 79 Abs. 1 DS-GVO. Art. 79 Abs. 1 DS-GVO kommt weiter keine Sperrwirkung gegenüber anderen Rechtsbehelfen zu, da er nicht abschließend ist. Die betroffene Person hat also bei einer rechtswidrigen Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten sowohl die Möglichkeit, sich nach Art. 77 Abs. 1 DS-GVO an die Aufsichtsbehörde zu wenden, als auch, direkt gerichtlich gegen den Verantwortlichen nach Art. 79 Abs. 1 DS-GVO, auch in Form einer allgemeinen Leistungsklage, vorzugehen.

* Der Autor ist Referent beim Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit und Doktorand an der Universität Kassel. Der Beitrag gibt ausschließlich die private Meinung des Autors wieder und wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft erstellt.

[1] Siehe dazu Spittka, GRUR-Prax2019, 272 ff; EuGH, Urt. v. 29.7.2019 – C-40/17 und BGH, Beschl. v. 28.05.2020 – IZR 186/17.

[2] Vgl. Will, ZD 2020, 219 f.; OVG Hamburg, Urt. v. 07.10.2019 – 5 Bf 279/17 -, juris Rn. 63 ff.

[3] VG Regensburg, Gerichtsbescheid v. 06.08.2020 – RN 9 K 19.1061, Rn. 16-18.

[4] VG Regensburg, Gerichtsbescheid v. 06.08.2020 – RN 9 K 19.1061, Rn. 18 und 24.

[5] VG Regensburg, Gerichtsbescheid v. 06.08.2020 – RN 9 K 19.1061, Rn. 18, 20 und 21.

[6] OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.02.2020 – 6 W 19/20 – WRP 2020, 628 ff.; Herbrich, jurisPR-ITR 19/2020 Anm. 5 m.w.N.; LG Frankfurt, Beschl. v. 15.10.20 – 2-03 O 356/20.

[7] Nemitz, in: Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 79 DS-GVO Rn. 1.

[8] Die Frage wird soweit ersichtlich einzig von Kreße, in: Sydow, Europäische Datenschutzgrundverordnung, Art. 79 DS-GVO Rn. 29 aufgegriffen. Dieser vertritt dabei die Ansicht, die sich das Gericht, einschließlich der Argumentation, weitestgehend zu eigen macht; Herbrich, jurisPRITR 19/2020 Anm. 5 weist zutreffend darauf hin, dass das Gericht die Kommentarstelle, die nur von „vorbeugende Unterlassungsklagen“ spricht, sehr weit auslegt.

[9] Schmidt-Kötters, in: BeckOK VwGO, 54. Edition 2019, § 42 VwGO Rn. 155.

[10] Wahl, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, vor § 42 Abs. 2 Rn. 95.

[11] Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 42 VwGO Rn. 114.

[12] Herbrich, jurisPR-ITR 19/2020 Anm. 5; Mundil, in: BeckOK Datenschutzrecht, 32. Edition 2020, Art. 79 DS-GVO Rn. 7; Gola/Piltz, in: Gola, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 82 Rn. 26, die sogar so weit gehen, allen Normen der DS-GVO aufgrund des Art. 1 Abs. 1 DS-GVO Schutznormcharakter zuzusprechen; Vgl auch ErwGr. 2 Satz 1 DS-GVO.

[13] Boehm, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Datenschutzrecht, Art. 79 DSGVO Rn. 10; Moos/Schefzig, in: Taeger/Gabel, DS-GVO – BDSG, 3. Aufl. 2019, Art. 79 DS-GVO Rn. 7 u. 9; Mundil, in: BeckOK Datenschutzrecht, 32. Edition 2020, Art. 79 DS-GVO Rn. 7.

[14] VG Regensburg, Gerichtsbescheid v. 06.08.2020 – RN 9 K 19.1061 Rn. 24.

[15] Boehm, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Datenschutzrecht, Art. 79 DSGVO Rn. 10.

[16] Augsberg, in: Groeben, von der/Schwarze, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 8 GRCh, Rn. 6.

[17] EuGH, Urt. v. 09.11.2010 – C–92/09 und C- 93/09, Slg. 2010, I–11 063 Rn. 29; Johlen, in: Stern/Sachs, GRCh, 1. Aufl. 2016, Art. 8 GRCh, Rn. 35.

[18] LG Hamburg, Urt. v. 04.09.2020 – 324 S 9/19, Rn. 32

[19] Jarass, EU-Grundrechte-Charta, 3. Aufl. 2016, Art. 8 GRCh Rn. 5 und 6.

[20] Herbrich, jurisPR-ITR 19/2020 Anm. 5 m.w.N.

[21] In diesem Sinne auch Nemitz, in: Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 79 DS-GVO Rn. 1; Werkmeister, in: Gola, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 79 DS-GVO Rn. 3.

[22] So Nemitz, in: Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 77 DS-GVO Rn. 17; VG Ansbach, Urt. v. 08.08.2019 – AN 14 K 19.00272 m krit. Anm. Will, ZD 2020, 219 f.; VG Ansbach, Urt. v. 16.03.2020 – AN 14 K 19.00464; in diese Richtung auch OVG Hamburg, Urt. v. 7.10.2019 – 5 Bf 279/17 -, juris Rn. 63 ff.

[23] VG Berlin, Beschl. v. 28.01.2019 – 1 L 1.19 (n.v.); Körffer, in: Paal/ Pauly, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl. 2018, Art. 77 DS-GVO Rn. 5; Koreng, in: Gierschmann/Schlender/Stentzel/Veil, Kommentar DS-GVO, 2018, Art. 77 DS-GVO Rn. 20.

[24] Ausnahmsweise kann eine solche Verpflichtung bei einer Ermessenreduktion auf Null möglich sein.

[25] OVG Hamburg, Urt. v. 07.10.2019 – 5 Bf 279/17 -, juris Rn. 63 ff; VG Ansbach, Urt. v. 16.03.2020 – AN 14 K 19.00464.

[26] „betroffene Person hat […] das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf, wenn sie der Ansicht ist, dass die ihr aufgrund dieser Verordnung zustehenden Rechte […] verletzt wurden“.

[27] Vgl. ErwGr. 2 Satz 1 DS-GVO

[28] Eine solche Verletzung mag man für das Vorliegen eines Schadens fordern, vgl. LG Hamburg, Urt. v. 04.09.2020 – 324 S 9/19, auf einen Schaden nimmt Art. 79 Abs. 1 DS-GVO jedoch nicht Bezug.