Urteil : Einsicht in Betreuungsakte : aus der RDV 3/2018, Seite 175 bis 177
(Oberlandesgericht Bamberg, Beschluss vom 17. Januar 2018 – 6 VA 5/17 –)
- Die Entscheidung eines Betreuungsgerichts über das Auskunftsersuchen einer nicht am Betreuungsverfahren beteiligten Behörde stellt einen nach den §§ 23 ff. EGGVG überprüfbaren Justizverwaltungsakt dar.
- Die Frage, ob ein Gerichtsvollzieher einen Anspruch auf Erteilung einer Auskunft aus einer Betreuungsakte hat, ist nach Art. 35 Abs. 1 GG in Verbindung mit den allgemeinen Datenschutzgesetzen (hier: Art. 18 BayDSG) zu beantworten.
- Die ersuchende Behörde ist nicht verpflichtet, in ihrer Anfrage darzulegen, weshalb die benötigte Auskunft nicht vom Betroffenen selbst erteilt wurde.
Sachverhalt:
Der Antragsteller wendet sich mit seinem Antrag gegen die Weigerung des Amtsgerichts …, ihm in seiner Eigenschaft als Gerichtsvollzieher Auskünfte über das Bestehen und den Umfang einer Betreuung zu erteilen.
Der Antragsteller wurde hier zur Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben als Gerichtsvollzieher tätig. Er ist daher nicht als Privatperson, sondern als Justizbehörde anzusehen (OLG Hamm, Beschluss vom 15.07.2010, 15 VA 10/09, Tz. 5; MüKo/ZPO – Pabst, 5. Aufl., § 23 EGGVG, Rn. 8; Lückemann, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 23 EGGVG, Rn. 10).
Aus den Gründen:
c) Die Frage, ob eine Behörde einen Anspruch auf Akteneinsicht oder auf Erteilung einer Auskunft aus einer Betreuungsakte hat, ist daher – mangels spezialgesetzlicher Vorschriften – nach Art. 35 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 17, 18 BayDSG zu beurteilen (ebenso Schulte-Bunert, BtPrax 2010, 7, 8).
Die Entscheidung des um Auskunft ersuchten Amtsgerichts auf der Grundlage dieser Normen stellt einen Justizverwaltungsakt dar (BVerfG, Beschluss vom 02.12.2014, 1 BvR 3106/09, Tz. 19-21; OLG Köln, Beschluss vom 27.03.2015, 7 VA 1/15, Tz. 6; BayObLG, Beschluss vom 19.08.1997, 1Z BR 147/97, Tz. 6; OLG Hamm, Besch. v. 07.10.2008, 15 VA 7/09, Tz. 10; AG Frankfurt, Beschluss vom 11.09.2017, 75 AR 3/17, Tz. 6; MüKo/ZPO – Pabst, a.a.O., § 23 EGGVG, Rn. 25; Mayer in KK/StPO, 7. Aufl., § 23 EGGVG, Rn. 60; Brenner, FamRZ 2016, 1389, 1391; a.A. KG, Beschluss vom 20.05.2014, 1 VA 7/14, Tz. 2 für die Auskunftserteilung durch den zuständigen Richter im laufenden Verfahren; OLG Dresden, Beschluss vom 22.04.2016, 3 VA 6/16, Tz. 3, ohne jedoch auf die Entscheidung des BVerfG einzugehen). Denn es handelt sich weder um eine spruchrichterliche Tätigkeit noch um ein sonstiges Handeln, das dem traditionellen Kernbereich der Rechtsprechung zuzurechnen ist (BVerfG a.a.O., Tz. 20). Die Mitteilung des Amtsgerichts, es könne keinerlei Auskunft erteilt werden, ist daher nach §§ 23 ff. EGGVG überprüfbar.
2. Der als „Beschwerde“ bezeichnete Rechtsbehelf des Antragstellers ist in Anwendung des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (Art. 19 Abs. 4 GG), als Antrag nach § 23 EGGVG auszulegen. Für den gemäß § 26 Abs. 1 EGGVG fristgerecht eingereichten Antrag besteht kein Anwaltszwang (Lückemann, a.a.O., § 23 EGGVG, Rn. 33).
3. Der Antrag des Antragstellers ist trotz der zwischenzeitlichen Erledigung des Auskunftsersuchens als Feststellungsantrag zulässig, § 28 Abs. 1 S. 4 EGGVG.
a) Ein Antragsteller kann gemäß § 28 Abs. 1 S. 4 EGGVG die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Justizverwaltungsakts verlangen, wenn er ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Ein solches kann im Einzelfall jedes schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art sein (Lückemann, a.a.O., Rn. 8; MüKo/ZPO – Pabst, § 28 EGGVG, Rn. 11). Ein schutzwürdiges Interesse wird auch bei bestehender Wiederholungsgefahr angenommen. Dabei kann die Stellung des Feststellungsantrags auch konkludent erfolgen und in der ausdrücklichen Fortsetzung des Verfahrens nach Eintritt des erledigenden Ereignisses liegen (MüKo/ZPO – Pabst, a.a.O., Rn. 9)
b) Der Antragsteller hat deutlich gemacht, dass er für künftige Fälle eine Klärung für erforderlich erachtet, ob entsprechende Auskunftsersuchen an das Betreuungsgericht pauschal abgelehnt werden dürfen. Er hat damit ein berechtigtes Interesse an einer Entscheidung im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG plausibel dargelegt.
II. Der Antrag ist auch begründet. Die Verweigerung jeglicher Auskunft durch das Amtsgericht war rechtswidrig.
1. Das Amtsgericht wäre zu einer Auskunftserteilung befugt gewesen.
a) Gemäß Art. 18 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 BayDSG ist die Übermittlung personenbezogener Daten durch bayerische Gerichte an andere öffentliche Stellen zulässig, wenn sie zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der empfangenden Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist und für Zwecke erfolgt, für die eine Nutzung nach Art. 17 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 bis 4 BayDSG zulässig wäre. Die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung trägt der Empfänger, wenn sie auf sein Ersuchen hin erfolgt, Art. 18 Abs. 2 S. 2 BayDSG. In diesem Fall prüft die übermittelnde Stelle nur, ob das Übermittlungsersuchen im Rahmen der Aufgaben des Empfängers liegt, es sei denn, dass besonderer Anlass zur Prüfung der Zulässigkeit der Übermittlung besteht, Art. 18 Abs. 2 S. 3 BayDSG.
Hieraus ist abzuleiten, dass die ersuchte Stelle nur eine Plausibilitätsprüfung dahingehend durchzuführen hat, ob sich das Übermittlungsersuchen im allgemeinen Rahmen der Aufgaben des Empfängers hält. Eine weitergehende Prüfung ist dann geboten, wenn hierfür ein besonderer Anlass gegeben ist. Dies ist ausnahmsweise dann der Fall, wenn an der Zulässigkeit offenkundige Zweifel bestehen oder der Übermittlung gewichtige Gründe entgegenstehen (Wilde/Ehmann/Niese/Knoblauch, Art. 18 BayDSG, Rn. 19; Dammann, in: Simitis, BDSG, 8. Aufl., § 15, Rn. 26; Roggenkamp, in: Plath, BDSG, 2. Aufl., § 15, Rn. 12; Gola/Schomerus, BDSG, 12. Aufl., § 15, Rn. 15).
b) Es bedarf keiner näheren Erörterung, dass das Auskunftsersuchen des Antragstellers seinen dienstlichen Aufgabenkreis betraf. Aus der Anfrage war ersichtlich, dass ein Vollstreckungsauftrag der Staatsanwaltschaft… gegen den Betroffenen vorliegt, in dessen Rahmen die geforderte Auskunft benötigt wird. An der Identität des Betroffenen bestanden keine Zweifel. Die Klärung durch den Antragsteller, ob eine Betreuung mit Vermögenssorge besteht, war überdies im Interesse des Betroffenen, Art. 17 Abs. 2 Nr. 3 BayDSG.
2. Bei dieser Sachlage war es unzulässig, dem Antragsteller jegliche Auskunft mit dem pauschalen Hinweis auf „datenschutzrechtliche Gründe“ zu verweigern.
a) Zwar ist Art. 18 BayDSG als bloße Befugnisnorm ausgestaltet. Sie regelt lediglich, unter welchen Voraussetzungen die Übermittlung von Daten zulässig ist. Davon unberührt bleibt die Frage, inwiefern der Ersuchende einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskunft hat.
Aus der nach Art. 35 Abs. 1 GG bestehenden Plicht zur gegenseitigen Amtshilfe lässt sich jedoch eine Verpflichtung der ersuchten Behörde zur Auskunftserteilung ableiten, wenn die Voraussetzungen für eine Datenübermittlung nach Art. 18 BayDSG gegeben sind (Schulte-Bunert, BtPrax 2010, 7, 10).
b) Das Ersuchen des Antragstellers war auch nicht deshalb unzulässig, weil in ihm keine Informationen darüber enthalten waren, ob er bereits versucht hat, die Informationen beim Betroffenen selbst zu erheben oder warum er von einem solchen Versuch abgesehen hat. Denn für die Einhaltung des Direkterhebungsgrundsatzes (§ 4 Abs. 2 BDSG) ist die ersuchende Stelle verantwortlich. Eine Pflicht des Ersuchenden, in seiner Anfrage darzulegen, dass eine Auskunft beim Betroffenen nicht erlangt werden konnte oder dass eine Ausnahme gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 BDSG vorliegt, ist daher abzulehnen (Dammann, in: Simitis, BDSG, 8. Aufl., § 15, Rn. 28). Eine derartige Pflicht wäre nur dann sinnvoll, wenn eine korrespondierende Prüfungspflicht der ersuchten Stelle besteht. Dies widerspräche jedoch der gesetzlichen Verantwortungszuweisung in § 15 Abs. 2 BDSG bzw. Art. 18 Abs. 2 BayDSG.
c) Zwar ist die ersuchte Stelle trotz fehlender Prüfungspflicht gleichwohl berechtigt, eine entsprechende Überprüfung vorzunehmen. In diese Richtung weist ein Aktenvermerk der Richterin vom 18.09.2017 über ein nach der Mitteilung vom 25.08.2017 geführtes Telefonat, in dem dem Antragsteller mitgeteilt worden sei, er möge sich an den Betroffenen selbst wenden. Sollte dieser Umstand Grund für die ablehnende Mitteilung vom 25.08.2017 gewesen sein, so wäre die Richterin des Amtsgerichts jedoch gehalten gewesen, die bestehende Unklarheit durch Rückfragen zu klären und dem Antragsteller Gelegenheit zur Präzisierung des Ersuchens zu geben (Gola/Schomerus, a.a.O., Rn. 16; Schaffland/Wiltfang, BDSG, § 15, Rn. 25; Mauersberger, in: Giesen/Bannasch/Naumann/Mauersberger/Dehoust, SächsDSG, 2011, § 14, Rn. 29), statt nur unter pauschaler Berufung auf datenschutzrechtliche Gründe mitzuteilen, es könnten „keinerlei Auskünfte“ erteilt werden.