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Urteil : Videoüberwachung nach dem NPOG (Ls) : aus der RDV 1/2021, Seite 47 bis 48

(Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 6. Oktober 2020 – 11 LC 149/16 –)

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  1. Die Regelungen in § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 NPOG unterliegen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen an das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung einschränkende Normen. Das Land Niedersachsen verfügt über die notwendige Gesetzgebungskompetenz und die Vorschriften sind hinreichend bestimmt und verhältnismäßig.
  2. Eine Kenntlichmachung der Videobeobachtung nach § 32 Abs. 3 Satz 2 NPOG erfordert, dass die Tatsache der Überwachung der Örtlichkeit für den durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer hinreichend erkennbar und wahrnehmbar ist. Diese Anforderungen sind in der Regel erfüllt, wenn die Verkehrsteilnehmer durch gut sichtbar angebrachte Hinweisschilder, auf denen u.a. ein Videokamerapiktogramm abgebildet ist, darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie einen überwachten Bereich betreten.
  1. Die von der Polizeidirektion auf Pfosten angebrachten Aufkleber sind für den durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer nicht hinreichend erkennbar und wahrnehmbar. Die Aufkleber können aufgrund der Krümmung der Pfosten beim Passieren in Geh- bzw. Fahrtrichtung nicht als Ganzes, sondern nur ausschnittsweise wahrgenommen werden und sind auch aufgrund ihres Erscheinungsbilds an den zugleich mit zahlreichen anderen Aufklebern bedeckten Pfosten im öffentlichen Raum nicht hinreichend wahrnehmbar. Zudem ist es für den durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer weder erwartbar noch hinreichend erkennbar, dass sich auf solchen Pfosten auch Aufkleber von Behörden befinden, die rechtlich relevante Informationen enthalten.
  2. Eine anlassbezogene Videobeobachtung nach § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 NPOG, die nur im Zusammenhang mit einer temporären Veranstaltung aktiviert wird, setzt voraus, dass die Polizei ausreichend überprüfbare Anknüpfungstatsachen darlegt, die die Annahme rechtfertigen, dass an den betroffenen Kamerastandorten im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einer Veranstaltung oder einem sonstigen Ereignis eine Straftat oder nicht geringfügige Ordnungswidrigkeit begangen wird. Diese Anknüpfungstatsachen müssen für die Gefahrenprognose nach Zeit, Ort und Inhalt so konkret gefasst sein, dass sie einer entsprechenden Überprüfung im gerichtlichen Verfahren zugänglich sind.
  3. Die von der Polizeidirektion vorgelegten Kriminalitätsstatistiken zu sämtlichen im Laufe eines Kalenderjahres im Wirkungsbereich der betroffenen Kamerastandorte erfassten Straftaten stellen für eine anlassbezogene Videobeobachtung nach § 32 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 NPOG keine ausreichend überprüfbaren Anknüpfungstatsachen dar, weil auf ihrer Grundlage nicht überprüft werden kann, ob die darin erfassten Taten im Zusammenhang mit einer temporären Veranstaltung begangen wurden.