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Urteil : Datenerhebung bei Minderjährigen zur Mitgliederwerbung einer Krankenkasse im Rahmen eines Gewinnspiels : aus der RDV 2/2015, Seite 89 bis 92

(Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Januar 2014 – I ZR 218/12 –)

Archiv RDV
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Eine gesetzliche Krankenkasse verstößt gegen das Verbot, die geschäftliche Unerfahrenheit von Jugendlichen auszunutzen (§ 4 Nr. 2 UWG), wenn sie im Zusammenhang mit der Durchführung eines Gewinnspiels von den Teilnehmern im Alter zwischen 15 und 17 Jahren umfangreiche personenbezogenen Daten erhebt, um diese (auch) zu Werbezwecken zu nutzen.

Sachverhalt:

Die Klägerin, die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, nimmt die beklagte gesetzliche Krankenkasse auf Unterlassung in Anspruch, im Zusammenhang mit der Durchführung von Gewinnspielen für minderjährige Verbraucher die Daten der Teilnehmer zu Werbezwecken zu erheben.

Die Beklagte nahm im Juni 2011 an der Nordjob-Messe in Kiel teil, die sich vor allem an Schüler richtete und dazu diente, den Besuchern Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten vorzustellen. Sie verteilte während der Messe Teilnahmekarten für ein Gewinnspiel.

Auf der Rückseite der mit „Gewinnkarte“ bezeichneten Teilnahmekarte sollten die Teilnehmer am Gewinnspiel in insgesamt neun Zeilen Angaben zum Namen, Vornamen, Geburtsdatum, zur Anschrift, zu Telefon-Nummern, zur E-Mail-Adresse und zur Krankenkasse machen. Darunter befand sich – etwas abgesetzt – folgender als „Datenschutzhinweis“ bezeichneter Hinweis:

„Die Angaben sind freiwillig. Die Daten werden nicht an Dritte weitergegeben.“

Direkt unter diesem Hinweis stand in räumlichem Zusammenhang mit dem fettgedruckten Wort „Einwilligungserklärung“ folgender Text:

„Ich bin damit einverstanden, dass die … meine Daten (bzw. die Daten meiner Tochter/meines Sohnes) speichert und nutzt, um mich telefonisch, schriftlich, per E-Mail oder per SMS über die Vorteile einer …-Mitgliedschaft und neue Angebote der … zu informieren und zu beraten.

Diese Einwilligung kann ich jederzeit mit Wirkung für die Zukunft bei der … widerrufen. Meine Daten werden dann gelöscht.“

Unterhalb der für die Unterschrift vorgesehenen Zeile stand der kleingedruckte Hinweis:

„(Bei unter 15-Jährigen Unterschrift des Erziehungsberechtigten).“

Die Klägerin hat in der Erhebung der persönlichen Daten der Teilnehmer am Gewinnspiel einen Verstoß gegen § 4 Nr. 2 UWG gesehen. Sie hat die Beklagte mit Schreiben vom 12. September 2011 abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert. Die Beklagte hat sich daraufhin strafbewehrt verpflichtet, es zu unterlassen,

„eine an Minderjährige zwischen 15 und 18 Jahren gerichtete Werbung zur Teilnahme an einem Gewinnspiel einzusetzen, in der die Gewinnspielteilnahme und die Einwilligungserklärung zum Erhalt von Informationen über die … optisch derart verknüpft sind, dass die Unterscheidung zwischen beiden Angaben bzw. Erklärungen nicht hinreichend deutlich wird.“

Die Klägerin ist der Ansicht, die Unterlassungserklärung reiche nicht aus. Sie erfasse nicht die Fallkonstellation, dass die Beklagte die geschäftliche Unerfahrenheit der (minderjährigen) Verbraucher ausnutze.

Das Landgericht hat die Unterlassungsklage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht (OLG Hamm, WRP 2013, 375) die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt,

„es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen im Zusammenhang mit Gewinnspielen, die die Beklagte für minderjährige Verbraucher veranstaltet, die Daten der Teilnehmer zu Werbezwecken zu erheben, wie aus der Gewinnkarte (Anlage K 1) ersichtlich geschehen“.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Aus den Gründen:

I. Das Berufungsgericht hat das auf die konkrete Verletzungsform beschränkte Unterlassungsbegehren der Klägerin gemäß § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 3, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 2 UWG als begründet angesehen. Dazu hat es ausgeführt:

Die Beklagte habe mit der Aufforderung, an dem von ihr veranstalteten Gewinnspiel teilzunehmen, eine geschäftliche Handlung vorgenommen, weil es ihr um die Ermittlung von Kundendaten gegangen sei. Der Annahme eines wettbewerbswidrigen Verhaltens der Beklagten stehe nicht § 28 BDSG entgegen, da die Datenerhebung nicht für die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses erforderlich sei. Die Beklagte nutze das Alter, die geschäftliche Unerfahrenheit und die Leichtgläubigkeit der 15 bis 17-jährigen Spielteilnehmer für ihre Zwecke aus. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass Minderjährige ab dem 15. Lebensjahr grundsätzlich bereits die nötige Reife hätten, die Tragweite einer Einwilligungserklärung zur Datenspeicherung und -verwendung für Werbezwecke zu erkennen.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.

1. Gegenstand des Unterlassungsbegehrens der Klägerin ist nicht die Datenerhebung von Jugendlichen zwischen 15 und 17 Jahren als solche, sondern die konkrete Art und Weise, in der dies geschieht. Die Klägerin wendet sich dagegen, dass die Erhebung der Daten im Zusammenhang mit der Durchführung eines Gewinnspiels erfolgt.

2. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, bei der von der Beklagten durchgeführten Erhebung von Daten der Teilnehmer an dem von ihr veranstalteten Gewinnspiel handele es sich um eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.

a) Eine „geschäftliche Handlung“ ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren und Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. „Unternehmer“ im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG ist jede natürliche oder juristische Person, die geschäftliche Handlungen im Rahmen einer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vor nimmt. Die genannten Vorschriften dienen der Umsetzung von Art. 2 Buchst. b und d der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken. Sie sind daher im Lichte des Wortlauts und des Zwecks dieser Richtlinie auszulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 – C-397/01 bis C-403/01, Slg. 2004, I-8835 = EuZW 2004, 691 Rn. 113 f. – Pfeiffer u.a./Deutsches Rotes Kreuz, Kreisverband Waldshut e.V.; BGH, Beschluss vom 18. Januar 2012 – I ZR 170/10, GRUR 2012, 288 Rn. 7 = WRP 2012, 309 – Betriebskrankenkasse, mwN).

b) Die Revision zieht zu Unrecht in Zweifel, dass es sich bei der von der Klägerin beanstandeten Erhebung von Daten seitens der Beklagten um eine geschäftliche Handlung eines Unternehmers im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 6 UWG handelt. Entgegen der Ansicht der Revision steht eine Anwendung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 6 UWG im Streitfall nicht in Widerspruch zu Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. b und d der Richtlinie 2005/29/EG, auch wenn es sich bei der Beklagten um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt, die Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung erfüllt.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden, dass es für die Eröffnung des persönlichen Anwendungsbereichs der Richtlinie 2005/29/EG unerheblich ist, wie die Einordnung und die Rechtsstellung der fraglichen Einrichtung (hier: die Beklagte) nach nationalem Recht ausgestaltet ist. Die Richtlinie gilt nach ihrem Art. 3 Abs. 1 „für unlautere Geschäftspraktiken … von Unternehmen gegenüber Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines … Handelsgeschäfts“. Der in der Richtlinie ebenfalls verwendete Begriff „Gewerbetreibender“ stimmt in seiner Bedeutung und rechtlichen Tragweite mit dem Begriff „Unternehmen“ überein. Beide Begriffe umfassen daher gemäß Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2005/29/EG jede natürliche oder juristische Person, die eine entgeltliche Tätigkeit ausübt. Einrichtungen, die eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe erfüllen, werden davon ebenso wenig ausgenommen wie öffentlich-rechtliche Einrichtungen (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2013 – C-59/12, GRUR 2013, 1159 Rn. 26, 28, 32 = WRP 2013, 1454 – BKK MOBIL OIL). Auch der Zweck der Richtlinie 2005/29/EG, den Verbraucher umfassend vor unlauteren Geschäftspraktiken zu schützen, rechtfertigt es, die Beklagte als „Gewerbetreibende“ im Sinne der Richtlinie einzustufen. Nur eine solche Auslegung des Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. b und d der Richtlinie 2005/29/EG ist geeignet, die volle Wirkung der Richtlinie zu gewährleisten, indem sie dafür sorgt, dass unlauteren Geschäftspraktiken – einschließlich der unlauteren Werbung von Gewerbetreibenden gegenüber Verbrauchern – im Einklang mit dem Erfordernis eines hohen Verbraucherschutzniveaus wirksam begegnet werden kann (EuGH, GRUR 2013, 1159 Rn. 33 f., 38 f. – BKK MOBIL OIL). Danach ist die Erhebung der personenbezogenen Daten von Teilnehmern an dem von der Beklagten veranstalteten Gewinnspiel auf der Messe in Kiel seitens der Beklagten als geschäftliche Handlung eines Unternehmers im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 6 UWG einzustufen.

3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Wettbewerbswidrigkeit des beanstandeten Verhaltens der Beklagten sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Datenerhebung gesetzlich zulässig sei.

a) Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG ist das Erheben und Nutzen personenbezogener Daten als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke zulässig, wenn dies für die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses mit dem Betroffenen erforderlich ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Durch die Teilnahme an einem Gewinnspiel kann zwar ein rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis begründet werden (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 – I ZR 169/10, GRUR 2013, 531 Rn. 20 = WRP 2013, 767 – Einwilligung in Werbeanrufe II). Im vorliegenden Fall geht die Erhebung der personenbezogenen Daten jedoch weit über den Umfang hinaus, der für die Durchführung des Gewinnspiels erforderlich ist. Zudem ist Gegenstand des Unterlassungsantrags allein die Erhebung der Daten zu Werbezwecken, also zu Zwecken, die jenseits der Teilnahme am Gewinnspiel selbst und seiner Abwicklung liegen. Das Erheben von Daten zu solchen „überschießenden“ Zwecken wird – worauf die Revisionserwiderung mit Recht hinweist – in § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG nicht für zulässig erklärt.

b) Die Erhebung der personenbezogenen Daten ist im vorliegenden Fall auch nicht im Hinblick auf § 28 Abs. 3 BDSG zulässig. Nach dieser Vorschrift ist die Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten für Zwecke der Werbung zulässig, soweit der Betroffene eingewilligt hat. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist indes nicht die Einwilligung des Betroffenen oder deren Wirksamkeit, sondern die Frage, ob die Beklagte bei der Erlangung von Einwilligungen die geschäftliche Unerfahrenheit von Jugendlichen ausgenutzt hat. Diese Fallgestaltung wird von § 28 Abs. 3 BDSG nicht erfasst. Auch die Vorschrift des § 4a Abs. 1 BDSG regelt allein die Frage der Wirksamkeit einer Einwilligung und nicht die Frage, ob die geschäftliche Unerfahrenheit des Einwilligenden ausgenutzt wird.

4. Ohne Erfolg bleiben schließlich auch die Angriffe der Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe gegen die Beklagte gemäß § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 3, §§ 3, 4 Nr. 2 UWG einen Anspruch auf Unterlassung, die Daten der 15 bis 17-jährigen Teilnehmer an dem in Rede stehenden Gewinnspiel zu erheben, wenn dies mittels der in Rede stehenden Gewinnkarte geschieht.

a) Nach § 4 Nr. 2 UWG sind Wettbewerbshandlungen unter anderem dann unlauter, wenn sie geeignet sind, die geschäftliche Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen auszunutzen. Durch die Bestimmung sollen besonders schutzwürdige Verbraucher vor der Ausnutzung ihrer Unerfahrenheit bewahrt werden. Erfasst werden sollen auch Fälle im Vorfeld von konkreten Verkaufsförderungsmaßnahmen, beispielsweise, wenn Daten von Kindern oder Jugendlichen zu Werbezwecken erhoben werden (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs 2004, BT-Drucks. 15/1487, S. 17). Die Vorschrift stellt eine Abweichung vom Leitbild des erwachsenen Durchschnittsverbrauchers dar, das der Gesetzgeber bei der UWG-Reform 2004 in Übereinstimmung mit der neueren Rechtsprechung zugrunde gelegt hat (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs 2004 aaO S. 19). Damit verschiebt sich der an die Bewertung einer Wettbewerbshandlung anzulegende Maßstab zu Lasten des Unternehmers (BGH, Urteil vom 6. April 2006 – I ZR 125/03, GRUR 2006, 776 Rn. 19 = WRP 2006, 885 – Werbung für Klingeltöne, mwN). Maßgebend ist jeweils der Durchschnitt des von einer Werbemaßnahme angesprochenen Verkehrskreises. Wendet sich der Werbende gezielt an eine bestimmte Bevölkerungsgruppe wie beispielsweise Kinder und Jugendliche, so muss er sich nach § 3 Abs. 2 Satz 2 UWG an einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Angehörigen dieser Gruppe orientieren (vgl. Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2005/29/EG; BGH, Urteil vom 2. Oktober 2003 – I ZR 150/01, BGHZ 156, 250, 252 – Marktführerschaft; BGH, GRUR 2006, 776 Rn. 19 – Werbung für Klingeltöne; Urteil vom 17. Juli 2008 – I ZR 160/05, GRUR 2009, 71 Rn. 17 = WRP 2009, 45 – Sammelaktion für Schoko-Riegel). Dementsprechend können Handlungen, die gegenüber einer nicht besonders schutzwürdigen Zielgruppe noch zulässig sind, gegenüber geschäftlich Unerfahrenen unzulässig sein.

b) Voraussetzung für die Annahme einer Unlauterkeit im Sinne von § 4 Nr. 2 UWG ist es, dass sich die Werbung – zumindest auch – gezielt an Kinder oder Jugendliche wendet, weil sich die Vorschrift gegen ein Ausnutzen der Unerfahrenheit dieser Zielgruppe richtet. Das Erfordernis der Zielgerichtetheit trägt dem Umstand Rechnung, dass bei der Beurteilung von Wettbewerbshandlungen grundsätzlich auf den Durchschnittsverbraucher des angesprochenen Verkehrskreises abzustellen ist. In vielen Fällen wird Werbung sowohl von Erwachsenen als auch von Minderjährigen wahrgenommen. Solche Werbung ist nicht stets auch am Maßstab des § 4 Nr. 2 UWG zu messen (vgl. BGH, GRUR 2006, 776 Rn. 20 – Werbung für Klingeltöne).

Nach den unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Berufungsgerichts wurde die Teilnahmekarte für das von der Beklagten veranstaltete Gewinnspiel während der NordjobMesse verteilt. Diese Messe diente der Vorstellung von Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten und richtete sich deshalb vornehmlich an Schülerinnen und Schüler, die vor einer Berufswahl standen, und damit hauptsächlich an Jugendliche. Ausgeschlossen waren allerdings diejenigen Jugendlichen, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, weil diese für die Einwilligung in die Datenerhebung die Unterschrift der Erziehungsberechtigten benötigten.

c) Allerdings ist nicht jede gezielte Beeinflussung von Minderjährigen nach § 4 Nr. 2 UWG unlauter. Die konkrete Handlung muss vielmehr geeignet sein, die Unerfahrenheit auszunutzen (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 2005 – I ZR 28/03, GRUR 2006, 161 Rn. 21 = WRP 2006, 69 – Zeitschrift mit Sonnenbrille; BGH, GRUR 2006, 776 Rn. 22 – Werbung für Klingeltöne). Maßgeblich ist, ob sich der Umstand, dass Minderjährige typischerweise noch nicht in ausreichendem Maße in der Lage sind, Waren oder Dienstleistungsangebote kritisch zu beurteilen, auf die Entscheidung für ein unterbreitetes Angebot auswirken kann (BGH, GRUR 2006, 776 Rn. 22 – Werbung für Klingeltöne).

aa) Hiervon ausgehend hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen, dass die Datenerhebung in der konkret durchgeführten Art und Weise geeignet ist, die geschäftliche Unerfahrenheit von Jugendlichen auszunutzen. Es hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass Jugendliche im Alter zwischen 15 und 17 Jahren noch nicht die nötige Reife besitzen, die Tragweite einer Einwilligungserklärung zur Datenspeicherung und Datenverwendung zu Werbezwecken abzusehen.

Entgegen der Ansicht der Revision stellt es keinen Rechtsfehler dar, dass das Berufungsgericht nicht im Einzelnen dargelegt hat, aus welchen Gründen es sich zur Beurteilung in der Lage gesehen hat, ob Jugendliche im Alter zwischen 15 und 17 Jahren die Tragweite der von ihnen abgegebenen Einwilligungserklärung hinsichtlich der Erhebung und Nutzung der personenbezogenen Daten in ausreichendem Maße erkennen können.

Die Feststellung der Wirkung einer Werbung auf die angesprochenen Verkehrskreise stützt sich auf die Anwendung von Erfahrungswissen, das gegebenenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen zu ermitteln ist. Ermittelt der Tatrichter das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise ohne sachverständige Hilfe, so geht er davon aus, aufgrund eigenen Erfahrungswissens selbst über die erforderliche Sachkunde zu verfügen (vgl. BGHZ 156, 250, 254 – Marktführerschaft).

Das Berufungsgericht hat nicht im Einzelnen dargelegt, dass es über eine entsprechende Sachkunde verfügt. Das war im vorliegenden Fall allerdings ausnahmsweise auch nicht erforderlich. Die Wirkung der Werbung auf die angesprochenen Jugendlichen konnten die ständig mit Wettbewerbssachen befassten Mitglieder des Berufungssenats aufgrund ihrer Fachkenntnisse selbst beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2001 – I ZR 261/98, GRUR 2002, 77, 80 = WRP 2002, 85 – Rechenzentrum; Seichter in Ullmann, jurisPK/UWG, 3. Aufl., § 4 Nr. 2 Rn. 71).

bb) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe bei der tatrichterlichen Feststellung der geschäftlichen Unerfahrenheit der angesprochenen Jugendlichen gesetzliche Vorschriften zur Geschäftsfähigkeit Minderjähriger und darin zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertungen nicht hinreichend berücksichtigt.

(1) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach der Wertung der §§ 112, 113 BGB Minderjährige für bestimmte Geschäfte in bestimmten Situationen als uneingeschränkt geschäftsfähig angesehen werden können. Ebenso hat das Berufungsgericht die Vorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 3 SGB V berücksichtigt, die vorsieht, dass Minderjährige nach Vollendung des 15. Lebensjahrs ihre Krankenkasse selbst wählen dürfen.

(2) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe übersehen, dass sowohl der selbständige Betrieb eines Erwerbsgeschäfts nach § 112 BGB als auch das Eingehen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses gemäß § 113 BGB rechtlich und auch tatsächlich sehr weitreichende Konsequenzen hätten, die mit denjenigen der Angabe von Daten im Rahmen eines Gewinnspiels nicht vergleichbar seien. Anders als in den vom Gesetzgeber geregelten Fällen erscheine eine Genehmigung der gesetzlichen Vertreter und gar des Vormundschaftsgerichts bei der Datenerhebung nicht zwingend erforderlich, um den Minderjährigen vor den rechtlichen Folgen seines Handelns zu schützen. Zudem habe das Berufungsgericht außer Acht gelassen, dass die Entscheidung zur Angabe von Daten zum Zweck der Zusendung von Werbung für die Dienstleistungen einer gesetzlichen Krankenkasse nicht über die Tragweite der Wahl einer Krankenkasse hinausgehe und daher grundsätzlich nicht zu beanstanden sei.

Dieses Vorbringen verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Die Frage, ob Jugendliche in die Nutzung ihrer Daten wirksam einwilligen können, ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Die Klägerin beanstandet vielmehr, dass die Datenerhebung im Zusammenhang mit der Durchführung eines Gewinnspiels erfolgt und dadurch die Tragweite einer Preisgabe personen bezogener Daten für einen Jugendlichen zwischen 15 und 17 Jahre nicht hinreichend deutlich wird. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob eine Werbung, die sich an die angesprochene Zielgruppe richtet, grundsätzlich zulässig ist. Entscheidend ist vielmehr, ob die Verbindung der Erteilung der Einwilligungs erklärung mit der Teilnahme an einem Gewinnspiel die geschäftliche Unerfahrenheit der Minderjährigen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren unlauter ausnutzt. Die Revisions erwiderung weist mit Recht darauf hin, dass sich ein Schluss, alle Jugendlichen ab dem Alter von 15 Jahren könnten generell absehen, welche Auswirkungen eine zu Werbezwecken erfolgende Datenerhebung habe, wenn sie im Zusammenhang mit der Auswahl einer Krankenkasse stehe, aus den Wertungen der §§ 112, 113 BGB und § 175 Abs. 1 Satz 3 SGB V nicht herleiten lässt.

cc) Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung auch nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen.

Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass ein Minderjähriger im Alter zwischen 15 und 17 Jahren den Reizen eines Gewinnspiels eher erliegen wird als ein Erwachsener (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 4 Rn. 2.34; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl., § 4.2 Rn. 2/10; Späth in Götting/Nordemann, UWG, 2. Aufl., § 4 Rn. 2.42, 2.44; Seichter in jurisPK-UWG aaO § 4 Nr. 2 Rn. 63) und die Folgen der Einwilligung in die Datenerhebung mit der Möglichkeit, ständig über mehrere Kommunikationswege erreichbar zu sein, dabei vernachlässigt (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rn. 2.41; Fezer/Scherer, UWG, 2. Aufl., § 4-2 Rn. 200; Böhler, WRP 2011, 1028, 1031). Auch für Jugendliche in der hier in Rede stehenden Altersgruppe sind die mit der Preisgabe der persönlichen Daten und der Einwilligungserklärung verbundenen Nachteile nur schwer erkennbar. Das Gleiche gilt für die wirtschaftlichen Vorteile, die sich das werbende Unternehmen aus der Datenerhebung verspricht (vgl. Seichter in Ullmann, jurisPK-UWG aaO § 4 Nr. 2 Rn. 68; Böhler, WRP 2011, 1028, 1031). Mit ihrer gegenteiligen Ansicht ersetzt die Revision lediglich in unzulässiger Weise die tatrichterliche Beurteilung, ohne dabei einen erheblichen Rechtsfehler des Berufungsgerichts aufzuzeigen.

Mit Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass die Teilnahme an dem Gewinnspiel der Beklagten auf eine kurzfristige Entscheidung angelegt ist, während der Entscheidung über die Wahl der Krankenkasse häufig ein langfristig angelegter Entscheidungsprozess zugrunde liegt. Dies ergibt sich schon daraus, dass auch ein Jugendlicher die weitreichenden Folgen der Wahl einer Krankenkasse berücksichtigen wird, weil er sich – für ihn leicht erkennbar – im Allgemeinen langfristig bindet. Demgegenüber stellt die Teilnahme an einem Gewinnspiel eine spontane Entscheidung dar, deren Folgen im Zusammenhang mit der Datenerhebung ein Jugendlicher erfahrungsgemäß vernachlässigen wird.

Unter den gegebenen Umständen steht der Beurteilung des Berufungsgerichts auch nicht entgegen, dass Jugendliche durch eine verbreitete Nutzung des Internets über Computer und Handys den Umgang mit Medien und Werbung gewohnt sind und hierbei regelmäßig mit der Möglichkeit und Notwendigkeit der Eingabe personenbezogener Daten konfrontiert werden. Aus zunehmenden Erfahrungen mit solchen Medien lassen sich nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf die Erkennbarkeit der Folgen einer Preisgabe von personenbezogenen Daten ziehen.