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Kurzbeitrag : Neue Rechtsprechung: Vertragsstrafenklauseln in Adressverträgen in Adressverträgen : aus der RDV 2/2015, Seite 84 bis 86

Lesezeit 7 Min.

Für einen gewerblichen Adresshändler sind die Adressbestände das wesentliche Wirtschaftsgut, dessen Wertbestand er absichern muss. Vertragsstrafen bilden für ihn ein Element, um sich gegenüber seinen Kunden gegen eine vertragswidrige Nutzung der überlassenen Adressen zu schützen.

I. Vertragsbeziehungen bei Adressverträgen

Im gewerblichen Adresshandel stehen in der Praxis in der Regel zwei bzw. drei Personen miteinander in Kontakt, die sämtlich Unternehmer sind: der Adresshändler bzw. Listeigner auf der einen und der Werbende auf der anderen Seite sowie, je nach Ausgestaltung der Vertragsbeziehung, der Listbroker. Im Wesentlichen sind dabei zwei Typen von Vertragsbeziehungen zu unterscheiden, zum einen die direkte Geschäftsbeziehung zwischen dem Werbenden und dem Adresshändler und zum anderen die so genannte Listbroker-Variante. Im ersten Fall werden die vertraglichen Leistungen zwischen diesen beiden Personen ohne Einschaltung eines Dritten abgewickelt. Diese Konstellation findet sich in der Praxis vor allem dann, wenn der Werbende über eine entsprechende Marktkenntnis verfügt. Im zweiten Fall übernimmt hingegen ein Listbroker die gegebenenfalls arbeitsintensive Recherche nach den gewünschten Adressen. Er stellt den Kontakt zwischen dem Werbenden und dem Adresshändler/Eigner der Adresslisten her, wobei der Listbroker auch sämtliche Aufgaben des Adresshändlers selbst übernehmen kann[1]. Je nach vertraglicher Ausgestaltung werden die Adressen dabei von dem damit werbenden Kunden des Adresshändlers entweder einmalig oder beliebig häufig benutzt[2].

II. Vertragswidrige Nutzung der Adressen

In der Praxis kann es durchaus vorkommen, dass der Werbende die Daten nicht gemäß der vertraglichen Vereinbarung nutzt, z.B. indem er sie nach Ablauf der vereinbarten Dauer noch weiter verwendet. Den Nachweis eines diesbezüglichen Verstoßes führt der Adresshändler regelmäßig über die Verwendung von Kontrolladressen, die er in den Adressbestand einschleust und über die er von der vertragswidrigen Verwendung Kenntnis erlangt. Hierdurch wird dem Adresshändler praktisch eine Umkehr der Beweislast zu seinen Gunsten ermöglicht[3]. Die Zulässigkeit solcher Kontrolladressen ist von der Rechtsprechung – soweit diese vertraglich ausdrücklich vereinbart sind[4] – grundsätzlich anerkannt[5].

Enthält der Adressvertrag für den Fall des Vertragsverstoßes keine spezifische Bestimmung einer Vertragsstrafe, kann der Adresshändler vom Werbenden Schadensersatz gemäß §§ 280, 282 BGB verlangen, wobei sich die Schadenshöhe nach der fiktiven Lizenzgebühr für die tatsächlich durch den Werbenden erfolgte Adressnutzung richtet[6]. Aus Praktikabilitätserwägungen wird in der Praxis häufig eine Vertragsstrafe vereinbart. Diese soll nicht nur dazu dienen, dass der zu leistende Schadensersatz dem realen Wert der Adressdaten entspricht, sondern zugleich auch eine abschreckende Wirkung haben, da sie neben dem Schadensersatz verlangt werden kann.

III. Zulässigkeit von Vertragsstrafen in Adressverträgen

1. Grundsätzliche Zulässigkeit

Im unternehmerischen Bereich ist die rechtliche Wirksamkeit von Vertragsstrafenklauseln in Adressverträgen von der Rechtsprechung vom Grundsatz her seit längerem anerkannt[7]. Das Verbot in § 309 Nr. 6 BGB greift insoweit nicht[8] und hat auch keine Indizwirkung für die Unwirksamkeit solcher Klauseln. Zwischen Unternehmern ist für die Wirksamkeit einer Vertragsstrafenklausel § 307 BGB maßgeblich[9]. Gerade wenn das Ziel der Vertragsstrafe ist, eine rechtswidrige Nutzung der Adressen zu unterlassen, bringt häufig allein sie einen wirksamen Schutz[10].

2. Höhe der Vertragsstrafe

Nicht eindeutig ist die Rechtsprechung hingegen bezüglich der zulässigen Höhe einer Vertragsstrafe. In der Praxis finden sich häufig Vertragsstrafenklauseln, die für den Fall einer vertragswidrigen Nutzung die Zahlung des Zehnfachen des vertraglich vereinbarten Entgelts vorsehen[11].

Der BGH hat dies in einer Entscheidung aus dem Jahre 1976 nicht beanstandet. Er hat dabei nur generell zu der Frage Stellung genommen, ob Vertragsstrafen im unternehmerischen Bereich in dieser Höhe AGB-rechtlich zulässig sind, die Klausel selbst jedoch nicht anhand der übrigen AGB-rechtlichen Vorgaben subsumiert[12].

Demgegenüber lässt das OLG München offen, ob das Zehnfache zulässig ist, hält jedoch eine Vertragsstrafe in Höhe des Zwanzigfachen Entgelts für jede vertragswidrige Nutzung für unwirksam[13]. Das Gericht weist zur Begründung darauf hin, dass der durch die vertragswidrige Mehrfachverwendung der Adressen entstandene Schaden für den Adresshändler allein im Entgang des Entgelts für die Wiederverwendung liegt. Bei einer Vertragsstrafe in Höhe des Zwanzigfachen Betrages des Gesamtmietentgelts diene die Vertragsstrafe nicht mehr der darauf gerichteten Druckfunktion, sondern der Schaffung neuer, vom Interesse des Auftraggebers losgelöster, Geldforderungen[14].

Das OLG Frankfurt a. M. lässt hingegen in einer älteren Entscheidung eine Vertragsstrafe in Höhe des zwanzigfachen Entgelts zu[15]. Die Literatur sieht diese Entscheidung teilweise kritisch[16].

Das OLG Celle hat eine Vertragsstrafe in Höhe von 25.000 € pro Vertragsverstoß bei einem Preis jeder einzelnen Adresse von 0,15 € als unangemessene Benachteiligung gemäß §§ 307 Abs. 1 und 2, 310 Abs. 1 BGB für treuwidrig erachtet, da dies dem Klauselverwender die Möglichkeit eröffne, an den Vertragsstrafen erheblich dazu zu verdienen[17].

3. Neuere restriktive Entscheidung des OLG Frankfurt a. M

Allen vorgenannten Entscheidungen ist gemein, dass sie die Zulässigkeit der Vertragsstrafe allein an der Höhe messen. Für die AGB-rechtlichen Grenzen von Vertragsstrafenklauseln auch im unternehmerischen Verkehr ist neben dem Verhältnis zwischen vertraglichem Entgelt und Höhe der Vertragsstrafe aber auch ihre übrige rechtliche Struktur maßgeblich, so z.B. welche Verstöße sie abdecken sollen.

Diesen Ansatz hat in diesem Zusammenhang nunmehr richtigerweise erstmals auch das OLG Frankfurt a.M. in einer bislang nicht veröffentlichten Entscheidung aufgenommen. Dem Urteil lag eine AGB-Klausel zu Grunde, die „für jeden Verstoß […] die Zahlung einer Vertragsstrafe des zehnfachen Entgeltes der Kosten des Nutzungsrechtes“ bzw. „bei Verletzung dieser Vereinbarung“ bzw. „für den Fall der Zuwiderhandlung“ vorsah. Das OLG hält diese Klausel nach §§ 310 Abs. 1 Satz 2, 307 Abs. 1 und 2 BGB für unangemessen und unwirksam, weil sie die die Zahlung verschuldensunabhängig an einen Vertragsverstoß knüpfe. Eine Vertragsstrafe setzte aber in jedem Fall – auch, wie im vorliegenden Fall, bei einem Verstoß gegen Unterlassungspflichten – voraus, dass der Schuldner schuldhaft im Sinne von § 276 BGB handelt[18]. Dies ist für eine Vertragsstrafe in Form einer AGB allgemein anerkannt[19]. Das OLG weist weiterhin darauf hin, dass von diesem Grundsatz nur im Wege einer Individualabrede abgewichen werden könne. Im unternehmerischen Verkehr bestünde zwar im AGB-Bereich ein erheblich weiterer Spielraum, Vertragsstrafen zu vereinbaren, als im Verbraucherbereich. Aber auch zwischen Unternehmern sei eine verschuldensunabhängige Strafklausel als AGB nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn gewichtige Interessen des Verwenders dies verlangten[20]. In dem entschiedenen Fall hat der Senat dies verneint. Unabhängig davon, dass solche Interessen im konkreten Fall nicht dargelegt wurden, sieht das Gericht eine unangemessene Bevorteilung der Klauselverwenderin allein schon darin, dass bereits die vertragswidrige Nutzung von lediglich zwei Kontrolladressen ohne Rücksicht auf ein Verschulden die hohe Vertragsstrafe verwirke. Für die werbende Adressempfängerin bedeute dies faktisch eine Beweislastumkehr, ohne dass es dabei auf ihr Vertretenmüssen ankäme[21].

IV. Fazit

Der Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. ist zuzustimmen. Im Gegensatz zu den übrigen ergangenen Entscheidungen – insbesondere der älteren des BGH[22] – wird hier nicht allein auf das quantitative Verhältnis zwischen Entgelt und Höhe der Vertragsstrafe abgestellt, sondern werden richtigerweise auch qualitativ die allgemeinen zum AGB-Recht anerkannten Begleitumstände (hier das Verschulden) einbezogen. Die Berufung auf einige wenige Kontrolladressen ohne jeden Bezug zur Anzahl der insgesamt dem Werbenden überlassenen Adressen ist im Vergleich zur Höhe der verwirkten Vertragsstrafe unverhältnismäßig. Im Bereich der Werbung ist es anerkannt, dass »Ausreißer« des Werbenden ggf. rechtlich zu seinen Gunsten zu berücksichtigen sind[23]. Auch die Ausführungen des Gerichts zur faktischen Beweislastumkehr sind zutreffend und stehen mit der übrigen AGB-rechtlichen Rechtsprechung im Einklang. Mit der vorformulierten Regelung zur Vermutungswirkung eines Vertragsverstoßes gegen die Verwendung von Kontrolladressen verschafft sich der Adresshändler gegenüber dem Kunden ein Mittel, mit dem er seiner Beweislast solange genügen kann, bis der Kunde die Unrichtigkeit der Vermutung bewiesen hat. Damit verkörpert dies den typischen Fall einer Beweislaständerung, die gemäß § 309 Nr. 12 b BGB – auch im unternehmerischen Verkehr[24]– unwirksam ist[25]

V. Ausblick

Adresshändler werden ihre Vertragsstrafenklauseln im Hinblick auf diese Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. überprüfen und gegebenenfalls anpassen müssen.

Insbesondere ist zukünftig für Adresshändler die Verwendung solcher Klauseln riskant, die die Vertragsstrafe zum einen verschuldensunabhängig festsetzen und/oder zum anderen der Höhe nach ohne Rücksicht auf das Verhältnis zwischen der Anzahl der vertragswidrig verwendeten und der Anzahl der vom Werbenden angemieteten Adressen auslösen.

* Der Autor ist Rechtsanwalt und Chefsyndikus in einem Versandhandelskonzern.

[1] Bahr, Recht des Adresshandels, Rn. 57 ff., 744 ff.

[2] Bahr, Recht des Adresshandels, Rn. 760 ff.; Feldmann/Höppner, in: Moos, Datennutzungs- und Datenschutzverträge, S. 399.

[3] Bahr, Recht des Adresshandels, Rn. 857

[4] Zu den Anforderungen im Einzelnen: Bahr, Recht des Adresshandels, Rn. 859 ff

[5] BGH, NJW 1970,134; Gliss, Sicherungsmaßnahmen »Kontrolladressen«, in: DSB 7+8/2000, 24 f.

[6] Bahr, Recht des Adresshandels, Rn. 835 ff.

[7] BGH, NJW 1976, 1886; OLG München, NJW-RR 1993, 1334.

[8] BGHZ 154, 171

[9] Hensen, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl., § 309 Nr. 6 BGB, Rn.18.

[10] BGH NJW 1976, Seite 1886, 1887; OLG München, NJW-RR 1993, 1334 f

[11] Brecheis, Datenschutz und Direkt-Marketing: Probleme und Lösungsansätze, 45; Gliss, Sicherungsmaßnahmen »Kontrolladressen«, in: DSB 7+8/2000, 24 f.

[12] BGH NJW 1976, 1886, 1887.

[13] OLG München, NJW-RR 1993, 1334 f.

[14] OLG München, NJW-RR 1993, 1334,1335.

[15] OLG Frankfurt a. M., BB 1985, 1560 f.

[16] Hensen, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl., § 309 Nr. 6 BGB, Rn. 20; von Westphalen, EWIR 1985, 625 f.

[17] OLG Celle, NJW-RR 2013, 887.

[18] OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 10. Dezember 2013, AZ 5 U 70/13.

[19] BGH NJW-RR 2007, 1505; Gottwald, in: Münchener Kommentar, BGB, 6. Auflage, § 339 Rn. 20; Palandt-Grüneberg, BGB, 74. Auflage, § 339 Rn. 15.

[20] So auch: Palandt-Grüneberg, BGB, 74. Auflage, § 309, Rn. 39.

[21] OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 10. Dezember 2013, AZ 5 U 70/13.

[22] BGH NJW 1976, 1886 f.

[23] So ausdrücklich für Vertragsstrafen im Bereich des UWG: Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 7, Rn. 29.

[24] Hensen, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl., § 309 Nr. 12 BGB, Rn. 25 ff.

[25] So jüngst BGH NJW 2014, 2857, 2859 f. unter Verweis auf BGH MDR 1986, 51, 52.