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Kurzbeitrag : Die Sprache der datenschutzrechtlichen Dokumentation – Unternehmens- vs. Amtssprache : aus der RDV 3/2018, Seite 157 bis 163

Lesezeit 15 Min.

Neben der allgemeinen Rechenschaftspflicht in Art. 5 Abs. 2 DS-GVO wartet das neue europäische Datenschutzrecht mit einer Vielzahl spezieller Dokumentations- und Nachweispflichten auf (sog. „Accountability“). Aufsichtsbehörden können die Aufzeichnungen im Rahmen ihrer Befugnisse einsehen. Allerdings schweigt die DS-GVO zur Frage, wie zu verfahren ist, wenn die Unternehmens- bzw. Konzernsprache von der Amtssprache der jeweiligen Behörde abweicht.

I. Überblick

1. Einzelne Dokumentationspflichten

Der Verantwortliche im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DS-GVO muss gem. Art. 5 Abs. 2 DS-GVO nachweisen können, dass er die in Art. 5 Abs. 1 litt. a bis f DS-GVO niedergelegten Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten einhält. Datenverarbeitende Stellen können dem nur begegnen, indem die Umstände der Verarbeitung konsequent dokumentiert werden.[1]

Dreh- und Angelpunkt ist hierbei zunächst das Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten, das mit seinen gesetzlichen Pflichtinhalten gem. Art. 30 Abs. 1 litt. a bis g DS-GVO weitestgehend Umstände und Zulässigkeit der Datenverarbeitung sowie des technisch-organisatorischen Datenschutzes abdeckt. Im gleichen Atemzug ist die Dokumentation von Schutzverletzungen gem. Art. 33 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO zu nennen.

Darüber hinaus sind weitere Nachweispflichten verankert, etwa zum Vorliegen der Einwilligung (Art. 7 Abs. 1 DS-GVO), zu Weigerungsgründen hinsichtlich Betroffenenrechten (Art. 12 Abs. 5 UAbs. 2 DS-GVO), dem besonderen Verarbeitungsverzeichnis der Auftragsverarbeiter (Art. 30 Abs. 2 DSGVO) oder zu Drittlandstransfers (Art. 49 Abs. 6 DS-GVO).

2. Zugriff durch Behörden

Das Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten ist der Behörde gem. Art. 30 Abs. 4 DS-GVO auf Antrag zur Verfügung zu stellen. Auch die Dokumentation von Datenpannen soll der Aufsichtsbehörde gem. Art. 33 Abs. 5 Satz 2 DS-GVO die Überprüfung ermöglichen. Unabhängig von spezialgesetzlichen Zugriffsrechten hat die Behörde jedenfalls gem. Art. 58 Abs. 1 lit. a DS-GVO die Befugnis, alle Informationen abzufragen, die für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind.

3. Haftungsrisiko

Die Komplexität europäischer Sprachvielfalt ist in anderen Zusammenhängen bereits wohldokumentiert.[2] Unterstellt, es gäbe eine Pflicht, die Dokumentation in der Amtssprache der anfragenden Behörde bereitzustellen, sind für den Fall der Zuwiderhandlung entsprechende Haftungsrisiken zu prüfen.

a) Übersetzungskosten

Gem. § 23 Abs. 2 Satz 3 VwVfG und seinen landesrechtlichen Äquivalenten könnte die Behörde auf Kosten des Beteiligten eine Übersetzung beschaffen, wenn die geschuldete Übersetzung nicht unverzüglich vorgelegt wird. Die Höhe der Vergütung orientierte sich in diesem Fall an den Vorschriften der Justizvergütung und -entschädigung. Im Umkehrschluss zu Art. 57 Abs. 4 DS-GVO ist zudem denkbar, den Verantwortlichen durch landesrechtliche Regelung die Verwaltungsgebühren aufzuerlegen, die im Rahmen des Verwaltungsverfahrens anfallen.

b) Verstoß gegen Mitwirkungspflicht

Sofern die Dokumentation in fremder Sprache als Verstoß gegen Art. 83 Abs. 4 lit. a iVm Art. 31 DS-GVO (Zusammenarbeit) gewertet würde, läge der Bußgeldrahmen hierfür bei 10.000.000 € oder im Fall eines Unternehmens bei bis zu 2 % seines gesamten weltweit erzielten Jahresumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahrs. Würde stattdessen ein Verstoß gegen Art. 83 Abs. 5 lit. e i.V.m Art. 58 Abs. 1 lit. a DS-GVO (Zugang) angenommen, gälte sogar der höhere Bußgeldrahmen von bis zu 20.000.000 € oder 4 % des Vorjahresumsatzes.

c) Verstoß gegen die Grundsätze der Verarbeitung

Sofern die Dokumentation in fremder Sprache als nicht zum Nachweis einer rechtskonformen Verarbeitung geeignet angesehen würde, dürfte allerdings nicht ohne weiteres ein Verstoß gegen die Grundsätze der Verarbeitung angenommen werden. Ein Bußgeld gem. Art. 83 Abs. 5 lit. a iVm Art. 5 DS-GVO kommt nur bei ausermitteltem Tatbestand in Frage. Demgegenüber wäre ein vorübergehendes Verbot der Verarbeitung gem. Art. 58 Abs. 2 lit. f DS-GVO bis zur Klärung des Sachverhalts theoretisch denkbar.

II. Pflicht zur Dokumentation in der jeweiligen Amtssprache

Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA) stellt kurz und bündig fest, dass die Dokumentation „regelmäßig“ in deutscher Sprache zu führen sei.[3] Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder (DSK) positionierte sich jüngst dahingehend, dass das Verzeichnis regelmäßig in deutscher Sprache zu führen sei, Unternehmen aber zumindest in der Lage sein müssten, angeforderte Verzeichnisse unverzüglich in deutscher Sprache vorzulegen.[4]

Für die Verfahrensübersicht nach altem Recht mag dies durchaus vertretbar gewesen sein, da sie wesentlich schlanker und gem. § 4g Abs. 2 Satz 2 BDSG a.F. auf Antrag jedermann „in geeigneter Weise“ verfügbar zu machen war. Im Sinne der Transparenz musste dabei ggf. auf Sprachbarrieren Rücksicht genommen werden. Ein solches JedermannEinsichtsrecht gibt es jedoch nach der DS-GVO nicht mehr.

Natürlich wirkt es auf den ersten Blick geschickt, die Dokumentation mehrsprachig[5] oder originär in der Amtssprache derjenigen Aufsichtsbehörde zu führen, welche nach Art. 55 Abs. 1 DS-GVO zuständig ist. Es gibt jedoch zahlreiche – u.U. international tätige oder konzernangehörige – Unternehmen, die eine abweichende Unternehmenssprache gewählt haben. Darüber hinaus können gem. Art. 56 Abs. 5 DS-GVO jederzeit Aufsichtsbehörden aus dem EU-Ausland federführend werden, denen mit einem fremdsprachigen Verzeichnis wenig geholfen ist. Bei mehrsprachiger Dokumentation wären die unterschiedlichen Sprachfassungen auch fortlaufend parallel zu pflegen und zu aktualisieren.

Eine eindeutige Regelung hierzu ist der DS-GVO nicht zu entnehmen. Art. 30 Abs. 3 DS-GVO wäre der richtige Ort, um Ausführungen zur Sprachenfrage zu verankern, dort sind jedoch lediglich dürftige Formvorgaben gemacht worden. Art. 12 Abs. 1 DS-GVO, der u.a. eine verständliche Form[6] sowie eine klare und einfache Sprache fordert, ist demgegenüber ausschließlich bei der Kommunikation mit betroffenen Personen zu berücksichtigen, nicht hingegen beim Kontakt mit der Aufsicht.

Die DSK stützt sich in ihrem Papier im Wesentlichen auf Art. 37 Abs. 2 DS-GVO, worin die leichte Erreichbarkeit des gemeinsamen Datenschutzbeauftragten geregelt ist.[7] In der Tat fordert die Art.-29-Datenschutzgruppe, dass der gemeinsame Datenschutzbeauftrage mehrerer Verantwortlicher jeweils in der Sprache der zuständigen Behörden sowie der betroffenen Personen kommunizieren können soll.[8] Der Begriff der leichten Erreichbarkeit mag mit der Sprachenfrage bereits überladen sein. Die DSK vermischt nun unzulässigerweise die Anforderung schriftlicher Unterlagen mit einer linearen Kommunikation aus Rede und Gegenrede. Jedenfalls greift Art. 37 Abs. 2 DS-GVO nach seinem Wortlaut und seiner Systematik nicht bei Anforderung der Dokumentation.[9]

Schließlich regeln weder das BDSG n.F. noch die DSGEntwürfe auf Länderebene[10] die Sprachenfrage. Insoweit existiert keinerlei erkennbare Verpflichtung, die Dokumentation auf Deutsch zu führen.

III. Pflicht zur Übersetzung

Wie Reinhard Priebe treffend feststellt, lässt sich Europa „nicht allein durch ‚Sprachgenies‘ verwalten“.[11] Der LfDI Baden-Württemberg sah insoweit mit Blick auf die DS-GVO eine stärkere internationale Ausrichtung seiner Dienststelle voraus. Angesichts der zentralen Zuständigkeit für international agierende Unternehmen würde es ihn „nicht wundern, wenn Englisch mittelfristig zur zweiten Amtssprache“ würde. Auf diese Entwicklung sei die Behörde bislang weder personell noch finanziell hinreichend vorbereitet.[12]

Dennoch müssen fremdsprachige Texte stets in eine für die Aufsichtsbehörde handhab- und verarbeitbare Sprache übersetzt werden. Die DSK ist insoweit der Ansicht, die Übersetzung obliege unmittelbar dem für die Verarbeitung Verantwortlichen.[13] Um den Verantwortlichen eine solche Pflicht aufzubürden, bedarf es jedoch einer entsprechenden Eingriffsbefugnis. Fehlt diese, muss die Behörde selbst eine Übersetzung anfertigen lassen.

1. Aufsichtsbehördliche Befugnisse

Die Untersuchungs-, Abhilfe- und Genehmigungsbefugnisse der Aufsichtsbehörden ergeben sich aus Art. 58 DS-GVO. Die Befugnis, eine Übersetzung der Dokumentation zu verlangen, ist hierin nicht enthalten. Auch Art. 30 Abs. 4 DS-GVO, der das Zurverfügungstellen regelt, nennt allein das (Original-)Verzeichnis, nicht hingegen dessen Übersetzung. Die Untersuchungsbefugnisse beziehen sich folglich allein auf die vorhandene Dokumentation.

2. Kooperationsgebot

Der Verantwortliche ist gem. Art. 31 DS-GVO verpflichtet, auf Anfrage mit der Aufsichtsbehörde zusammenzuarbeiten. Es handelt sich um eine Blankettvorschrift, deren Inhalt oder Schranken nicht bestimmt sind. Die vormals in Art. 29 KommE bzw. ParlE gewählte Formulierung der „Zuarbeit“ wurde während des weiteren Gesetzgebungsverfahrens zur „Zusammenarbeit“ abgemildert. Vor diesem Hintergrund und gemessen am Haftungsrisiko[14] ist eine Überdehnung der Kooperationspflicht in Bereiche abzulehnen, die nicht zu den originären Datenschutzpflichten der Verantwortlichen oder aber zu den konkreten Eingriffsbefugnissen der Aufsichtsbehörden gehören.[15]

Art. 31 DS-GVO statuiert insoweit kein „Befugnis-Erfindungsrecht“ zugunsten der Aufsicht. Es erschiene rundheraus unbillig, Verantwortlichen aufgrund einer derart unkonturierten Formulierung kostspielige und ressourcenbindende Übersetzungspflichten aufzuerlegen.

3. Aufgabenerfüllung

Gem. Art. 57 Abs. 1 lit. v DS-GVO hat die Behörde jede sonstige (unbezeichnete) Aufgabe im Zusammenhang mit dem Schutz personenbezogener Daten zu erfüllen. Hiermit korrespondiert jedoch keine allgemeine Untersuchungsoder Abhilfebefugnis iSv Art. 58 DS-GVO, die im konkreten Fall die Anordnung einer Übersetzung rechtfertigen könnte. 4. Verwaltungsverfahrensrechtliche Amtssprache § 23 Abs. 1 VwVfG und seine landesrechtlichen Äquivalente legen Deutsch als Amtssprache für das Verwaltungsverfahren fest. Werden in einer fremden Sprache Anträge gestellt oder Eingaben, Belege, Urkunden oder sonstige Dokumente vorgelegt, soll die Behörde gem. § 23 Abs. 2 Satz 1 VwVfG unverzüglich eine Übersetzung verlangen.

Das Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten und die übrige Dokumentation kommt als sonstiges Dokument im Sinne der Vorschrift in Betracht. Die in § 23 Abs. 1 VwVfG enthaltene Pflicht zur Übersetzung ist wegen der in Art. 58 Abs. 6 Satz 1 DS-GVO enthaltenen Öffnungsklausel für behördliche Befugnisse nach mitgliedsstaatlichem Recht auch nicht von vornherein unanwendbar.

Die Amtssprachenregelung des VwVfG gilt jedoch aus sich heraus nicht für die Anforderung von datenschutzrechtlicher Dokumentation.[16] Es fehlt schon am tatbestandlichen „Vorlegen“ durch den Verantwortlichen. Das Verb ist etwa im Grimm’schen Wörterbuch verzeichnet als „jemandem etwas vorlegen, auf dasz er in irgend einer weise damit sich beschäftigt oder damit etwas vornimmt“ oder auch „zur wahrnehmung, betrachtung, prüfung, entscheidung, beurteilung, unterschrift, durchsicht, wahl u.s.w. darbieten“.[17]

Die Finalität des Handels ist somit Wesensmerkmal für ein Vorlegen im verwaltungsverfahrensrechtlichen Sinne. Ein Paradebeispiel ist die Vorlage einer Einwilligungserklärung bei der Behörde zwecks Prüfung auf ihre Rechtskonformität. Pikant hierbei: Das BayLDA leistete in der Vergangenheit bereits Unterstützung bei der Formulierung einer Einwilligungserklärung von einer in Afrika tätigen deutschen Hilfsorganisation und übersetzte diese anschließend ins Englische.1[18]

Bei der Offenlegung seiner Dokumentation handelt der für die Verarbeitung Verantwortliche hingegen nicht, um einen rechtserheblichen Erfolg zu erzielen, sondern kommt lediglich einer an ihn gerichteten Aufforderung nach, welche ohne Zutun seinerseits an ihn herangetragen wird.[19] Dieser Eindruck bestätigt sich im Rahmen systematischer Auslegung, da § 23 Abs. 3 und 4 VwVfG vor allem Aspekte der Leistungsverwaltung im Blick hat. So z.B. einst in Hessen bei der Beantragung einer Genehmigung nach § 4c Abs. 2 BDSG a.F.[20] Dort war selbstredend die vom Antragsteller vorzulegende deutsche Vertragsfassung bzw. -übersetzung maßgeblich. Für die Eingriffsverwaltung erweist sich der Amtssprachengrundsatz hingegen als untauglich.

Wollte ein Verantwortlicher die Behördentätigkeit überdies ernsthaft torpedieren[21], wäre mit Deutsch als Amtssprache alleine nicht viel gewonnen. So entspräche ein Dokument auf Platt oder in Fraktur bzw. Sütterlin ohne Weiteres § 23 Abs. 1 VwVfG.[22]

Ohne gesetzliche Amtssprachenregelung entfällt für den Verantwortlichen folgerichtig die bereichsspezifische Kostentragungspflicht gem. § 23 Abs. 2 Satz 3 VwVfG.

5. Verwaltungsverfahrensrechtlicher Amtsermittlungsgrundsatz

Das Verwaltungsverfahren ist vom Untersuchungsgrundsatz geprägt. Gem. § 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG und seinen landesrechtlichen Äquivalenten ermittelt die Behörde den entscheidungserheblichen Sachverhalt selbst und in eigener Verantwortung. Gem. § 24 Abs. 2 VwVfG hat die Behörde dabei alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen. Sie hat sämtliche zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen. Eine eingeschränkte Mitwirkungspflicht der Verfahrensbeteiligten ergibt sich bestenfalls aus § 26 Abs. 2 VwVfG. Übersetzungen fremdsprachiger Texte anzufertigen, ist derweil nicht Gegenstand jener Vorschrift. Im Gegenteil darf die Behörde ohne gesetzliche Ermächtigung gerade keine Mitwirkung verlangen, wenn sie dies lediglich deswegen tut, um sich die Arbeit zu erleichtern.[23]

Stattdessen ist das Verfahren gem. § 10 Satz 2 VwVfG einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen. Der Behörde ist im Rahmen einer vollständigen und zutreffenden Sachverhaltsermittlung nicht damit gedient, statt der OriginalDokumentation eine a) geschönte und redaktionell nachbearbeitete oder b) hastig verfertigte und somit ungenaue Übersetzung zu erhalten. Eben wegen dieser etwaigen Fehlerquellen ist die Behörde gem. § 24 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 VwVfG nicht an das Vorbringen der Beteiligten gebunden. Obliegt die Übersetzung den jeweiligen Verantwortlichen und findet nicht zentral gesteuert durch die Behörde statt, ist ein zügiges Verwaltungsverfahren i.S.v. § 10 Satz 2 VwVfG kaum zu gewährleisten.

Sofern schließlich der Behörde der Inhalt der datenschutzrechtlichen Dokumentation trotz fremdsprachiger Fassung zugänglich ist, ist das Beharren auf einer Übersetzung per se ermessensfehlerhaft.[24] Sie wäre von daher gehalten, bei jedem Informationsersuchen mitzuteilen, welche Sprachen von den Mitarbeitern beherrscht werden.

Der Unionsgesetzgeber hat in Art. 52 Abs. 4 DS-GVO ausdrücklich festgelegt, dass die Mitgliedsstaaten u.a. die personellen bzw. finanziellen Ressourcen und Infrastrukturen sicherstellen, die jeder Aufsichtsbehörde die Aufgabenerfüllung ermöglichen. Der Aufwand, den die europäische Mehrsprachigkeit mit sich bringt, stand dem Gesetzgeber dabei klar vor Augen. Jährlich werden auf EU-Ebene über 2 Millionen Druckseiten an Übersetzungen erzeugt.[25] Dass nun gerade Übersetzungsleistungen aus Art. 52 Abs. 4 DS-GVO ausgeklammert sein sollten, erscheint vollkommen absurd. Ein effektiver Datenschutz braucht schlagkräftige und handlungsfähige Aufsichtsbehörden, die ohne Mitwirkung der für die Verarbeitung Verantwortlichen auszukommen vermögen.

6. Waren- und Dienstleistungsverkehrsfreiheit

Die Warenverkehrsfreiheit (Artt. 28 ff. AEUV) und die Dienstleistungsfreiheit (Artt. 56 ff. AEUV) gehören zu den Grundfreiheiten des Europäischen Binnenmarktes. Insbesondere der freie Verkehr personenbezogener Daten ist als Schutzziel gem. Art. 1 Abs. 1 DS-GVO niedergelegt. Etwaige Handelshemmnisse innerhalb der Union sollen abgebaut werden. Nun stellt freilich die Verpflichtung, die datenschutzrechtliche Dokumentation in einer bestimmten, vom Unternehmensgebrauch abweichenden Sprache vorzuhalten oder zu liefern, ein solches Handelshemmnis dar.

Der EuGH hat dem in anderem Zusammenhang bereits eine deutliche Absage erteilt. So sah das Gericht in der bußgeldbewehrten Pflicht zur Etikettierung von Cola-Flaschen in französischer Sprache ein Hindernis für den freien Warenverkehr.[26] Im Vorlageverfahren ging es um die Etikettierung hinsichtlich Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart eines Lebensmittels. Eine Beschränkung allein aufs Französische sei mit der Warenverkehrsfreiheit nicht vereinbar, solange Kunden die Informationen in einer anderen leicht verständlichen Sprache erhielten.

In einer weiteren Entscheidung stellte der EuGH klar, dass es den Mitgliedstaaten nicht gestattet sei, Unternehmen mit Sitz in ihrem Hoheitsgebiet zu Zwecken der Mehrwertsteuerkontrolle die Pflicht aufzuerlegen, sämtliche Rechnungen in der Amtssprache des betreffenden Hoheitsgebiets abzufassen.[27] Vielmehr müssten Wirtschaftsteilnehmer die Möglichkeit haben, für die Abfassung ihrer Rechnungen eine Sprache frei zu wählen, die sie alle beherrschen.

Jene Rechtssachen besitzen Ausstrahlungswirkung ins hiesige Rechtsgebiet. Im Ergebnis ist jede Verpflichtung zur Übersetzung in die Sprache des Marktorts nach der Rechtsprechung des EuGH als Beschränkung von Grundfreiheiten der Gemeinschaft zu würdigen.[28] Das Gemeinschaftsrecht verbietet grds. jede noch so unbedeutende Beschränkung der Grundfreiheiten.[29] Die Pflicht, eine Übersetzung beizubringen, ist insoweit genauso zu bewerten, wie die nachgelagerte Kostentragungspflicht.[30]

  1. Diskriminierungsfreiheit

Unmittelbar in Zusammenhang mit der Waren- und Dienstleistungsverkehrsfreiheit steht die allgemeine Freiheit von Diskriminierung gem. Art. 18 AEUV. Denn die eigene Sprache darf für keinen Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaates ein Hindernis darstellen, die in den Verträgen gewährleisteten Grundfreiheiten zu verwirklichen.[31] Es besteht die berechtigte Sorge, dass Art. 18 AEUV durch eine Beschränkung der Verfahrenssprache z.B. auf das Deutsche geradewegs entwertet werden könnte.[32]

IV. Zusammenfassung

Verantwortliche für die Datenverarbeitung sind nicht verpflichtet, die datenschutzrechtliche Dokumentation in der Amtssprache der nach Art. 55 DS-GVO zuständigen Aufsichtsbehörde zu führen oder auf Anfrage übersetzen zu lassen.[33] Ein solches Ansinnen deckt sich nicht mit der DS-GVO oder dem nationalen Recht. Insbesondere ist die Amtssprachenregelung des deutschen Verwaltungsverfahrensrechts nicht auf die Anforderung von Dokumentation anwendbar. Eine entsprechende nationale Regelung im Rahmen der Öffnungsklausel des Art. 58 Abs. 6 Satz 1 DS-GVO sähe sich unmittelbar dem Vorwurf der Unionsrechtswidrigkeit ausgesetzt, da die Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit hierdurch eingeschränkt würden.

Die datenschutzrechtliche Dokumentation ist in erster Linie als Arbeitsmittel für den Verantwortlichen gedacht. Sie muss für ihn verständlich und handhabbar sein. Behörden dürfen hierin Einblick nehmen, sie tragen jedoch im Wege der Amtsermittlung die Verantwortung dafür, dass etwaige Sprachbarrieren überwunden werden.

* Dr. Lorenz Franck ist Referent bei der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit (GDD e.V.) in Bonn sowie Lehrbeauftragter für Datenschutzrecht an der TH Köln.

[1] Dies gilt unabhängig davon, ob die Nachweispflicht zugleich eine Beweislastumkehr statuiert, dafür Pötters, in: Gola, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 34; Wybitul/Haß/Albrecht, NJW 2018, 113, 116; a.A. Veil, ZD 2018, 9, 12.

[2] Vgl. Hilpold, EuR 2010, 695 ff.; ders., ZEuP 2011, 500; Luttermann/ Luttermann, JZ 2004, 1002 ff.; Mayer, Der Staat 44 (2005), 367 ff.

[3] BayLDA (Hrsg.), Erste Hilfe zur DS-GVO für Unternehmen und Vereine, München 2018, S. 12.

[4] DSK, Hinweise zum Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten, Art. 30 DS-GVO v. 12.02.2018, S. 3.

[5] ErwGr 82 spricht unterdessen ausdrücklich nur von „dem“ (also einem einheitlichen) Verzeichnis

[6] Berücksichtigung der Verkehrssprache als Aspekt der Verständlichkeit, Franck in: Gola, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 20.

[7] DSK, Hinweise zum Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten, Art. 30 DS-GVO v. 12.02.2018, S. 3.

[8] Art.-29-Datenschutzgruppe, WP 243 Rev. 1 – Guidelines on Data Protection Officers v. 5.4.2017, S. 10.

[9] Schon der Umstand, dass eben nicht alle, sondern nur gemeinsame Datenschutzbeauftragte leicht erreichbar sein sollen, spricht weniger für, sondern eher gegen die Auffassung der DSK. Zur Analogiefähigkeit von Ausnahmevorschriften im Übrigen Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl., S. 175 f.

[10] Übersicht unter https://www.datenschutz-wiki.de/Landesdatenschutzgesetze.

[11] Priebe, in: Schwarze/Becker/Hatje/Schoo, EU-Kommentar, 3. Aufl. 2012, Art. 342 AEUV Rn. 12

[12] LfDI Baden-Württemberg, 31. TB 2012/2013, S. 7

[13] DSK, Hinweise zum Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten, Art. 30 DS-GVO v. 12.02.2018, S. 3.

[14]

[15] Für den rein deklaratorischen Charakter Klug, in: Gola, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 31 Rn. 1; Hartung, in: Kühling/Buchner, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 31 Rn. 1. A.A. Spörr, in: Wolff/Brink, BeckOK Datenschutzrecht, 21. Ed. 2017, Art. 31 Rn. 19; Martini, in: Paal/Pauly, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 31 Rn. 3a.

[16] A.A. Vertreter von LDI NRW und BayLDA in unveröffentlichten mündlichen Stellungnahmen.

[17] Grimm/Grimm (Hrsg.), Deutsches Wörterbuch, Bd. 26, 1951, Sp. 1274.

[18] BayLDA, 6. TB NÖB 2013/2014, S. 59 f.

[19] Die Zweckrichtung erschöpft sich allein darin, sich des Fragestellers zu entledigen

[20] HessDSB, TB NÖB HessDSB 2002, LT-Drs. 16/1680, S. 16. Die Verantwortung für die Richtigkeit der Übersetzung lag beim Datenexporteur/ Antragsteller.

[21] Begrifflichkeit nach Martini, in: Paal/Pauly, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 31 Rn. 17.

[22] Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 23 Rn. 27/73; Schwarz in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 23 VwVfG Rn. 14.

[23] Ausdrücklich Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 24 Rn. 8.

[24] BGH NJW-RR, 2001, 850 zum Nachweis einer ausländischen Anwaltszulassung; VG Frankfurt a.M., NVwZ-Beilage 1994, 63 zur Begründung eines Asylantrags in einer gängigen Fremdsprache

[25] 2.024.481 Seiten im Jahr 2013 bei der Generaldirektion Übersetzung der Kommission, Zahl nach Roßmann, „In German, please“, Süddeutsche Zeitung v. 29.03.2014, http://www.sueddeutsche.de/politik/uebersetzung-von-eu-dokumenten-in-german-please-1.1924675.

[26] EuGH, Urt. v. 12.09.2000, Az. C-366/98 (EuZW 2001, 16, 17 f.). Vgl. indes nunmehr Art. 15 Abs. 2 VO 1169/2011.

[27] EuGH, Urt. v. 21.6.2016, Az. C-15/15 (EuZW 2016, 717 ff.)

[28] Bachmann, EuZW 2001, 18.

[29] EuGH, Urt. v. 21.6.2016, Az. C-15/15 (EuZW 2016, 717, 719).

[30] Siehe oben Pkt. I. 3. a).

[31] Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 23 VwVfG, Rn. 12.

[32] Heßhaus, in: Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, 37. Ed. 2017, § 23 Rn. 2.

[33] So auch Assion, in: Gierschmann/Schlender/Stentzel/Veil, DS-GVO 2018, Art. 30 Rn. 52.; GDD (Hrsg.) Praxishilfe DS-GVO V – Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten, Bonn 2017, S. 4; ferner Franck, in: Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann, DS-GVO, 2018, Art. 33 Rn. 87 für die Dokumentation von Schutzverletzungen. A.A. BayLDA (Hrsg.), Erste Hilfe zur DS-GVO für Unternehmen und Vereine, München 2018, S. 12; DSK, Hinweise zum Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten, Art. 30 DS-GVO v. 12.02.2018, S. 3.