Urteil : Der Auskunftsanspruch des Insolvenz schuldners : aus der RDV 1/2021, Seite 43 bis 47
(Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16. September 2020 – 6 C 10.19 –)
- Statthafte Klageart für einen gegen eine Behörde gerichteten Auskunftsanspruch aus Art. 15 DS-GVO ist die Verpflichtungsklage.
- Der Insolvenzverwalter ist hinsichtlich der Steuerdaten des Insolvenzschuldners nicht „betroffene Person“ im Sinne des Art. 4 Nr. 1, Art. 15 Abs. 1 DS-GVO. 3. Der Auskunftsanspruch des Insolvenzschuldners aus Art. 15 DS-GVO geht nicht gemäß § 80 Abs. 1 InsO in die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters über.
Sachverhalt:
I. Der Kläger ist Insolvenzverwalter und begehrt vom beklagten Finanzamt einen Auszug aus dem Steuerkonto eines Insolvenzschuldners, über dessen Vermögen er zum Verwalter bestellt ist. Der Beklagte lehnte eine Auskunftserteilung ab. Ein solcher Anspruch lasse sich weder aus der Insolvenz- oder Abgabenordnung noch aus dem niedersächsischen Datenschutzrecht herleiten. Steuerliche Erklärungen des Insolvenzschuldners stünden nicht aus. Die Finanzverwaltung sei nicht verpflichtet, durch die Herausgabe von Unterlagen zur Ermittlung von Anfechtungstatbeständen nach der Insolvenzordnung beizutragen.
Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab.
Die Klage sei als Verpflichtungsklage zulässig, in der Sache aber unbegründet. Der Kläger sei nicht „Betroffener“ im Sinne des § 16 NDSG, weil er Auskunft zu fremden personenbezogenen Daten begehre. Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes finde keine Anwendung, und ein vergleichbarer Anspruch bestehe im niedersächsischen Landesrecht nicht.
Das Oberverwaltungsgericht hat die dagegen erhobene Berufung zurückgewiesen. Für die gerichtliche Entscheidung über das klägerische Auskunftsbegehren sei im Berufungsverfahren der Auskunftsanspruch aus Art. 15 DS-GVO heranzuziehen. Zum 25. Mai 2018 sei das Niedersächsische Datenschutzgesetz a.F. außer Kraft getreten und durch die Datenschutz-Grundverordnung und ergänzende Bestimmungen im Niedersächsischen Datenschutzgesetz in der Fassung vom 16. Mai 2018 ersetzt worden. Der Kläger sei nicht „Betroffener“ im Sinne des Art. 15 Abs. 1 DS-GVO. Betroffener sei die Person, die davor zu schützen sei, dass der Umgang mit ihren Daten sie in ihrem Persönlichkeitsrecht beeinträchtige. Demgegenüber sei Art. 15 Abs. 1 DS-GVO nicht darauf ausgerichtet, dass „Dritte“ Informationen über die bei staatlichen Stellen vorhandenen Informationen erlangten. Das Auskunftsrecht sei auch nicht nach § 80 Abs. 1 InsO auf den Kläger übergegangen. Es sei als Ausgestaltung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein unauflöslich an die Person des Schuldners gebundenes höchstpersönliches Recht. Dafür sprächen die allgemeine Zielsetzung der Datenschutz-Grundverordnung, der grundrechtlich verbürgte Schutz der informationellen Selbstbestimmung und der Sinn und Zweck der Regelung, die als fundamentales Datenschutzrecht ausgestaltet sei und der Vermittlung von Transparenz diene. Auch die große Ähnlichkeit mit dem nach der früheren Rechtslage bestehenden datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch, für den bereits eine Übertragbarkeit ausgeschlossen worden sei, spreche für dieses Verständnis. Der Übergang dieses Rechts auf einen Dritten würde demgegenüber einen Eingriff in das Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung darstellen und ihn vom Schutz- zum Eingriffsobjekt machen.
Soweit das Bundesverwaltungsgericht einen Auskunftsanspruch des Insolvenzverwalters nach den Informationsfreiheitsgesetzen bejaht habe, habe es lediglich das Steuergeheimnis als Ablehnungs- oder Ausschlussgrund für den voraussetzungslosen Jedermanns-Anspruch abgelehnt. Auch eine Differenzierung nach dem Inhalt der Daten komme im Rahmen des Art. 15 Abs. 1 DS-GVO nicht in Betracht. Maßgeblich sei allein der Rechtscharakter des Auskunftsrechts, nicht der Charakter der davon umfassten Daten.
Auch aus anderen Rechtsgrundlagen lasse sich der begehrte Auskunftsanspruch nicht herleiten. Dies gelte ungeachtet der Frage, in welchem Umfang nationale Regelungen neben Art. 15 DS-GVO noch zur Anwendung kommen könnten.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Auskunftsbegehren weiter.
Aus den Gründen:
II Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet, denn das Berufungsurteil beruht nicht auf einer Verletzung des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
1. Statthafte Klageart für die gerichtliche Geltendmachung eines gegen eine Behörde gerichteten Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, ABl. L 119 S. 1) – DS-GVO – ist die Verpflichtungsklage (so auch OVG Hamburg, Urteil vom 8. Februar 2018 – 3 Bf 107/17 – NordÖR 2018, 336 f.). Denn bei der Entscheidung über einen datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch durch eine Behörde handelt es sich um einen Verwaltungsakt. Der Erteilung der Auskunft geht eine behördliche Entscheidung voraus, die auf der Grundlage eines gesetzlichen Prüfprogramms (vgl. Art. 15 Abs. 4 DS-GVO) zu treffen ist und bei der die Behörde besondere verfahrensrechtliche Vorkehrungen wie Begründungs- oder Anhörungspflichten zu beachten hat (vgl. zu diesen Kriterien BVerwG, Urteile vom 28. November 2007 – 6 A 2.07 – BVerwGE 130, 29 Rn. 13, vom 24. März 2010 – 6 A 2.09 – Buchholz 402.71 BNDG Nr. 2 Rn. 25, vom 25. Februar 1969 – 1 C 65.67 – BVerwGE 31, 301 und vom 21. März 1986 – 7 C 71.83 – BVerwGE 74, 115 ). Daher geht der Auskunftserteilung durch eine Behörde auf der Grundlage des Art. 15 Abs. 1 DS-GVO stets eine Prüfung möglicher Ausschluss- und Beschränkungstatbestände voraus.
2. Das Berufungsurteil zieht zur Beurteilung des im Streit stehenden Auskunftsrechts zu Recht die seit dem 25. Mai 2018 unmittelbar geltende Datenschutz-Grundverordnung heran (so auch BVerwG, Beschlüsse vom 4. Juli 2019 – 7 C 31.17 [ECLI:DE :BVerwG:2019:040719B7C31.17.0] – NVwZ-RR 2019, 1015 und vom 8. März 2019 – 20 F 8.17 [– juris Rn. 9). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich die für die gerichtliche Entscheidung maßgebliche Rechtslage aus dem materiellen Recht, dem nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ermächtigungsgrundlage oder eines Anspruchs selbst, sondern auch die Antwort auf die Frage zu entnehmen ist, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen (stRspr, BVerwG, Urteil vom 31. März 2004 – 8 C 5.03 – BVerwGE 120, 246 m.w.N.). Maßgeblich ist daher, welche Rechtsvorschriften sich nach ihrem Geltungswillen im Zeitpunkt der Entscheidung für die Beurteilung des Klagebegehrens Geltung beimessen und zwar gleichgültig, ob es sich um eine Feststellungsklage, eine Leistungsklage, eine Anfechtungsklage oder Verpflichtungsklage handelt.
Dies wird bei der hier vorliegenden Leistungskonstellation, in der von der Behörde ein Handeln verlangt wird, in der Regel die letzte mündliche Verhandlung sein, wenn sich aus dem materiellen Recht kein Anhaltspunkt für einen abweichenden Zeitpunkt ergibt (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Juni 2010 – 6 C 5.09 – BVerwGE 137, 113 Rn. 23 und vom 4. Dezember 2014 – 4 C 33.13 – BVerwGE 151, 36 Rn. 18). Nach der für den Senat verbindlichen Auslegung des Landesrechts durch das Berufungsurteil ist das Niedersächsische Datenschutzgesetz i.d.F. vom 29. Januar 2002 (Nds. GVBl. 2002 S. 22) durch Art. 26 Satz 2 des Gesetzes zur Neuordnung des niedersächsischen Datenschutzrechts vom 16. Mai 2018 (Nds. GVBl. 2018 S. 66) am 25. Mai 2018 außer Kraft getreten und durch die Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung ersetzt worden. Auch der Datenschutz-Grundverordnung selbst lässt sich kein Hinweis darauf entnehmen, dass über Auskunftsanträge, die vor ihrem Inkrafttreten gestellt worden sind, noch nach altem Recht zu entscheiden wäre. Vielmehr beansprucht sie gemäß Art. 99 Abs. 2 DS-GVO ab dem 25. Mai 2018 unmittelbar in allen Mitgliedstaaten uneingeschränkte Geltung (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2018 – III ZR 183/17 – BGHZ 219, 243 Rn. 66). Anders verhält es sich nur in Bezug auf abgeschlossene Sachverhalte, über die die Behörde nach altem Recht entschieden hat. Das unterscheidet den hier vorliegenden Fall von dem, der dem Urteil vom 27. März 2019 – 6 C 2.18 – (BVerwGE 165, 111 Rn. 8 ff.) zugrunde lag, in dem der Senat auf die Klage gegen eine datenschutzbehördliche Anordnung diese Eingriffsmaßnahme an § 38 Abs. 5 Satz 1 BDSG a.F. gemessen hat.
Die Klage auf Erteilung des begehrten Auszugs aus dem Steuerkonto des Insolvenzschuldners ist jedoch unbegründet. Der Kläger ist in seiner Funktion als Insolvenzverwalter hinsichtlich der Daten des Schuldners weder betroffene Person im Sinne des Art. 15 Abs. 1 DS-GVO (a.), noch fällt der Auskunftsanspruch des Insolvenzschuldners aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO als Teil der Insolvenzmasse in seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis gemäß § 80 Abs. 1 InsO (b.). Der Anspruch lässt sich auch nicht mit der Ausgestaltung, die er in der Abgabenordnung gefunden hat, oder aus sonstigen Anspruchsgrundlagen begründen (c.).
Zu Recht lehnt es das Berufungsgericht ab, den Kläger bezüglich der personenbezogenen Daten des Insolvenzschuldners als Anspruchsberechtigten im Sinne des Art. 15 Abs. 1 DS-GVO einzustufen, denn der Insolvenzverwalter ist nicht die von der Verarbeitung dieser Daten betroffene Person. Betroffene Person ist lediglich die natürliche Person, die durch die jeweiligen personenbezogenen Daten identifizierbar oder identifiziert ist, auf die sich die personenbezogenen Daten also beziehen, nicht aber der Insolvenzverwalter hinsichtlich der personenbezogenen Daten des Insolvenzschuldners (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Oktober 2019 – 10 B 21.19 [- ZIP 2020, 86 Rn. 10, BFH, Beschluss vom 16. Juni 2020 – II B 65/19 – ZIP 2020, 1766 Rn. 12, OVG Münster, Beschluss vom 13. Juni 2019 – 15 E 376/19 – ZIP 2019, 1630 ; zur grundsätzlichen Anwendbarkeit der Datenschutz-Grundverordnung im steuerrechtlichen Verfahren vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Juli 2019 – 7 C 31.17 – NVwZ-RR 2019, 1015 Rn. 13 ff.).
Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 DS-GVO und aus der in Art. 4 Nr. 1 DS-GVO enthaltenen Legaldefinition der „personenbezogenen Daten“. Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 DS-GVO räumt den Auskunftsanspruch jeder natürlichen Person hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten ein. Die Betroffenenstellung ist also vom Inhalt der Daten abhängig. Sie verlangt eine Deckungsgleichheit der betroffenen mit der in den Daten beschriebenen Person (Gola, in: Gola, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 4 Rn. 4). „Personenbezogene Daten“ sind nach der Legaldefinition des Art. 4 Nr. 1 DS-GVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden „betroffene Person“) beziehen. Im Umkehrschluss kann nicht „betroffene Person“ im Sinne des Art. 4 Nr. 1, Art. 15 Abs. 1 DS-GVO sein, wer durch die jeweiligen personenbezogenen Daten nicht identifiziert oder identifizierbar ist. Die im Steuerkonto des Herrn D. für die Steuernummer… zu Besteuerungszwecken verarbeiteten personenbezogenen Daten beziehen sich nicht auf den Kläger. Für die Daten Dritter ist ein Auskunftsrecht in Art. 15 Abs. 1 DS-GVO nach dessen Wortlaut nicht geregelt.
Der gleiche Befund ergibt sich auch bei einer Betrachtung des Art. 15 Abs. 1 DS-GVO unter gesetzessystematischen Gesichtspunkten. Die Datenschutz-Grundverordnung bestimmt unter Benennung und Definition der jeweiligen Normadressaten in Art. 4 Nr. 1 („betroffene Person“), Nr. 7 („Verantwortlicher“) und Nr. 10 („Dritter“) einen Kanon der Rechte und Pflichten der an einer Datenverarbeitung Beteiligten und grenzt durch die Gegenüberstellung die jeweiligen Verantwortungssphären ab. Zudem stehen das Auskunftsrecht aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO und der Anspruch auf Erteilung einer Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind (Art. 15 Abs. 3 DS-GVO) in einem engen inneren Regelungszusammenhang mit den weiteren Betroffenenrechten des Kapitels III der Datenschutz-Grundverordnung. So gehören neben dem Auskunftsrecht auch die Informationspflichten des Verantwortlichen über Datenverarbeitungen (Art. 13 f. DS-GVO), die Ansprüche auf Berichtigung, Löschung oder Einschränkung der Verarbeitung (Art. 16 ff. DS-GVO) sowie die Datenübertragbarkeit (Art. 20 DS-GVO) zu den Rechten, die allein an die betroffene Person als Schutzsubjekt der Datenschutz-Grundverordnung anknüpfen. Auch das Beschwerde- und Klagerecht (Art. 77 f. DS-GVO) steht nur der betroffenen Person zu. Eine Erweiterung des Begriffs der betroffenen Person im Rahmen des Art. 15 Abs. 1 DS-GVO stünde daher nicht mehr in Einklang mit der Anspruchsberechtigung für diese Betroffenenrechte. Es ist aber mit der Systematik der Datenschutz-Grundverordnung nicht zu vereinbaren, für die einzelnen Betroffenenrechte ein unterschiedliches Verständnis der jeweils als anspruchsberechtigt bezeichneten betroffenen Person zugrunde zu legen.
Auch Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO sprechen gegen ein Verständnis des Begriffs der betroffenen Person, das den Kläger in seiner Funktion als Insolvenzverwalter umfassen würde. Anlass und Regelungsziel der Datenschutz-Grundverordnung ist der in Art. 8 Abs. 1 GRC und Art. 16 Abs. 1 AEUV gewährleistete Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten (Art. 1 Abs. 2 DS-GVO und Erwägungsgrund 1 zur Datenschutz-Grundverordnung). Bereits auf der Ebene der Grundrechtecharta ist das Recht jeder Person verankert, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken (Art. 8 Abs. 2 Satz 2 GRC). Die Betroffenenrechte der Datenschutz-Grundverordnung wurzeln in der Erwägung des europäischen Normgebers, dass der Einzelne selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten bestimmen können muss. Natürliche Personen sollen daher grundsätzlich die Kontrolle über ihre eigenen Daten besitzen (Erwägungsgrund 7 Satz 2 zur DatenschutzGrundverordnung). Zu diesem Zweck räumen Art. 8 Abs. 2 GRC und Art. 15 Abs. 1 DS-GVO der betroffenen Person ein Auskunftsrecht darüber ein, welche personenbezogenen Daten von Dritten erhoben worden sind. Ziel ist es, dass sich der Betroffene der Verarbeitung bewusst ist und auf dieser Grundlage deren Rechtmäßigkeit überprüfen kann (Erwägungsgrund 63 Satz 1 zur Datenschutz-Grundverordnung). Das Auskunftsrecht aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO und das Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Absatz 3 der Vorschrift erweisen sich damit als elementare subjektive Datenschutzrechte, da erst die Kenntnis darüber, ob und in welchem Umfang ein Verantwortlicher personenbezogene Daten verarbeitet, die betroffene Person in die Lage versetzt, weitere Rechte auszuüben. Der Auskunftsanspruch soll für den Betroffenen Transparenz schaffen und ihm das für die Durchsetzung dieses Grundrechts notwendige Wissensfundament an die Hand geben (vgl. Franck, in: Gola, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 15 Rn. 23; Ehmann, in: Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 15 Rn. 1). Er ist seiner Natur nach ein Instrument zur Durchsetzung der weiteren Betroffenenrechte wie Berichtigung (Art. 16 DS-GVO), Löschung (Art. 17 DS-GVO) oder Schadensersatz (Art. 82 DS-GVO vgl. Korch/Chatard, CR 2020, 438, Lembke, NJW 2020, 1841 m.w.N. unter Fn. 20).
Dieses Verständnis lässt sich durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur früheren Rechtslage nach Art. 12 Buchst. a der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281 S. 31) – Datenschutzrichtlinie – belegen. Der europäische Gesetzgeber will mit der Datenschutz-Grundverordnung an die Ziele und Grundsätze der Datenschutzrichtlinie anknüpfen (Erwägungsgrund 9 zur Datenschutz-Grundverordnung) und künftig ein unionsweit gleichmäßiges und hohes Datenschutzniveau für natürliche Personen gewährleisten (Erwägungsgrund 10 zur Datenschutz-Grundverordnung). Daher bietet die in der Rechtsprechung vorgenommene Charakterisierung des Auskunftsanspruchs aus Art. 12 Buchst. a Datenschutzrichtlinie auch Hinweise auf das Verständnis des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO. So hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinen Urteilen vom 7. Mai 2009 – C-553/07 [, Rijkeboer – (Rn. 49 ff.), vom 17. Juli 2014 – C 141/12 [, YS u.a. – (Rn. 44) und vom 20. Dezember 2017 – C-434/16 , Nowak – (Rn. 57) jeweils den instrumentellen Charakter des Auskunftsrechts für das Begehren der betroffenen Person hervorgehoben, von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen die Berichtigung, Löschung oder Sperrung ihrer Daten zu verlangen. Dagegen dient das Auskunftsrecht nicht der Schaffung eines Zugangs zu Verwaltungsdokumenten, weil dies nicht die Zielrichtung des europäischen Datenschutzrechts ist (EuGH, Urteil vom 17. Juli 2014 – C-141/12 – Rn. 46). Zu Recht hebt das Berufungsurteil schließlich hervor, dass ein weites Verständnis des Begriffs der betroffenen Person, wie es der Kläger für den Insolvenzverwalter einfordert, dem Zweck der Datenschutz-Grundverordnung geradezu zuwiderlaufen würde. Denn eine Anspruchsberechtigung des Insolvenzverwalters würde zu einer Weitergabe der personenbezogenen Daten des Insolvenzschuldners an einen Dritten führen und damit den als Schutzund Kontrollrecht über die eigenen Daten konzipierten Auskunftsanspruch in sein Gegenteil verwandeln.
Dagegen vermögen die vom Kläger für ein weites Verständnis des Begriffs der betroffenen Person angeführten Argumente nicht zu überzeugen. Unbeschadet der gesetzlichen Aufgabe des Insolvenzverwalters zur umfassenden Ermittlung der vermögensrechtlichen Verhältnisse des Insolvenzschuldners, der ihm obliegenden Pflicht, als Vermögensverwalter des Schuldners nach § 34 Abs. 3 AO dessen steuerliche Pflichten (z.B. Erklärungs-, Mitwirkungs-, Auskunfts- und Buchführungspflichten) zu erfüllen, und der ihm in § 80 Abs. 1 InsO eingeräumten umfassenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse über das Vermögen des Schuldners tritt der Insolvenzverwalter nicht umfassend in die Rechtsstellung des Insolvenzschuldners ein. Datenschutzwidrige Verarbeitungen von personenbezogenen Daten des Insolvenzschuldners berühren ihn nicht in seinem eigenen Recht auf Schutz der ihn betreffenden personenbezogenen Daten. Vielmehr verfolgt er mit einer möglichst umfassenden Informationsgewinnung für ein effektives Insolvenzverfahren einen wirtschaftlichen Zweck, der von der Zielrichtung des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs nicht erfasst wird (so auch OVG Hamburg, Urteil vom 8. Februar 2018 – 3 Bf 107/17 – NordÖR 2018, 336 ). Der Auskunftsanspruch dient lediglich dem Schutz ideeller Interessen der betroffenen Person, den vom Kläger reklamierten Vermögensbezug weist er nicht auf. An diesem Verständnis ändern auch die zwischen Schuldner und Verwalter im Innenverhältnis bestehenden Auskunfts- und Mitwirkungspflichten (§§ 97 ff. InsO) und die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannte Berechtigung des Insolvenzverwalters im Rahmen des § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO nichts, grundsätzlich über alle steuerlichen Geheimnisse des Insolvenzschuldners verfügen zu können, die für die Wahrnehmung seines Amtes von Belang sind (BVerwG, Urteil vom 26. April 2018 – 7 C 3.16 [- Buchholz 404 IFG Nr. 28 Rn. 24). Die vom Kläger geltend gemachte Vorwirkung der bislang nicht in nationales Recht umgesetzten Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 führt mangels einer mit der Datenschutz-Grundverordnung vergleichbaren Zielrichtung nicht weiter. Dieser Richtlinie lässt sich kein relevanter Hinweis auf die richtige Auslegung des datenschutzrechtlichen Betroffenenbegriffs entnehmen.
Die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV zur Klärung des Begriffs der betroffenen Person i.S.d. Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO ist nicht geboten. Die Richtigkeit der Auslegung und Anwendung dieses unionsrechtlichen Begriffs durch das Berufungsurteil erweist sich angesichts des eindeutigen Auslegungsergebnisses und der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union erreichten Klärung des Zwecks des Auskunftsrechts nach der Datenschutzrichtlinie (vgl. EuGH, Urteile vom 7. Mai 2009 – C-553/07 – Rn. 49 ff., vom 17. Juli 2014 – C-141/12 – Rn. 44 und vom 20. Dezember 2017 – C-434/16 – Rn. 57) als derart offenkundig, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (acte-clair-Doktrin, vgl. EuGH, Urteile vom 6. Oktober 1982 – C 283/81 – und vom 15. September 2005 – C-495/03, Intermodal Transports –).
Der Kläger kann den Auskunftsanspruch des Insolvenzschuldners aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO und das Recht auf Erteilung einer Kopie aus Absatz 3 der Vorschrift auch nicht in seiner Funktion als Insolvenzverwalter in eigenem Namen geltend machen, weil dieser Anspruch durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gemäß § 80 Abs. 1 InsO auf ihn übergegangen ist. Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch ist als höchstpersönliches Recht des Schuldners nicht Teil der Insolvenzmasse (BVerwG, Beschlüsse vom 4. Juli 2019 – 7 C 31.17 – NVwZ-RR 2019, 1015 Rn. 13 und vom 28. Oktober 2019 – 10 B 21.19 – ZIP 2020, 86 Rn. 10; Birnbreier, EWiR 2019, 663, Schmittmann, NZI 2020, 39 ; Wassermann, ZD 2019, 476; a.A. wohl VG Hannover, Urteil vom 12. Dezember 2017 – 10 A 2866/17 – juris Rn. 25).
Wie der Senat bereits ausgeführt hat (BVerwG, Beschluss vom 15. November 2018 – 6 B 143.18 – NZI 2019, 309 ), setzt die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs durch den Insolvenzverwalter voraus, dass dieser Auskunftsanspruch vom Insolvenzbeschlag gemäß §§ 35 ff. InsO erfasst wird. Zur Insolvenzmasse zu zählendes Vermögen sind die einer Person zustehenden geldwerten Rechte, nicht dagegen Güter des höchstpersönlichen Bereichs (Vuia, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Band 2, 4. Aufl. 2019, § 80 Rn. 44; Hirte/Praß, in: Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 35 Rn. 17). Pfändbare Vermögensrechte sind in der Zwangsvollstreckung nur solche Rechte aller Art, die einen Vermögenswert derart verkörpern, dass die Pfandverwertung zur Befriedigung des Geldanspruchs der Gläubiger führen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2005 – VII ZB 5/05 – NJW 2005, 3353). Vom Insolvenzbeschlag ausgenommen sind Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen (§ 36 Abs. 1 Satz 1 InsO) und Forderungen, die nicht übertragbar sind (§ 851 Abs. 1 ZPO). Eine Forderung ist u.a. dann nicht übertragbar, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann (§ 399 BGB), der Inhalt des Rechts also in einem solchen Maß auf die Person des Berechtigten oder des Verpflichteten zugeschnitten ist, dass bei einem Subjektwechsel die Leistung in ihrem Wesen verändert würde (vgl. BGH, Urteile vom 24. März 2011 – IX ZR 180/10 – BGHZ 189, 65 Rn. 42 und vom 12. Juli 2018 – III ZR 183/17 – BGHZ 219, 243 Rn. 34; Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 851 Rn. 4).
Auf der Grundlage der oben (Rn. 19 f.) dargestellten Charakterisierung des unionsrechtlichen Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO erweist sich dieses Recht nach den Regelungen des nationalen Rechts als nicht übertragbar (§ 399 BGB). Der Auskunftsanspruch stellt das elementare subjektive Datenschutzrecht dar und ist Ausfluss des in Art. 8 Abs. 1 GRC grundrechtlich verbürgten Schutzes der personenbezogenen Daten. Er dient dazu, dem Betroffenen das für die Durchsetzung seines Rechts auf Schutz der ihn betreffenden personenbezogenen Daten notwendige Wissensfundament zu verschaffen und ist seiner Natur nach ein Instrument zur Geltendmachung der Betroffenenrechte. Er kann daher nicht durch Dritte ausgeübt werden, ohne dass die Leistung in ihrem Wesen verändert würde. So verhält es sich hier. Denn in der Hand des Insolvenzverwalters soll die Erfüllung des Auskunftsanspruchs ausschließlich die Realisierung vermögensrechtlicher Ansprüche Dritter befördern. Gegenstand und Ziel des Anspruchs wäre nicht mehr die grundrechtlich verbürgte Kontrolle über die zur eigenen Person verfügbaren Daten, sondern die Gewinnung eines wirtschaftlich verwertbaren Wissens. Der Auskunftsanspruch verlöre bei einem Übergang an einen Dritten seinen vom Unionsgesetzgeber vorgesehenen ideellen Charakter als Transparenzrecht und als Fundament zur Durchsetzung weiterer Betroffenenrechte.
Die vom Kläger im Hinblick auf die Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters geforderte Differenzierung nach dem Charakter der vom Auskunftsanspruch erfassten Daten als solche mit Vermögensbezug und solche mit ideellem Hintergrund kommt aus den im Berufungsurteil bereits dargelegten Gründen nicht in Betracht und würde auch zu keinem sachgerechten Ergebnis führen. Die Datenschutz-Grundverordnung kennt keine Unterscheidung danach, ob ein personenbezogenes Datum ideelle oder vermögensrechtliche Bezüge aufweist. Vielmehr sind sämtliche personenbezogenen Daten, auch wenn sie keine besondere Relevanz für die Freiheit und Privatheit des Betroffenen haben, sondern lediglich unter wirtschaftlichen Aspekten Bedeutung entfalten, vom Schutzregime der Datenschutz-Grundverordnung erfasst…