Urteil : Auskunftspflicht eines Arbeitnehmers über anderweitige Tätigkeit : aus der RDV 6/2018, Seite 339 bis 340
(Landesarbeitsgericht Frankfurt a. M., Urteil vom 11. Mai 2018 – 10 Sa 1628/17 –)
- Der Arbeitgeber kann im Rahmen eines Annahmeverzugsprozesses nach § 74c Abs. 2 HGB einen Anspruch auf Auskunftserteilung gegenüber dem Arbeitnehmer haben, wenn er darlegt oder dies unstreitig ist, dass der Arbeitnehmer im fraglichen Zeitraum bei einem anderen Arbeitgeber gearbeitet hat. Der Auskunftsanspruch bezieht sich aber nicht auf die Frage eines böswilligen Unterlassens nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 KSchG.
Aus den Gründen:
3. Der Beklagten steht auch kein Leistungsverweigerungsrecht zu, weil die Klägerin einem Auskunftsanspruch nach § 74c Abs. 2 HGB analog in Bezug auf die Höhe eines anderweitigen Verdienstes nicht nachgekommen wäre.
a) Macht der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber Ansprüche aus Annahmeverzug geltend, so hat der Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer einen selbständig einklagbaren Anspruch auf Auskunft über die Höhe seines anderweitigen Verdienstes in der Zeit des Annahmeverzuges (vgl. BAG 29. Juli 1993 – 2 AZR 110/93 – AP Nr. 52 zu § 615 BGB). Der Anspruch auf Auskunft über die Höhe des anderweitigen Verdienstes ergibt sich aus der entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 74 c Abs. 2 HGB, die in einem parallel gelagerten Fall der Anrechnung anderweitigen Verdienstes eine Auskunftspflicht über die Höhe des anrechenbaren Verdienstes vorsieht. Den Arbeitgeber trifft im Rahmen der §§ 615 Satz 2 BGB, 11 KSchG die Darlegungs- und Beweislast dafür, ob und in welcher Höhe anrechenbare Bezüge den Anspruch des Arbeitnehmers auf Fortzahlung seiner Vergütung während der Zeit des Annahmeverzuges mindern. Diese Belastung mit der Darlegungs- und Beweislast ist nur tragbar, wenn den Arbeitnehmer eine Auskunftspflicht zumindest über die Höhe seines anderweitigen Verdienstes trifft. Der Arbeitgeber mag zwar noch darlegen und beweisen können, dass der Arbeitnehmer überhaupt anderweitigen Verdienst hatte; es wird ihm aber regelmäßig die Höhe des anderweitigen Erwerbs ohne Einleitung aufwendiger Überwachungsaktionen unbekannt sein. Andererseits kann der Arbeitnehmer über die Höhe seines Zwischenverdienstes verhältnismäßig einfach Auskunft erteilen (vgl. BAG 19. Februar 1997 – 5 AZR 379/94 – zu 1 der Gründe, Juris).
Wird die Auskunft nicht erteilt, steht dem Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht zu (vgl. BAG 29. Juli 1993 – 2 AZR 110/93 – AP Nr. 52 zu § 615 BGB).
b) Das Auskunftsrecht setzt aber voraus, dass der Arbeitnehmer in dem fraglichen Zeitraum überhaupt Einkünfte erzielt hat, was der Arbeitgeber darlegen und beweisen muss (vgl. BAG 19. Februar 1997 – 5 AZR 379/94 – zu 1 der Gründe, Juris; ErfK/ Oetker 18. Aufl. § 74c HGB Rn. 9; MünchArbR/Tillmanns 4. Aufl. § 76 Rn. 70). Der Arbeitgeber muss zumindest substantiiert Indizien dafür im Prozess behaupten, dass der Arbeitnehmer einem anderweitigen Verdienst erzielt hat (ErfK/Preis 18. Aufl. § 615 BGB Rn. 111; von Steinau-Steinrück/Reiter NJW-Spezial 2016, 114), ansonsten liegt die Gefahr eines Ausforschungsbeweises und einer unangemessenen Beweislastumkehr nahe (MünchArbR/Tillmanns 4. Aufl. § 76 Rn. 70).
In der Literatur wird teilweise vertreten, dass sich der Auskunftsanspruch nach § 74c Abs. 2 HGB analog auch auf das „Ob“ des anderweitigen Verdienstes erstreckt (vgl. APS/Biebl 5. Aufl. § 11 KSchG Rn. 20; erwogen in BAG 19. Juli 1978 – 5 AZR 748/77 – zu III 2 a der Gründe, NJW 1979, 285). Dies erscheint als zu weitgehend. Dafür spricht der Wortlaut des § 74c Abs. 2 HGB, der Auskunft nur über die Höhe des Erwerbs vorsieht. Selbst wenn man dieser Meinung folgen wollte, müsste der Arbeitgeber aber zumindest aussagekräftige Indizien vorlegen, dass der Arbeitnehmer einer Erwerbstätigkeit nachgegangen und einen Verdienst bezogen hat (vgl. Staudinger/Richardi/Fischinger (2016) § 615 BGB Rn. 179; ErfK/Preis 18. Aufl. § 615 Rn. 111). Dies trägt die Beklagte aber nicht vor. Es ist nicht im Ansatz ersichtlich, wo die Klägerin in dem fraglichen Zeitraum – möglicherweise – gearbeitet haben könnte.