Urteil : Kein anlassunabhängiges monatliches Einblicksrecht des Betriebsrats in Bruttoentgeltlisten : aus der RDV 1/2021, Seite 40 bis 41
(Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 29. September 2020 – 1 ABR 23/19 –)
Nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG sind dem Betriebsrat auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Voraussetzung ist eine auf das konkrete Einsichtsverlangen bezogene, spezifische Feststellung der Erforderlichkeit für die vom Betriebsrat geltend gemachten Aufgaben.
(Nicht amtlicher Leitsatz)
Aus den Gründen
1. Nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG sind dem Betriebsrat auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen; in diesem Rahmen ist der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 BetrVG gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen. Das Recht besteht nur, wenn es zur Durchführung von Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist (vgl. BAG 7. Mai 2019 – 1 ABR 53/17 – Rn. 16, BAGE 166, 309). Beruft sich der Betriebsrat auf eine Überwachungsaufgabe, ist ein solcher Aufgabenbezug in der Regel deshalb gegeben, weil der Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darüber zu wachen hat, dass ua. die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden; ein besonderes Überwachungsbedürfnis muss er nicht darlegen. Verweist der Betriebsrat auf die Prüfung der Wahrnehmung eines Mitbestimmungsrechts, wofür es der Einsicht in die Bruttoentgeltlisten bedarf, kann auch das ausreichend sein (vgl. BAG 30. September 2008 – 1 ABR 54/07 – Rn. 33 ff., BAGE 128, 92).
2. § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG verlangt eine auf das konkrete Einsichtsverlangen bezogene, spezifische Prüfung der Erforderlichkeit für die vom Betriebsrat geltend gemachten Aufgaben. So besteht etwa kein (mit der Überwachungsaufgabe des § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG und einem möglichen Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG begründeter) Anspruch, wenn es einem örtlichen Betriebsrat um den betriebsübergreifenden Einblick in unternehmensweite Bruttoentgeltlisten geht (vgl. BAG 26. September 2017 – 1 ABR 27/16 – Rn. 14 ff.) oder sich die bei einer auf die Durchführung der zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze bezogene Überwachungsaufgabe nicht auf die Einhaltung von Ge- oder Verboten bezieht (vgl. BAG 27. Oktober 2010 – 7 ABR 86/09 – Rn. 32, BAGE 136, 123).
3. Hiervon ausgehend ist nicht ersichtlich, inwieweit die vom Betriebsrat vorgebrachten Aufgaben die verlangte regelmäßige monatliche Einsichtnahme bedingen. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
a) Der Betriebsrat hat darauf verwiesen, die Einhaltung einer im Betrieb geltenden Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit, in welcher Zuschläge für Mehrarbeit, Arbeit an Sonn- und Feiertagen sowie für Nachtarbeit geregelt sind, überprüfen zu wollen. Zwar gehört es zu den Aufgaben eines Betriebsrats, die Durchführung einer Betriebsvereinbarung zu überwachen (vgl. BAG 24. April 2018 – 1 ABR 6/16 – Rn. 26). Damit ist aber keine Notwendigkeit einer monatlichen Einsichtnahme in die Listen dargetan, zumal der Betriebsrat eine regelmäßig monatlich anfallende Mehr- oder Nachtarbeit nicht einmal behauptet. Eine solche Erforderlichkeit kann auch nicht mittels Verweis der Rechtsbeschwerde auf andere Rechtsquellen, die hinsichtlich bestimmter Daten eine regelmäßige Unterrichtung des Betriebsoder Personalrats oder des Wirtschaftsausschusses rechtfertigen, oder durch die Argumentation, das Verlangen einer Einblicknahme könne „jederzeit“ angebracht werden, ersetzt werden.