Editorial : Homearbeit und Arbeitszeitschutz : aus der RDV 1/2021, Seite 1 bis 2
Auch bei Homearbeit besteht Arbeitszeitschutz und die Schutzpflicht des Arbeitgebers zu seiner Gewährleistung, was auch heißt zur Kontrolle der Arbeitszeitvorschriften des ArbZG. Auch wenn der Arbeitgeber insbesondere bei dieser Form der Arbeitserbringung schon aus Praktikabilitätsgründen auf das Prinzip der „Vertrauensarbeit“ setzen möchte, bleibt die Kontrolle der täglichen Arbeitszeit als Schutzpflicht gegenüber den Beschäftigten verpflichtend. Den Maßtab hierfür setzt das Europäische Recht. Nach der EuGH-Entscheidung vom 14.05.2019 C-55/18 ist „im Licht von Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie von Art. 4 Abs. 1, Art. 11 Abs. 3 und Art. 16 Abs. 3 der Richtlinie 89/391/EWG über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer auszulegende Richtlinie 2003/88/EG“ ist eine umfassende Arbeitszeitdokumentation zwingend. Da die derzeitigen Dokumentationspflichten des ArbZG dem nicht genügen (so zumindest die überw. Ansicht der Literatur: Brors, NZA 2020, 1620; Bayreuther, NZA 2020, 1; Baeck/Winzer, NZA 2020, 96 ; a.A. z.B. Hanau, ZfA 2020, 129), obliegt es dem Bundesgesetzgeber sie den europarechtlichen Vorgaben anzupassen. Hierfür lässt er sich jedoch Zeit. Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung nunmehr endlich zumindest für die durch die Corona-Krise höchst relevant gewordenen verschiedenen Formen mobiler Arbeit. Abzuwarten bleibt, was aus dem den Verbänden Ende des Jahres vorgelegten Gesetzesentwurf wird (mobile-Arbeit Gesetz: https://www.mwe.com/de/insights/mobile-arbeit-referentenentwurf-de).
Zumindest zur Klarstellung ist der Anpassungsbedarf der Arbeitszeitregelungen dringlich, da das EU-Recht nach anderen Stimmen auch ohne nationale Umsetzung gelten soll bzw. praktiziert wird. Das ArbG Emden hat sich im vergangenen Jahr – soweit ersichtlich als bisher erstes und einziges Gericht in Deutschland – die unmittelbaren Wirkung des Eu-Rechts bejaht. Und das bereits zweimal. Demnach kann, wenn ein Mitarbeiter die Vergütung von Überstunden geltend mache, der Arbeitgeber dem nur widersprechen, wenn er Angaben eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Arbeitszeiterfassungssystems vorlegen kann. Darauf folgend hat es auch in einem Betrieb, der Vertrauensarbeit praktizierte, den Arbeitgeber nach § 618 Abs. 1 i.V.m. § 241 BGB als verpflichtet angesehen, sich über eine entsprechend gestaltete Arbeitszeiterfassung Kenntnis der (Nicht-) Zahlungsverpflichtung verschaffen zu können.
Prof. Peter Gola
Prof. Peter Gola
Mitherausgeber und federführender
Schrift leiter der Fachzeitschrift
RDV sowie Ehrenvorsitzender der
Gesellschaft für Datenschutz und
Datensicherheit (GDD) e.V., Bonn.