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Urteil : Mitbestimmung bei Einrichtung von Vertretungszugriffen auf dienstliche E-Mail-Postfächer und Verbot zuvor geduldeter privater Nutzung dienstlicher E-Mail-Accounts : aus der RDV 6/2016, Seite 337 bis 339

(Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. September 2016, OVG – 60 PV 10 –)

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Mitbestimmung bei Regelungen der Ordnung in der Dienststelle und des Verhaltens der Dienstkräfte (§ 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 PersVG Berlin) besteht nicht bei dem Verbot der privaten Nutzung dienstlicher E-Mail-Accounts auch in dem Fall, dass private Nutzung zuvor trotz Verbot geduldet war.

(Nicht amtlicher Leitsatz)

Sachverhalt:

Der Antragsteller möchte festgestellt wissen, dass der Beteiligte durch den Erlass der „Dienstanweisung zum Umgang mit privatem E-Mail-Verkehr und Zugriffsregelungen auf E-Mail-Postfächer“ ohne Zustimmung des Antragstellers dessen Mitbestimmungsrechte verletzt. Die Dienstanweisung hat – soweit hier von Interesse – folgenden Wortlaut: „Aufgrund der bereits bestehenden und der weiter zunehmenden Bedeutung des elektronischen Postverkehrs sind rechtssichere und praktikable Verfahrensregelungen insbesondere bei unerwarteten Abwesenheiten von Dienstkräften erforderlich. Sowohl Vorgesetzte als auch andere Dienstkräfte (regelmäßig der/die Vertreter/in) müssen zeitnah auf das E-Mail-Konto einer ungeplant abwesenden Dienstkraft zugreifen können.

Hierzu werden im Bezirksamt Pankow von Berlin unter Berücksichtigung vor allem personal-, datenschutz- und telekommunikationsrechtlicher Bestimmungen für alle Dienstkräfte folgende verbindliche Festlegungen getroffen:

1. Die Nutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts zu privaten Zwecken wird allen Dienstkräften untersagt. Das bedeutet, dass sie selbst keine privaten E-Mails versenden dürfen und dafür Sorge zu tragen haben, dass sie auch keine privaten E-Mails erhalten. Erhalten sie dennoch private E-Mails, haben sie diese sofort und endgültig zu löschen.

2. Es sind die entsprechenden Vertretungszugriffe auf die E-Mail-Postfächer einzurichten. Dies erfolgt dezentral in den Abteilungen durch die betreffenden Dienstkräfte. Orientierungsgrundlage für die Einrichtung der Vertretungszugriffe ist der aktuelle Geschäftsverteilungsplan. Vertretungszugriff ist dem/den Vertreter/n der jeweiligen Dienstkraft und Vorgesetzten einzuräumen. Neben der Zugriffsberechtigung zum Lesen von E-Mails ist diese auch für Termine, Notizen und Jobs einzurichten. Ferner ist die Berechtigung zu erteilen, dass Abwesenheitsbenachrichtigungen aktiviert und versendet werden können. Die Häufigkeit der Abwesenheitsnachricht ist individuell festzulegen (…). Im Falle einer unerwarteten Abwesenheit einer Dienstkraft ist die Abwesenheitsnachricht spätestens 3 Tage nach erstmaliger Abwesenheit einzurichten.

Aus den Gründen:

Der Erlass der Dienstanweisung des Beteiligten zum Umgang mit privatem E-Mail-Verkehr und Zugriffsregelungen auf E-Mail-Postfächer vom 6. Januar 2015 ist nicht mitbestimmungspflichtig.

Mitbestimmungsrechte nach § 85 PersVG Berlin sind nicht eröffnet.

1. Nach § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 PersVG Berlin bestimmt die Personalvertretung, soweit keine Regelung durch Rechtsvorschrift oder Tarifvertrag besteht, gegebenenfalls durch Abschluss von Dienstvereinbarungen mit über Regelung der Ordnung in der Dienststelle und des Verhaltens der Dienstkräfte. Der Antragsteller kann dieses Mitbestimmungsrecht für das Verbot der privaten Nutzung dienstlicher E-Mail-Accounts in Ziffer 1 der DA E-Mail nicht für sich in Anspruch nehmen. Die Bestimmung von dienstlichen Gegenständen, wozu auch die hier in Rede stehenden dienstlichen E-Mail-Accounts gehören, zu alleinigem dienstlichem Gebrauch ist mitbestimmungsfrei.

Bei § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 PersVG Berlin handelt es sich um einen einheitlichen Mitbestimmungstatbestand. Dieser erstreckt sich auf die Gesamtheit der allgemeinen Verhaltensmaßregeln, die das Miteinander der Beschäftigten und den Gebrauch der ihnen von der Dienststelle zur Verfügung gestellten Gegenstände ordnen. Ausgenommen sind Regelungen, mit denen die Erbringung der den Beschäftigten obliegenden Arbeitsleistungen konkretisiert wird (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. nur Beschlüsse vom 19. Mai 2003 – BVerwG 6 P 16.02 -, juris Rn. 66, und vom 20. Mai 2010 – BVerwG 6 PB 3.10 -, juris Rn. 4, vorgehend Beschluss des 62. Senats des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. November 2009 – OVG 62 PV 15.07 –, jeweils zur wortgleichen Regelung in § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG).

Mit dem Verbot der privaten Nutzung der dienstlichen E-Mail-Accounts wird die den Beschäftigten des Bezirksamtes obliegende Arbeitsleistung konkretisiert. Unstreitig sind die Beschäftigten des Bezirksamts verpflichtet, ihr dienstliches E-Mail-Postfach auf dienstliche Eingänge zu überprüfen.

……………..

Da die Verteilung der E-Mail-Posteingänge ungeachtet einer etwaigen (unerwarteten) Abwesenheit des zuständigen Mitarbeiters erfolgt, will (und muss) der Beteiligte sicherstellen, dass auf das E-Mail-Postfach des betreffenden Mitarbeiters zugegriffen werden kann. Diesem Zweck dient ersichtlich das Verbot der privaten Nutzung dienstlicher E-Mail-Accounts in Ziffer 1 der DA E-Mail, indem damit u.a. zum Schutz des Persönlichkeitsrechts des Beschäftigten sichergestellt wird, dass der zugreifende Vertreter keinen Einblick in private E-Mail-Korrespondenz des zu vertretenden Beschäftigten erhält. Dieser Zweck lässt sich unschwer den Einleitungssätzen der Dienstanweisung entnehmen. Das Verbot der privaten Nutzung dienstlicher E-Mail-Accounts stellt sich somit als Regelung dar, mit der die Erbringung der den Beschäftigten obliegenden Arbeitsleistungen konkretisiert wird.

Abgesehen davon hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Anordnung in Ziffer 1 etwas im Grunde Selbstverständliches regelt, nämlich die Nutzung eines dienstlichen „Gegenstandes“ ausschließlich zu dienstlichen Zwecken, unabhängig davon, ob die private Nutzung zuvor geduldet wurde. Etwas anderes mag gelten, wenn der Dienststellenleiter an dienstlichen Gegenständen die private (Mit-)Nutzung gestattet und in einer Dienstanweisung Art und Umfang der privaten Nutzung regelt. An einer solchen Abspaltung der Regelung von der Dienstaufgabe fehlt es hier aber.

2. Nach § 85 Abs. 2 Nr. 2 PersVG Berlin bestimmt die Personalvertretung mit über Maßnahmen zur Hebung der Arbeitsleistung und zur Erleichterung des Arbeitsablaufs. Der Antragsteller kann dieses Mitbestimmungsrecht für die Einrichtung von Vertretungszugriffen auf die E-Mail-Postfächer der Beschäftigten in Ziffer 2 der DA E-Mail nicht für sich in Anspruch nehmen. Die Anordnung führt nicht zu einer Arbeitsverdichtung und ist deshalb mitbestimmungsfrei………..

3. Nach § 85 Abs. 2 Nr. 9 PersVG Berlin bestimmt die Personalvertretung mit über Einführung neuer Arbeitsmethoden im Rahmen der Informations- und Kommunikationstechnik sowie die Änderung oder Ausweitung dieser Arbeitsmethoden, wenn sie aufgrund ihres Umfanges einer Einführung vergleichbar sind. Die Einrichtung von Vertretungszugriffen auf die E-MailPostfächer führt keine neue Arbeitsmethode im Rahmen der IuK ein. ……………

Ob die Einrichtung von Vertretungszugriffen eine Änderung oder Ausweitung der Arbeitsmethode darstellt, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn sie wäre aufgrund des geringen Umfanges in Form der bloßen Erhöhung der Zahl der von einem Beschäftigten ohnehin zu bearbeitenden E-Mail-Postfächer im Vertretungsfall einer Einführung einer neuen IuK-Arbeitsmethode nicht vergleichbar.